Wirtschaft | Arbeitsmarkt

Würth: Soforteinsatz für Martha Stocker

Sprung ins kalte Wasser für die neue Arbeitslandesrätin Martha Stocker. In Neumarkt sollen bei Würth rund 60 Arbeitsplätze wackeln. Und: Die steigende Arbeitslosigkeit hat nun auch in Südtirol zu den ersten bekannten Fällen von Selbstmorden geführt.

Voller Einsatz für Martha Stocker in ihren ersten Tagen als Arbeitslandesrätin. Mit der Bekanntmachung des weltgrößten Schraubenherstellers Würth bis zu 120 MitarbeiterInnen in der Zentrale in Neumarkt sowie der Niederlassung in Rom in Mobilität schicken zu wollen, hat sie noch einen Namen mehr auf der Liste bekannter Firmen, für deren Arbeitskräfte Lösungen gefunden werden müssen. Hoppe, Memc und ZH stehen dort schon ganz oben – ganz zu schweigen von vielen kleinen Unternehmen, die jenseits der öffentlichen Bühne schließen oder Arbeitsplätze abbauen.

Nach der Ankündigung des Antrags auf Mobilität am Freitag hat Stocker sobald wie möglich ein Treffen mit der Würth-Unternehmensleitung gefordert. Diese dementierte am späten Sonntag Nachmittag per Pressemitteilung Medienberichte, laut denen auf Basis der Schätzungen von Gewerkschaften in Neumarkt rund 60 Entlassungen vorgenommen werden sollen. „Würth Italien hat bis heute keinen einzigen Mitarbeiter entlassen“, erklärt Geschäftsführer Nicola Piazza. Der Antrag auf Mobilität sei keine Entlassung, sondern Grundlage für Verhandlungen mit den Sozialpartnern. Gemeinam mit den Gewerkschaften soll nun schon in den nächsten Tagen „alle Möglichkeiten überprüft werden, um Kosteneinsparungen vorzunehmen; auch die Umsatzentwicklung, die zuletzt einen positiven Trend verzeichnete, wird hierbei eine Rolle spielen.“

Klar scheint, dass die bereits vor Weihnachten geäußerten Sorgen der Würth-MitarbeiterInnen nun zur Realität werden – auch wenn das weltweit tätige Unternehmen weiterhin stark auf freiwillige Kündigungen zu hoffen scheint, um die Auswirkungen der Wirtschaftskrise in den Griff zu bekommen. Die Personalkürzungen sind dabei nur ein Teil eines umfassenden Restrukturierungsprogramms, betonte die Geschätsleitung. Damit würden vor allem offensive Maßnahmen zur Markterschließung und Verkaufsförderung ergriffen. Würth Italien beschäftigt derzeit rund 3000 Menschen: Etwas unter 700 arbeiten in Neumarkt, 400 in Rom; die restliche Belegschaft ist als Vertreter oder Verkäufter über das ganze Land verstreut.

Selbstmorde auch in Südtirol

Mit Bestürzung reagierte die neue Arbeitslandesrätin am Sonntag im Corriere dell’Alto Adige aber auch auf zwei Fälle von Selbstmorden, die in Südtirol infolge eines Arbeitsplatzverlusts verübt worden waren. Bereits kurz vor Jahresende hatte sich ein Ingenieur in den Fünfzigern das Leben genommen, nachdem er seinen Job in einem internationalen Unternehmen verloren hatte. Vergangene Woche folgte die Verzweiflungstat eines Familienvaters, der für ein italienisches Unternehmen mit Sitz außerhalb Südtirols gearbeitet hatte. Für Martha Stocker sind solche tragischen Ereignisse ein Antrieb mehr, mit vereinten Kräften gegen die Krise zu arbeiten. „Wir sind alle dazu aufgerufen, mehr zu machen“, erklärte sie gegenüber dem Corriere, „nicht nur hinsichtlich der wirtschaftlichen Unterstützung von Menschen ohne Arbeit, sondern auch indem wir ein Klima des Vertrauens in die Zukunft schaffen.“ Im Gegensatz zu den Fünfziger und Siebziger Jahren, in denen Südtirols Arbeitsmarkt mit vergleichbaren Probleme konfrontiert war, würden die Menschen heute anders auf einen Arbeitsplatzverlust reagieren. „Oder vielleicht passierten solche Dinge damals auch einfach viel versteckter“, so Stocker.

Tatsache ist, dass im restlichen Staatsgebiet infolge der Wirtschaftskrise ein wahrer Boom an Selbstmorden beobachtet wird. Bereits 2009 stieg die Selbstmordrate unter Arbeitslosen infolge der ersten Entlassungwelle laut einer Eures-Studie um 40 Prozent. Seitdem häufen sich in Italiens Medien Berichte über verzweifelte Unternehmer oder ArbeitnehmerInnen, die keinen anderen Ausweg aus der Krise sehen als aus dem Leben zu scheiden. Unter dem Titel „Quei 100 suicidi che la politica ha sulla coscienza“ brachte die Tageszeitung Il Tempo zu Jahresende eine Auflistung von insgesamt 100 Selbstmorden, die allein 2013 aufgrund von Problemen oder Ängsten in Zusammenhang mit dem eigenen Arbeitsplatz verübt wurden.