brad_pitt.jpg
Foto: Brad Pitt Fans Page / Facebook
Gesellschaft | Fritto misto

Burschi Brad

Die Burschenschaften haben Marling entweiht. Richten kann das nur Brad Pitt.
Jetzt ist es also doch passiert, die Burschenschaften haben sich vergangenes Wochenende im Burggrafenamt getroffen, um sich selbst zu feiern, sprich: zu tegeln. Und das ausgerechnet in meinem Wohnort! Man sei ein deutsch-italienischer Kulturverein, der eine Gründungsfeier abhalten wolle, hat man den Verwaltern des Vereinshauses vorgeflunkert (so viel zur deutschen Ehre), und freilich, hätten diese mehr Salto gelesen, hätten sie gewusst, dass die strammen Herren mit den akkuraten Frisuren nach der Algunder Schlappe wieder auf der Suche nach einer Location sind und bei einem Ansuchen aus deutschen Landen vielleicht zweimal hingeschaut. Aber im Nachhinein ist man immer klüger, und als Außenstehende sowieso, und überhaupt: Es ist ja nichts passiert, wie man mannigfach in den sozialen Medien nachlesen konnte – was natürlich nur behauptet, wer nichts kapiert hat, denn: Zum Einen werden Rechtsextreme normalisiert, wenn sie unbehelligt Veranstaltungen in öffentlichen Räumen abhalten können, und zum Anderen, wie soll ich sagen, ist Marling seither nicht mehr dasselbe. Sein Karma ist schlecht, die Aura grau (oder leicht braun gefärbt?), sein Yin und Yang sind einfach nicht mehr im Gleichgewicht. Man könnte den Pfarrer mit Weihwasser zum Exorzismus ins Vereinshaus schicken oder heidnische Räucherrituale ausprobieren, aber ich bezweifle, dass das genügen würde. Da müssen andere Kaliber her. Oder glauben Sie etwa an einen Zufall, dass sich Brad Pitt gerade jetzt im Meraner Raum aufhält?
Meine Theorie ist ja, dass sich da irgendein Marketing-Fuzzi gedacht hat: Katastrophale Anti-Werbung, das mit diesem rechten Kostümverein, das müssen wir sofort mit Glanz und Glamour ausgleichen. Wer passt da besser als ein Hollywoodstar, der bei Tarantino einen Nazijäger gespielt hat? Daraufhin hat er (oder sie) sich an den Schreibtisch gesetzt und, gemäß IDM-Handbuch für scheniale Kommunikation, folgende Zeilen aufgesetzt: „Dear Mr Pitt, we know you have seen everything and more, but have you ever been to the Marlinger Vereinshaus with its architectural 80s charisma, site of the legendary Baby-und Kinderflohmarkt?“
 
brad_pitt.jpg
Brad Pitt im Land: Angeblich hat der zweimalige „Sexiest Man Alive“ hierzulande nur Augen für den „Schrumpligsten Man Dead“, den Ötzi nämlich, den er sogar als Tattoo auf seinem Unterarm trägt. (Foto: bradpittofficial / Instagram)
 
Worauf Pitt natürlich alles stehen und liegen gelassen hat und mit dem Privatjet angedüst gekommen ist, ein paar Tage zu spät zum Nazi-Skalpieren, aber immer noch rechtzeitig, um das unangenehme Ereignis vom Wochenende in den Gazetten mit seiner aphrodisierenden Präsenz zu übertünchen. Jetzt warte ich halt darauf, dass Pitt auch nach Marling kommt, um ein bisschen von seinem Glamour hierzulassen, damit das Dorf als vom Hollywoodstar beehrt in die Annalen eingeht und nicht als der Ort, der sich von den Burschis hat übertölpeln lassen. Allein, bislang habe ich ihn noch nicht gesichtet, weder in der Nähe des Tatorts, noch beim Kaffee in der Dorfbar, und auch nicht beim Begehen des durchaus seine Reize habenden Weinweges. Ein wenig hoffe ich noch, dass ihn die Musikkapelle beim Konzert dieser Tage überraschend als „speschl gäst“ ankündigen wird, schließlich hat er ja seine Klampfe dabei, wie man auf den Bildern vom Flughafen erkennen konnte. Aber Brad scheint andere Interessen zu haben: Angeblich hat der zweimalige „Sexiest Man Alive“ hierzulande nur Augen für den „Schrumpligsten Man Dead“, den Ötzi nämlich, den er sogar als Tattoo auf seinem Unterarm trägt. Das ist natürlich hart für seine weiblichen Südtiroler Fans, mit einer über 4000 Jahre alten Gletschermumie können einige von uns nach zu viel Sonneneinstrahlung höchstens optisch konkurrieren, archäologisch ziehen wir den Kürzeren.
Sollte Pitt tatsächlich nicht nach Marling kommen und uns von unserer Schmach befreien, dann wäre zumindest schön, wenn er etwas vom Maskenskandal mitbekommen würde. Vielleicht kann ihm ja bei Gelegenheit ein Zimmermädchen das Franceschini/Oberhofer-Buch in den Koffer stecken, als Produzent ist er ja gewiss ständig auf der Suche nach Filmstoff. Damit es in ein paar Jahren dann heißt: „And the Oscar goes to…Brad Pitt“, für seine brachiale Darstellung des Tommy W. inklusive „Arschloch“-Monolog („Er ist ein großes Arschloch. Das ist so ein Arschloch. Und wenn einer ein Arschloch ist, dann wird er ein Leben lang ein Arschloch bleiben.“) oder möglicherweise auch für die nuancierte Interpretation des Florian Z. (da auch Oscar für die Maske denkbar) mit dem dramatischen „I would do it again!“-Sager, untermalt von sanfter Pianomusik. Dann könnten wir sagen: Wir sind Hollywood! Viel besser als: Wir sind Burschi-Land.
 
Bild
Profil für Benutzer Josef Fulterer
Josef Fulterer Fr., 22.09.2023 - 06:43

"Si parla bene, si parla male, basta che si parla!" sagen die gewisse Italiener und anscheinend darf sich auch die Steuer-Geld gefütterte IDM, die aller-unterste Schublade benützen.

Fr., 22.09.2023 - 06:43 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Arne Saknussemm
Arne Saknussemm Fr., 22.09.2023 - 08:30

Ich würde sagen, beide sind unwichtig : Burschenschaft wie Pitt. Also hört auf, darüber zu schreiben, verdammt noch mal! Den einen ist jede Plattform recht, der andere braucht keine. Grund genug beide zu ignorieren!

Fr., 22.09.2023 - 08:30 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Andrea Terrigno
Andrea Terrigno Fr., 22.09.2023 - 10:59

einfach köstlich, Frau Kienzl! Stets muss jemand den beleidigten Moralapostel hergeben, und versteht den Sinn und Zweck von Satire nicht.
Egal, das gehört dazu.
Vielleicht schaffen wir Menschlein es irgendwann, ein bisschen selbstironischer zu werden, denn in allen schlummert wahrscheinlich ein bisschen von einem Burschi, der denkt er sei ein Brad...

Fr., 22.09.2023 - 10:59 Permalink