Politik | Katalonien

Wo steht Südtirol?

Reaktionen aus Südtirol auf die Festnahme des ehemaligen Regionalpräsidenten von Katalonien, Carles Puigdemont.
Katalonien
Foto: Pixabay

Es war um 11.19 Uhr am Sonntag (25. März) Vormittag. Da klickten für Carles Puigdemont die Handschellen. Der ehemalige Regionalpräsident Kataloniens war auf der Rückreise von Finnland nach Belgien, wohin er sich vergangenen Oktober abgesetzt hatte. Kurz hinter der deutsch-dänischen Grenze wurde Puigdemont von der Autobahnpolizei Schleswig-Holstein gestoppt und in ein Gefängnis in Neumünster gebracht.
Was mit ihm passiert, ist noch unklar. Es könnte sein, dass die deutschen Behörden Puigdemont nach Spanien ausliefern. Dort drohen im bis zu 30 Jahre Haft. Die spanische Justiz hatte den 55-jährigen Ex-Präsidenten nach dem katalanischen Unabhängigkeitsreferendum des Amtes enthoben. Ihm und anderen Regionalpolitikern wird Rebellion, Aufruhr und Veruntreuung öffentlicher Mittel vorgeworfen.

Während in Barcelona tausende Menschen für die Freilassung Puigdemonts protestieren und die zuständige Staatsanwaltschaft in Deutschland bis Montag Mittag noch keine Erklärung abgegeben hat, reagiert man auch in Südtirol auf die jüngsten Ereignisse.

Als einer der ersten meldet sich am Sonntag Nachmittag Roland Lang zu Wort. Der Obmann des Südtiroler Heimatbundes ruft zur “Solidarität mit Puigdemont und dem katalanischen Volk” auf. Andreas Pöder kritisiert Deutschland für die Verhaftung, die aufgrund eines europäischen Haftbefehls erfolgte. Im Falle von Puigdemont, einem “demokratisch gewählten Regionalpräsidenten, der vom Zentralstaat wegen legitimer Unabhängigkeitsbestrebungen verfolgt wird”, verhielten sich die deutschen Behörden “übertrieben korrekt, während man selbst einen Terrorverdächtigen wie den Attentäter von Berlin trotz Warnungen die Einreise nach Deutschland ermöglichte”, so Pöder. Er fordert den Südtiroler Landtag auf, Puigdemont seine Solidarität zu bekunden “und dies befreundeten Stellen in Deutschland mitzuteilen”.

Auch von den Freiheitlichen kommt die Forderung, neben der Klärung juristischer Aspekte, den Fall auch politisch zu bewerten. Er vermute, dass es sich bei Puigdemont um einen politischen Gefangenen handle, kommentiert der Freiheitliche Autonomie-Referent Wolfgang Niederhofer: “Ob die Festnahme politisch motiviert ist oder ob gar eine einseitige Parteinahme Deutschlands zugunsten der im Konflikt mit Katalonien nationalistisch und zentralistisch agierenden Zentralregierung in Madrid zugrunde liegt, gilt es in den nächsten Tagen und Wochen zu beobachten.”
“Jedenfalls”, so Niederhofer weiter, “ist es nicht akzeptabel, dass in Europa im Jahre 2018 Politiker, die mit friedlichen und demokratischen Mitteln für die Unabhängigkeit ihrer Region kämpfen, mit drakonischen, einer Demokratie unwürdigen Strafen zu rechnen haben. Am Beispiel Katalonien zeigt sich auch, ob Europa für den nächsten demokratischen Schritt bereit ist. So wie sich in den letzten zweihundert Jahren die Menschenrechte, Frauenrechte und demokratischen Bürgerrechte schrittweise zur heutigen Qualität entwickelt haben, wird auch das Recht auf Selbstbestimmung eine neue, progressive Interpretation und Entwicklung erfahren müssen. Sicher ist diese Entwicklung keineswegs. Auch ein Rückfall in postdemokratische Zustände ist möglich.” Zugleich ersucht Niederhofer im Namen der Freiheitlichen die Südtiroler Landesregierung, “Katalonien in dieser ungewissen Umbruchphase die volle Solidarität auszusprechen und die sofortige Freilassung aller katalanischen Politiker zu fordern”.

Ganz ähnlich sehen die Lage Südtirols Grüne. “Berlin soll sich nicht zum Büttel von Madrid machen”, schreiben die Grünen in einer Aussendung. Belgien und auch die Schweiz hätten eine Auslieferung Puigdemonts bislang abgelehnt, “weil europäische Auslieferungsregeln zwingend nur für herkömmliche Straftaten gelten, nicht aber für politisch strittige Angelegenheiten wie Verrat oder Rebellion”. Weiter heißt es: “Auch wer wie wir Grüne eine Sezession Kataloniens weder für wünschenswert erachten noch sie unterstützen, halten das Vorgehen der spanischen Justiz für maßlos überzogen. Dass sich deutsche Behörden nun zu Vollzugsgehilfen der Madrider Regierung machen und den immerhin in freien Wahlen legitimierten Puidgemont verhaftet haben, ist bedauerlich. Umso mehr ist nun von deutscher Seite Zurückhaltung geboten. Berlin sollte sich nun umso mehr veranlasst sehen, Madrid auf eine politische Lösung zu drängen, statt weiterhin gegen einen breiten Bevölkerungswillen in Katalonien mit der Brechstange vorzugehen. Südtirols Landesregierung aber sollte ihre guten Kontakte zur deutschen Bundesregierung und zum Bundespräsidenten nutzen, um eindringlich auf die Notwendigkeit einer solchen Linie hinzuweisen. Und vielleicht könnten sich Südtirols Neo-Parlamentarier in Rom neben Wolf und Bär auch diesem europäischen Thema widmen.”

Das offizielle Südtirol schweigt bislang. Als Vizepräsident der FUEN (Föderalistische Union der Europäischen Nationalstaaten) nimmt am Montag Vormittag hingegen Daniel Alfreider Stellung. “Die Ironie des Schicksals will”, schreibt Alfreider, “dass Carles Puigdemont nur wenige Kilometer von Flensburg entfernt festgenommen wurde. Dort hat die FUEN ihren Hauptsitz und arbeitet in diesen Tagen intensiv daran die letzten Unterschriften für die Minority Safe Pack Initiative zu sammeln, damit der Minderheitenschutz im EU-Recht verankert wird. Auch Carles Puigdemont hatte neulich seine Unterstützung für diese wichtige Initiative offiziell verkündet.”
“Die Ereignisse von gestern zeigen”, so Alfreider weiter, “dass die Lösungen zur katalanischen Frage, die in den letzten Monaten umgesetzt wurden weder wirksam, noch richtig waren. Solche Spannungen können nicht durch Gewalt gelöst werden. Es ist Zeit, dass die Europäische Union Verantwortung übernimmt und die Visionen und Hoffnungen ihrer Gründungsväter umsetzt, nach dem Motto ‘In Vielfalt vereint’. Um vereint zu sein reichen die Nationalstaaten nicht, sondern es bedarf vielmehr einer Wertschätzung der einzelnen Völker und Kulturen. Die Situation in Katalonien ist nur ein Beispiel dafür, wie wichtig es ist ein Europa der Regionen aufzubauen und sich der Logik der Nationalstaaten abzuwenden. Sonst werden die Spaltungen innerhalb unserer Union immer größer werden.”