Bezahlte Medien
Foto Luca Guadagnini
2023
„Mit uns erreichen Sie über 200.000 LeserInnen“, so preist die Südtiroler Tageszeitung um Herausgeber Arnold Triubs. Die Reichweite spricht an, am 29. August schaltet die Sextner Dolomiten AG eine Anzeige. Eine Seite lang, vierfarbig, sichtbar. Wenig sichtbar das oben rechts in Schriftgröße 10 vermerkte Feld „Bezahlte Anzeige.“ Umso sichtbarer dafür der Inhalt der Anzeige: Die wirtschaftliche Notwendigkeit des Zusammenschlusses der Skigebiete Helm und Rotwand.
2.300 Euro kostet eine Anzeige dieses Typus, laut Preisliste der Tageszeitung.
Ob die Skigesellschaft aus dem Hochpustertal diesen Betrag auf den Tisch legt, lässt die Tageszeitung offen. Aus der Anzeigenabteilung heißt es etwas verärgert: „Das geht niemanden etwas an, was der Kunde gezahlt hat.“
Auch die Tageszeitung Dolomiten verkauft gerne Anzeigen, dieselbe Geschichte, derselbe Titel „Zukunft oder Stillstand“ - bezahlt auch hier von der Sextner Dolomiten AG. Das Feld „Bezahlte Anzeige“ gibt es in der Dolomiten vom 28. August gar nicht, der Preis ist stolz und bewegt sich um die 6.000 Euro. Bereitwillig ist die Auskunft im Haus Athesia. Auf die Frage, ob das Feld "Bezahlte Anzeige" nicht hätte aufscheinen müssen, darauf weiß die Zuständige in der Abteilung keine Auskunft. Da müsse der Verkaufleiter gefragt werden, der am Nachmittag außer Haus sei.
Deutliche Sichtbarkeit
Journalistisches Feingefühl sieht wohl anders aus, Leser zu informieren, Quellenangaben explizit hervorheben ist Gesetz. Als Anzeige deutlich identifzierbar sei weder der Beitrag in der Tageszeitung, noch weniger der, in der Dolomiten. Christoph Moar von den Grünen findet das Ganze nicht lustig, und beruft sich auf das Presserecht, „eine Anzeige muss als solche bereits bei flüchtigem Blick durch Unterschiede in Layout und Schrift erkennbar sein.“ Sei nicht sofort ein Unterschied erkennbar, müsse der Beitrag als „Anzeige“ gekennzeichnet werden. „Ich brauche schon viel guten Willen, um (in der Tageszeitung) bei der Gestaltung der Seite das Wort 'Bezahlte Anzeige' zu erkennen“, schreibt Moar auf Facebook. Wie ihm dürfte es wohl den 200.000 LeserInnen der Südtiroler Tageszeitung und denen der Dolomiten gegangen sein. Wer zahlt, sagt an, oder?
Ein immenser Imageverlust
ante scriptum: Ich staune, wie zeitnah die Salto Redaktion öffentliche Facebook Aussagen mitliest... tatsächlich ein schnelles Medium...
Aber nun gut, redaktionelle Werbung (“pubblicità redazionale”) ist eine Form von verschleierter Werbung, die sich dem Leser in der Form eines normalen redaktionellen Beitrags präsentiert. Sie verschleiert dem Leser seine Natur und verhindert, dass der Leser den Inhalt als parteiisch bzw. kommerziell erkennt. Eine solche „pubblicità redazionale“ ist, mit allen anderen Formen von verschleierter Werbung, von den Berufskodizes der Journalisten und Werber verboten, sowie auch von der einschlägigen Gesetzgebung, so das Legislativdekret vom 25.01.1992, n. 74, mit dem die EU Direktive 84/450/CEE in Bezug auf irreführender Werbunug umgesetzt wurde.
Verantwortlich ist im Fall von verschleierter Werbung zunächst einmal der Auftraggeber, anschließend jedoch auch der/die DirektorIn des Mediums, das die Werbung veröffentlicht hat. Es ist nämlich bereits vom Kassationsgerichtshof (Urteil 22535 vom 20.10.2006) festgehalten worden, dass der Direktor einer Zeitung die Verpflichtung hat, für die Korrektheit und Qualität der Information zu garantieren hat, was sowohl aus dem Kollektivvertrag der Journalisten als auch aus dem obigen D.Lgs 74/1992 (mittlerweile Art. 23 des Verbraucherschutzgesetz). Der Kollektivvertrag sagt zum Beispiel in Art. 44 ganz klar:
“Allo scopo di tutelare il diritto del pubblico a ricevere una corretta informazione, distinta e distinguibile dal messaggio pubblicitario e non lesiva degli interessi dei singoli, i messaggi pubblicitari devono essere chiaramente individuabili come tali e quindi distinti, anche attraverso apposita indicazione, dai testi giornalistici.”
Das Ziel ist dabei stets, dass der/die LeserIn vor verschleierter Werbung geschützt werden müssen. Der Zeitung wird auferlegt, dass die Werbung klar und unmittelbar als solche erkenntlich sein muss, mittels eindeutiger grafischer Merkmale (“rendere la pubblicità chiaramente riconoscibile come tale mediante l’adozione di modalità grafiche di evidente percezione”).
Ein Zeitungsdirektor müsste demnach prüfen,
1) Ob die Werbung leicht als solche erkennbar ist;
2) Werbung von redaktionellen Content durch eindeutige grafische Unterschiede differenzieren;
3) Wo er/sie Werbung in einem redaktionellen Text erkennt, dessen Veröffentlichung nicht gestatten, da ansonsten die Sanktionen der Berufskammer greifen.
Aber von dieser ganzen Juristerei mal abgesehen, gibt es ein noch viel einleuchtenderes Argument gegen verschleierter Werbung, in dem peinlichen Moment wo sie auffliegt:
Wer Schleichwerbung betreibt, riskiert einen immensen Imageverlust. Unternehmerisch eine für die Sextener Dolomiten AG sehr gewagte Entscheidung.
Südtirols Leser schlucken viel
Ich glaube nicht, dass mit der Schleichwerbung ein Imageverlust verbunden ist. Südtirols Zeitungen, allen voran die Dolomiten, sind voll von Schleichwerbung, wobei in der Regel nicht direkt, sondern indirekt durch Werbe- oder Druckaufträge gezahlt wird. Die Leser haben bisher alles geschluckt und werden es auch weiterhin tun.
ist doch schon lange gängige
ist doch schon lange gängige praxis im hause athesia: wer bei stol wirbt bekommt in der dolomiten nen artikel und umgekehrt. wer nicht wirbt riskiert totgeschwiegen zu werden - mal ein bisschen überspitzt formuliert.