Politik | Abschaffung Senat

Renzis entscheidende Kraftprobe

Die Abschaffung des Senats wird zur entscheidenden Kraftprobe für Matteo Renzi. Das Sperrfeuer hat begonnen, noch bevor der Gesetzentwurf vorliegt - Ausdruck einer tief verwurzelten Reformfeindlichkeit, die in Italien seit Jahrzehnten jede Änderung verhindert.

Dass die Senatoren sich selbst abschaffen, ist schwer vorstellbar in einem Land, in dem der Erhalt der eigenen poltrone zu den vordinglichen Anliegen der Politiker aller couleurs gehört. Den Widerstand gegen sein wichtigstes Reformvorhaben bekommt Renzi zu spüren, noch bevor der Ministerrat am Montagnachmittag den Gesetzentwurf verabschiedet.

Der Chor der Enrüsteten ist unüberhörbar und kommt aus der rechten und linken Ecke - wie stets, wenn es darum geht, wesentliche Reformen auszuhöhlen oder zu entschärfen. Senatspräsident Piero Grasso warnt Renzi deutlich davor, daß es im Palazzo Madama "keine Mehrheit für eine solche Reform" gebe. "Mindestens 100 Senatoren müssten vom Volk gewählt werden", statt den Senat mit bereits gewählten Vertretern aus den Regionen zu besetzen. Und natürlich darf auch der Hinweis auf die "credibilitá delle istituzioni" nicht fehlen. Im  allgemeinenen Kriegsgeschrei ist besonders die Warnung vor einer "autoritären Wende" bemerkenswert, die von prominenten Verfassungsrechtlern wie Zagrebelsky und Rodotá kommt.

"Stiamo assistendo impotenti al progetto di stravolgere la nostra Costituzione da parte di un Parlamento esplicitamente delegittimato per creare un sistema autoritario che dà al presidente del Consiglio poteri padronali. "

Der Aufruf ist in einem Ton gehalten, als stünde Mussolinis Auferstehung unmittelbar bevor. Dass der überzogene Appell von Giustizia e libertá schon publiziert wird, bevor der Gesetzentwurf vorliegt, ist symptomatisch für den Stil der politischen Auseinandersetzung in Italien.  Dass auch ein autoritärer Charakter wie Beppe Grillo vor einer "svolta autoritaria" warnt, entlarvt die Widersprüchlichkeit solcher "appelli a prescindere". Die Kreuzzüge und apokalyptischen Töne bestätigen, was jeder weiß: dass die italienische Verfassung für die Hohepriester unter den Verfassungsrechtlern auch 66 Jahre nach ihrer Verabschiedung praktisch unantastbar ist: "Il bicameralismo ci ha salvato tante volte".

Doch beugen will sich Renzi auf keinen Fall: "O se ne va il senato o me ne vado io." Abgesehen vom durchaus strittigen Inhalt seines Gesetzes wird sein Kampf nun unweigerlich zum Duell des selbstbewussten Pragmatikers gegen Bürokraten, Ideologen und Reformgegner. An eine sachliche Diskussion über das Für und Wider der Reform ist in diesem fast hysterischen Klima gegenseitiger Verdächtigungen nicht zu denken. 

Renzi will vor allem in einem Punkt nicht nachgeben: der zukünftige Senat soll nicht mehr gewählt, sondern sich aus Vertretern von Regionen und Gemeinden zusammensetzen. Hier ist der Widerstand groß - auch in der eigenen Partei. Umstritten auch der Vorschlag, dem Senat sollten zusätzlich 21 Vertreter der Zivilgesellschaft angehören, die der Staatspräsident ernennt. Renzi steht nun ein Marsch durchs Minenfeld bevor - mit ungewissem Ausgang. Denn wird die Verfassungsänderung nicht mit Zweidrittelmehrheit genehmigt, muss sie durch eine Volksabstimmung bestätigt werden.