Gesellschaft | BÜKV

„Ein Teufelskreis“

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadtgemeinde Bruneck haben einen offenen Brief verfasst, in dem sie die derzeitigen prekären Zustände harsch kritisieren.
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Foto: Pexels
Der offene Brief ist an Landeshauptmann Arno Kompatscher, Generaldirektor Alexander Steiner und die Gewerkschaftsbünde AGB/CGIL, Autonomer Südtiroler Gewerkschaftsbund, SGBCISL, UIL-SGK Alto Adige und Autonome Gewerkschaftsorganisation der örtlichen Körperschaften gerichtet. Unterzeichnet wurde er von 136 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
 
Der offene Brief im Wortlaut:
 
Sehr geehrter Landeshauptmann Arno Kompatscher, Sehr geehrter Generaldirektor Alexander Steiner,
wir, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadtgemeinde Bruneck, wenden uns mit diesem offenen Brief an Sie, um auf unsere prekäre Situation aufmerksam zu machen. Es geht um unsere seit Jahren stagnierenden Gehälter, um die Wertschätzung, die wir verdient hätten, die uns aber nicht entgegengebracht wird, und es geht um die Zukunft des öffentlichen Dienstes.
Die langwierigen und schwerfälligen Verhandlungen zum BÜKV der öffentlich Bediensteten treffen uns und unseren Betrieb mitten ins Herz. Schon seit mehreren Jahren haben wir beobachten und am eigenen Leib erfahren müssen, dass die Attraktivität einer Arbeitsstelle im öffentlichen Sektor schwindet. War es anfänglich „nur“ der schlechte Ruf des öffentlichen Dienstes, der viele potentielle Bewerber*innen abgeschreckt hat, so ist es jetzt noch zusätzlich der Umstand, dass die Entlohnung unserer Arbeit bei Weitem nicht deren Anforderungen entspricht.
Viele Berufsbilder haben sich im Laufe der Jahre gewandelt, scheinbar einzementierte Funktionsebenen können mit in der Ausschreibung geforderten mindestqualifiziertem Personal nicht besetzt werden, da die tatsächlichen Anforderungen mittlerweile so hoch sind, dass auf höher qualifiziertes Personal ausgewichen werden muss. Dieses wird nach der Funktionsebene, nicht nach den erhöhten Erfordernissen bezahlt und ist oft schneller wieder weg, als es gekommen ist – sofern es überhaupt jemanden gegeben hat, der die Stelle angetreten hat.
Wir sind mittlerweile schon so weit, dass sich auf Wettbewerbsausschreibungen hin keine Leute mehr melden. Viele Wettbewerbe müssen öfters ausgeschrieben werden, Stellen bleiben über Monate, ja Jahre unbesetzt oder können gar nicht mehr besetzt werden. Aufgrund der prekären Einstufungs- und Lohnsituation ist es nicht nur problematisch, neues Personal zu finden, sondern wir sind seit neuestem damit konfrontiert, dass langjährige Bedienstete ihre Stellen kündigen. Was früher Ausnahmen waren, ist jetzt die Regel.
Die Situation belastet und erhöht den Druck auf das bestehende Personal, das die Aufgaben der vakanten Stellen übernehmen muss. Zusätzliche Arbeit bei gleichbleibend niedrigem Lohn – die Attraktivität solcher Arbeitsplätze ist bescheiden bzw. gar nicht vorhanden. Vor allem auch deshalb, weil es in allen Bereichen besser bezahlte Stellen, oft noch mit besseren Arbeitszeiten gibt. Die steigenden Lebenshaltungskosten und die Inflation tragen ihr Übriges dazu bei, dass das Leben bis zum Monatsende zunehmend schwieriger wird. Ersparnisse anzulegen – ein frommer Wunsch ohne Aussicht auf Erfüllung.
Die Zusatzbelastungen und Mehrarbeit, die wir aufgrund der fehlenden oder auch „abwandernden“ Mitarbeiter*innen bewältigen müssen, führen außerdem dazu, dass die Motivation der Angestellten sinkt. Arbeiten müssen auf die lange Bank geschoben werden oder werden nicht mehr erledigt, was sich wieder negativ auf unseren Ruf auswirkt - ein Teufelskreis. Unsere Arbeit wird nicht ausreichend geschätzt, und wir erhalten nicht die finanzielle Anerkennung, die wir verdienen. Wir sprechen hier nicht von einer Gehaltserhöhung, wir sprechen nur vom Inflationsausgleich.
Wir möchten Sie dringend bitten, sich unserer Situation anzunehmen und dafür Sorge zu tragen, dass die öffentlich Bediensteten in Südtirol angemessen entlohnt und geschätzt werden. Nur so können wir auch in Zukunft motiviert und engagiert unsere Arbeit leisten und den Bürgerinnen und Bürgern unserer Stadt eine optimale Betreuung und Dienstleistung bieten.
Wir sind uns bewusst, dass die Verhandlungen zum BÜKV eine komplexe Angelegenheit sind und dass es schwierig sein kann, alle Interessen zu berücksichtigen. Dennoch sind wir der Meinung, dass es in Ihrem, in unserem und im Interesse der öffentlich Bediensteten im Allgemeinen liegt, diese Verhandlungen so schnell wie möglich zu einem vertretbaren Abschluss zu bringen.
Wir danken Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und hoffen auf eine positive Rückmeldung. Mit freundlichen Grüßen
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadtgemeinde Bruneck

 

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Alex Mutschlechner Fr., 09.06.2023 - 23:23

Liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadtgemeinde Bruneck, vielen Dank für Euren Aufruf! Kann ich nur bestätigen und inhaltlich voll unterstützen. Öffentliche Dienste, welche sich zum Beispiel um Betreuung oder Pflege kümmern, müssen gerade hilflos nacheinander einzelne Angebote schließen, weil Betreuerinnen und Betreuer im privaten Sektor unter weit besseren Bedingungen Arbeit finden. Es besteht dringender Handlungsbedarf. In allen Bereichen.Wirklich!
Alex Mutschlechner (Sozialbetreuer Bozen)

Fr., 09.06.2023 - 23:23 Permalink
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Am Pere So., 11.06.2023 - 08:46

Steiner ist ein ehemaliger und langjähriger Berufskollege der Gemeindebediensteten und Studienfreund von Kompatscher. Dieser hat ihn vor rund 8 Jahren an seine Seite geholt.
Gerade die letzten 10 Jahre sind von einem massiven Kaufkraftverlust der öffentlich Bediensteten in Südtirol geprägt, die aufkeimende Inflation tut ihr Übriges.
Ich denke, der Drops für die Angestellten im öffentlichen Sektor ist definitiv gelutscht. Schließlich vertraute man den Gewerkschaften, den Arbeitnehmern in der SVP, der Rhetorik des Landeshauptmanns und - bei den Lehrern - dem Philipp aus Vintl.
Salto und seine unverbesserlichen Träumer dürfen jedoch gerne Herrn Kompatscher weiterhin als Messias betrachten.

So., 11.06.2023 - 08:46 Permalink
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Am Pere So., 11.06.2023 - 22:11

Antwort auf von Manfred Gasser

Wie alt sind Sie, dass Sie andere fragen wo Sie Ihr Kreuzchen machen sollen?
Bei Ihrer Denkweise musst das Zitat von Einstein fallen, das die reinste Form des Wahnsinns jene ist, alles beim Alten zu lassen, in der Hoffnung, dass sich etwas ändert.
Die Gemeindeangestellten werden Ihnen für Ihre verkrustete Denkweise dankbar sein.

So., 11.06.2023 - 22:11 Permalink
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Salto User
Manfred Gasser Mo., 12.06.2023 - 10:33

Antwort auf von Am Pere

Sie haben mich falsch verstanden. Mich interessiert mehr, wo Sie Ihr Kreuzchen machen, ich weiss schon wo, und ich kann es bei Nachfrage sogar begründen. . Denn etwas ändern zu wollen, ohne dieses Andere zu benennen, ist vielleicht nicht Wahnsinn, erinnert aber sehr an Populismus.

Mo., 12.06.2023 - 10:33 Permalink
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Peter Gasser So., 11.06.2023 - 19:51

Dieser Artikel hat damit wohl eher nichts zu tun.
Man muss nicht überall, so meine ich, „weiße Mäuse sehen“, nur um ständig seine eigenen Artikel immer und immer wieder zu verlinken, und damit die Thematik im Kommentarbereich zu „biegen“, so meine ich.

So., 11.06.2023 - 19:51 Permalink
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Salto User
Manfred Gasser So., 11.06.2023 - 20:37

Und ohne "proporzionale" würden sich wahrscheinlich ganze Scharen von Interessenten auf die Stellenanzeigen melden. Denn es liegt nicht an fehlender Wertschätzung, fehlendem Lohn, alles Ausreden. Die "proporzionale" muss weg, und gleich noch die Zweisprachigkeit mit.

So., 11.06.2023 - 20:37 Permalink
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Stereo Typ So., 11.06.2023 - 21:40

Die Arbeit des Personals der öffentlichen Verwaltung wird nicht gewertschätzt. Wenn man "basics" wie den Inflationsausgleich nicht mehr gewährt, dann heißt es schlicht, dass die Politik von der Arbeit und jenen, die sie leisten, nicht viel hält. Es ist traurig, es ist beschämend. Als Arbeitnehmer ist man in Deutschland und Österreich besser gestellt. Nicht jeder kann und will Führungskraft/Politiker/Unternehmer werden, um seinen Unterhalt bestreiten zu können. What's wrong with us? Wir können doch nicht ein Land mit einer halben Million Leuten sein, von denen ein Großteil von der Hand in den Mund leben muss. Südtirol ist nicht mehr lebenswert, es sei denn man hat geerbt, reich geheiratet, ist Single geblieben oder die Karriereleiter erklommen. Begehrtester Lebensraum Europas.

So., 11.06.2023 - 21:40 Permalink
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Profil für Benutzer Josef Fulterer
Josef Fulterer Mo., 12.06.2023 - 06:27

Antwort auf von Stereo Typ

Bei den Projekten die Aussicht haben, "mit dem BAND-DURCHSCHNEIDEN & hoher MEDIEN-AUFMERKSAMKEIT groß vor zu kommen + bei der eigenen VERSORGUNG + die Bürokratie noch mehr auf zu blähen," wird bei den öffentlichen Verwaltungen großzügig geklotzt.
Als ERBSEN-ZÄHLER gebärden sich die K L U G E N + U M S I C H T I G E N VER-WALTER, bei den Mitarbeiter*innen und bei den Instand-Haltungen und Pflege-Maßnahmen. Dort wird gespart "bis die Mitarbeiter*innen mit dem Lohn nicht mehr leben
können + davon laufen (müssen)" und bis Gebäude, Anlagen + Maschinen in einem Zustand sind, "die eine E R S E T Z U N G dringend notwendig macht, mit der MAN dann wieder GROß in den MEDIEN vor zu kommen hofft."

Mo., 12.06.2023 - 06:27 Permalink
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Profil für Benutzer Hanno Zerhol
Hanno Zerhol Mo., 12.06.2023 - 13:51

Antwort auf von Josef Fulterer

Verkrustet! Was wäre wenn jeder der 140 brunecker Beamten, die hinter einem Schreibtisch sitzen jede Woche 1 (einen) Zettel weniger produzieren würden? Alle wären darüber glücklich, denn wohl gemerkt die ganze zettelwitschaft und Bürokratie haben nicht die Politiker zu verantworten, sondern Richter und Beamte. Und hier geht es nicht um Neoliberalismus, sondern um Lebensqualität für alle

Mo., 12.06.2023 - 13:51 Permalink