Politik | Wahlen/Elezioni 23

Dem Papiertiger auf der Lauer

Der Klimaplan Südtirol 2040 sorgt erneut für Diskussion. Erneut geht es um seine Verbindlichkeit. Wie sich Rohrer und Kompatscher dazu äußern.
Rohrer und Kompatscher
Foto: (Foto: salto.bz)
Der eben erst verabschiedete Klimaplan sorgt erneut für Diskussion. Dieses Mal geht es um die Verbindlichkeit des Klimaplans. Madeleine Rohrer, Kandidatin der Grünen und derzeitige Geschäftsführerin des Dachverbands für Natur- und Umweltschutz, äußerte sich kritisch zum Klimaplan. Was auch Landeshauptmann Kompatscher dazu meint.
Im Gespräch mit Salto.bz erörtert Madeleine Rohrer, dass grundsätzlich der Klimaplan sehr wichtig ist und dieser auch von ihr und den Grünen unterstützt wird. Nichtsdestotrotz sieht Rohrer das Problem beim Klimaplan darin, dass die im Plan enthaltenen Maßnahmen nicht verbindlich sind. Zudem findet Rohrer, dass die verschiedenen Versionen des Klimaplans immer weiter aufgeweicht wurden. Dies bestätigt auch der Bürgermeister von Meran. Beispielsweise hatte die Landesregierung noch im August 2022 mit Teil 1 beschlossen, dass 2023 keine neuen Ölheizungen eingebaut werden und keine Heizungen mit fossilen Brennstoffen betrieben werden dürfen, wenn das Gebäude in der Zone eines Fernheizwerkes liegt.  Daraufhin stellten die Grünen im Meraner Gemeinderat im April eine Anfrage, wer diese Maßnahmen kontrolliert. Die darauffolgende Antwort des Bürgermeisters von Meran war sehr knapp, er meinte nämlich: „Die Maßnahmen in diesem Klimaplan sind nicht verbindlich.
 
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Madeleine Rohrer: "Der Klimaplan ist nicht verbindlich" (Foto: Gruene)
 
Rohrer merkt hier an: „Dies ist nur ein eklatantes Beispiel für viele Maßnahmen des Klimaplans, welche nicht verbindlich sind. Der Klimaplan enthält zahlreiche Maßnahmen für weitere Erhebungen, zum Beispiel ein Energieaudit für Skigebiete oder für energieintensive Hotels. Wie dann der Tourismus von den Emissionen runter kommt, steht im Klimaplan nicht. Umso mehr Zeit Südtirol für noch mehr Studien braucht, desto teurer und aufwendiger wird es in Zukunft für Natur und Gesellschaft sein.
Die Landesregierung habe 5 Jahre Zeit verstreichen lassen, die bestehenden Gesetze anzupassen und den Klimaschutz zur Priorität zu machen. Außerdem verweist Rohrer darauf, dass in der Einleitung zum Klimaplan dieser auf ein Koalitionsprogramm und eine politische Selbstverpflichtung herabgestuft wurde.
Die Regierung hat 5 Jahre lang an diesem Programm gearbeitet, jedoch nicht an einem Gesetz.
Eine weitere Maßnahme im Klimaplan lautet, dass 2024 ein Instrument entwickelt wird, um zu untersuchen, welche Auswirkungen sie auf den Klimaschutz haben – „das hätte die Landesregierung auch schon vorher machen können“, so Rohrer.  
Wir stellen mit Sorge fest, dass die wirklichen Maßnahmen auf einen späteren Zeitpunkt in ferner Zukunft geschoben werden. Zugleich werden heute Projekte gemacht, die im Konflikt mit dem Klimaschutz stehen.
Als Beispiel hierfür nennt Rohrer die Tierser Seilbahn: „Es wurden mehr als 11 Millionen in eine Seilbahn investiert, die nichts mit nichts verbindet. Die Seilbahn ist nur ein Zubringer für ein Freizeitangebot." Hätte Südtirol ein Gesetz für den Klimaschutz, wären solche Projekte nicht zu 75% mit öffentlichen Geldern gefördert, welche dann anderswo fehlen, so Rohrer.
 
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Seilbahn Tiers: Zum Großteil mit öffentlichen Geldern finanziert (Foto: Carezza Dolomites/Helmuth Rier) 
 
Des Weiteren führt Rohrer aus, dass die Koordination zwischen Land und Gemeinden fehlt, wie das Beispiel der Ölheizungen zeige: „Das Land entwickelt den Klimaplan, die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister müssen ihn umsetzen. Die Maßnahmen blieben auf dem Papier. Eine der ersten Versionen des Klimaplans sah noch vor, dass alle Südtiroler Gemeinden einen Klimaplan bis 2024 vorlegen müssen. Schließlich haben die Gemeinden eine ganz wichtige Rolle im Klimaschutz, zum Beispiel beim Ausbau von Fuß- und Radwegen. Ohne gemeindeeigenen Klimaplan hätten sogar die Gemeinden weniger Geld vom Land erhalten sollen. Im endgültigen Klimaplan steht aber nichts mehr drin.
Der Klimaplan ist ein sehr wichtiger und interessanter Ausgangspunkt, wurde jedoch in der Finalisierung aufgeweicht.
Als ein weiteres Beispiel zieht Rohrer das Raumordnungsgesetz heran. „Das Raumordnungsgesetz ist ein gutes Beispiel, warum der Klimaschutz über alle anderen Pläne und Gesetze stehen muss. Der Klimaplan will die Versiegelung des Bodens bis 2040 auf null bringen. Bei der letzten Änderung des Raumordnungsgesetzes ist genau das Gegenteil passiert. Das Bauen im Grünen wurde sogar noch erleichtert – im Widerspruch zum Klimaplan und obwohl im Umweltvorbericht zum unterirdischen Bauen von den negativen Folgen für die Landschaft und die Natur gewarnt wurde.
Auf die Frage, was Madeleine Rohrer selbst vorschlagen würde, um den Klimaschutz bzw. Klimaplan zu verbessern, meint sie: „Der neue Landtag muss ein Klimagesetz schreiben. Wir brauchen klare Spielregeln und damit Planungssicherheit für alle, dass nur jene Initiativen vorangebracht werden, die dem Klima nutzen. Klimaschutz funktioniert aber nur, wenn die sozialen Aspekte mitgedacht werden. Die öffentlichen Gelder werden in Zukunft nicht mehr. Daher muss unser Land die öffentlichen Gelder eben nicht für eine private Seilbahn zahlen, sondern für sozial-ökologische Projekte verwenden, wie den Ausbau der Bahn im Burggrafenamt und Pustertal.“
 
 
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Klimaplan Südtirol 2040: Kommt es zu einem Klimagesetz? (Foto: ASP/Fabio Brucculeri)
 
Im Zuge dessen hat Salto.bz auch Landeshauptmann Arno Kompatscher befragt. Auf die Frage, was er von Frau Rohrers Aussage halte: „Dieses Papier der Landesregierung ist nicht ausreichend […] Die Landesregierung hat eine ganze Amtszeit vertrödelt, um einen Klimaplan zu erarbeiten, der selbst für Gemeinden, damit Südtirol den Ausstoß seiner klimaschädlichen Emissionen wirklich in den Griff kriegt“, meinte Kompatscher: „Ich glaube Frau Rohrer befindet sich bereits im Wahlkampfmodus. Ein solches Beispiel beschreibt, wie die unterschiedlichen Ebenen des Klimaplans funktionieren: Es gibt einmal eine strategische Zielsetzung, zu welcher sich die Landesregierung verpflichtet hat und eine normative Ebene. Nehmen wir als Beispiel die Ölheizungen her. Wir haben uns verpflichtet, dass wir keine neuen Ölheizungen mehr wollen und das müssen wir nun rechtsverbindlich umsetzten." 
Der Klimaplan kann kein Gesetz oder eine Verordnung sein, da er nicht die Form dazu besitzt.
Kompatscher führt fort, dass der Klimaplan von Südtirol hier keine Ausnahme ist. "Alle Klimastrategien und Klimapläne sind europaweit politische Zielsetzungen, bei denen man sich politisch dazu verpflichtet, diese Ziele zu erreichen. Das heißt nicht, dass der Klimaplan nichts wert ist."
 
„Aktuell wird rechtlich geprüft, ob die Gebäuderichtlinie so umgesetzt werden darf. Mit der Gebäuderichtlinie könnten wir dann erreichen, dass keine neuen Ölheizungen mehr eingebaut werden dürfen."
 
Arno Kompatscher
Arno Kompatscher: "Der Klimaplan kann kein Gesetz sein, was aber nicht heißt, dass er nichts wert ist."  (Foto: LPA) 
 
 
Bei der Entwicklung des Klimaplans habe man sich das Ziel gesetzt keine neuen Ölheizungen mehr einzubauen, deshalb arbeite man aktuell am Beschluss zur Abänderung der Gebäuderichtlinie. Mit der Abänderung könne man dann gewisse Standards vorgeben, so Kompatscher.
Im Prinzip hätte ein Anruf von Frau Rohrer genügt, dann hätte man dies gleich klären können, anstatt gleich aus allen Rohren zu schießen.
Auf die Frage, ab wann das neue Gesetz gültig wäre, antwortete Kompatscher: „Wir arbeiten aktuell noch an der rechtlichen Prüfung, da eine solche Änderung in die Freiheit der Menschen eingreift. Deswegen muss dieses Gesetz auch rechtlich gut fundiert sein.
Sollte dies nicht über die Gebäuderichtline funktionieren, müsse man dies in Abstimmung mit Rom regeln. Kompatscher zeigt sich aber zuversichtlich, dass dies über die Gebäuderichtlinie funktionieren kann. Er unterstreicht nochmals: „Wir haben das Ziel definiert und werden das Ziel auch erreichen. Genauso funktioniert der Klimaplan.“
Sollte die rechtliche Prüfung positiv ausfallen, wird die Gebäuderichtlinie auf die Tagesordnung der Landesregierung gesetzt. Kompatscher meint hierzu: „Fakt ist, das Ziel ist im Klimaplan definiert und wir müssen nun an der Umsetzung arbeiten. Diese Ziele sind sowohl für uns als auch für die Bevölkerung verbindlich. Ich möchte hier unterstreichen, dass nicht alles mit Verboten oder Geboten geregelt wird. Wir haben dies nicht im Sinn, viele Ziele sollen mit Anreizen oder mit Bewusstseinsbildung gefördert werden. Nichtsdestotrotz wird es aber auch Verbote brauchen."
 
 
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Robert Zagler Di., 22.08.2023 - 12:09

...warum sehe ich da Parallelen zum Heizungschaos in Deutschland! ...Verbote und Zwangsmaßnahmen kommen nicht gut an beim Bürger! Mit Aufklärung und finanziellen Anreizen würde weit weniger Panik verbreitet werden!

Di., 22.08.2023 - 12:09 Permalink
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Michele De Luca Di., 22.08.2023 - 13:05

Kurzum: Klimaplan nur als "Ratschlag", dann macht man, was man will. Eklatant das Beispiel des Dieselbus-Ankaufes 2011/12 und 2018/19 trotz der Zielen, die nie berücksichtigt wurden, die im Klimaplan 2011 standen.
Also der Gipfel der Inkonsequenz auf beiden Seiten: diejenigen, die die Anschaffungen getätigt haben zusammen mit denjenigen, die sie genehmigt haben und - auf der anderen Seite - diejenigen, die auf diesen Widerspruch hätten hinweisen müssen, es aber nicht getan haben. Ein perfekter Kurzschluss, leider.

Di., 22.08.2023 - 13:05 Permalink
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Dietmar Nußbaumer Di., 22.08.2023 - 22:41

Nachdem nun Parteien und Kandidaten#innen im Ferragosto des Wahlkampfes angekommen sind, wäre es auch langsam an der Zeit, Wahlprogramme über die Ankreuzler zu schütten. Es gibt jede Menge Kritik,aber keine verbindlichen Zielsetzungen. Gilt durch die Bank für alle Parteien. Wofür steht welche Partei? Ist diese Information gar nicht mehr nötig?

Di., 22.08.2023 - 22:41 Permalink
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Josef Fulterer Mi., 23.08.2023 - 07:12

Mit politischen Winkelzügen / fiesen Ellbogen-Rempeleien / halbseidenen Schachzügen mit denen man den politischen Gegner Schach-matt setzt, lässt sich die Natur und das Klima nicht nicht übertölpeln.
Die Natur und das Klima, haben infolge der Verschwendung der fossielen Brennstoffe hohes Fieber und wenn "die MACHT-habenden nicht die NOTBREMSE ziehen, werden weite Teile der Erde landwirtschaftlich nicht mehr benutzbar und bewohnbar werden."
Die bittere Folge ..., auch wir ...? ... Migranten ohne ... wohin?

Mi., 23.08.2023 - 07:12 Permalink
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alfred frei Mi., 23.08.2023 - 11:03

interessant wäre zu wissen, was Abg. Widmann (und vielleicht möglicher, Gott bewahre) neuer LHM in Zukunft besser machen würde. SVP-Parteiobmann Philipp Achammer könnte dabei seinen neutralen Standpunkt - "niemand soll im Regen stehen bleiben" - darlegen.

Mi., 23.08.2023 - 11:03 Permalink