Gert Lanz, Arno Kompatscher
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Politik | Fritto misto

Arno und das Zaubersakko

Kleider machen nicht nur Leute, sie entscheiden Wahlen. Eine Enthüllung.
  • In der Wahlwerbung, die in den letzten Tagen in die Haushalte flatterte, warnt der LH eindringlich davor, unsere Autonomie durch „fragwürdige Experimente“ zu schwächen. Diese fragwürdigen Experimente bestehen offenbar im Wählen von Parteien, die nicht Regierungspartei sind – manche Menschen nennen das ja Demokratie. Während der LH also in Sachen Landtag wenig von Experimentierfreude hält, zeigt er sich modisch letzthin erstaunlich unkonventionell: Ja, ich meine DAS Bild. Arno mit Karo-Sakko, oder besser: Das Karo-Sakko mit Arno, so übermächtig, so opulent, so alles andere ausradierend (wer nimmt überhaupt wahr, dass Gert Lanz auch auf dem Bild ist?) ist dieser Anblick, dass man ihn, einmal dargeboten, niemals wieder loswerden wird. Er bohrt sich mit der Hartnäckigkeit eines Borkenkäfers in die Gehirnwindungen, und ich bin mir sicher, dass ihn einige von uns auf ihrem Totenbett wiedersehen werden, unerwartet, als Teil des inneren Flashbacks ihres Lebens. Und ja, sie werden zusammenzucken.

    Ahnungslose Zeitgenoss*innen höre ich brotteln: Wen krotzt denn de Jagg, mir hobn gonz ondere Probleme! Ihr habt leider nichts verstanden, meine Freunde. Glaubt ihr denn wirklich, das Ganze sei Zufall? Dass der Arno halt beim Gert ein Fotoshooting hatte, und da hat er sich – Upsi! – den zehnten doppelten Espresso oder das elfte Red Bull an dem Tag (er wirkt im Wahlkampf erstaunlich energetisch) auf den Anzug gekleckert und gesagt: Gert, geh leih mir doch bitte was Dezentes, Unauffälliges aus deinem Schrank, und der Lanz ist dann mit diesem Prachtstück des Understatements angekommen, und Kompatscher: Ja genau, sowas meinte ich? Also bitte. Hinter diesem Bild liegt ein ausgeklügelter Schlachtplan: Es ist ein fragwürdiges Experiment, um oben genannte fragwürdige Experimente zu verhindern. Denn, wenn auch gelacht und gespottet wurde, als Lanz das Bild auf seiner Facebook-Seite online stellte, so war dies Ausdruck purer Hilflosigkeit. In Wahrheit übt das Bild eine Faszination, ja einen Sog auf uns aus, dem wir uns nicht entziehen können. Es ist ein Sakko, um uns zu knechten. Egal, welche Partei wir sonst wählen würden: Wer Arno im Sakko sieht, muss das Kreuzl beim Edelweiß machen.

    Die Grünen-Wähler*innen, weil sie da Nachhaltigkeit sehen („Omas olte Kittl vorbildlich wiederverwertet!“), Patchwork und Offenheit für andere Kulturen; die Rechten, weil ihnen angesichts des Tartans ganz Braveheart-mäßig wird und sie die luftige Brise der Freiheit schon wohlig um die Oberschenkel streichen fühlen; die Team-K-Unterstützer*innen, weil modemäßig nicht verwöhnt von ihrem Parteichef und dankbar für jeden Funken Glamour, außerdem aus Anerkennung, dass sich der LH endlich mal in Selbstironie versucht und den Kasper gibt; die Italiener, weil stolz auf das Kulturgut arlecchino, dem hier so unverhohlen gehuldigt wird; die Anderlan-Jünger*innen, weil da einer noch mehr die coole Sau raushängen lässt als ihr Häuptling; die Impfgegner-Fraktion, weil eine derart vom üblichen Stil abweichende modische Verhaltensauffälligkeit nur mit der Impfung erklärbar und somit ein Eingeständnis ist, und so weiter. Er würde alle Stimmen einsacken, mit dem Zauber-Sakko, und das ist natürlich der wahre Grund, wieso das Bild aus dem Internet verschwinden musste: Es ist einfach zu mächtig, der Vorwurf des Wahlbetrugs läge auf der Hand.

    Lesbar ist das Bild aber noch auf eine andere Weise: Einer Geisel gleich, die verzweifelt eine Botschaft nach draußen senden will, von der die Partei nichts mitbekommen soll, lässt Kompatscher mit dem Sakko anklingen, wer für ihn als Koalitionspartner in Frage kommt: Bestimmt war auch ihr erster Gedanke: Was für ein modischer faux pas!, und jetzt sprechen Sie die zwei Fremdwörter mal schnell und ohne Pause aus: Genial, oder? Ich hoffe, die Botschaft kommt an, und sorry, fratelli, aber: Nach dem sacco di Roma werdet ihr jetzt offenbar auch am Sakko di Arno zu knabbern haben.

    Auf zweifelhaftem Weg bin ich zu besagtem Bild gekommen, vermutlich sehen Sie es diesem Text beigefügt, ziemlich sicher haben Sie es erblickt, bevor meine Warnungen Sie erreichte: Wenn Sie nun am Sonntag in der Wahlkabine urplötzlich den Drang verspüren, eine für Sie untypische Entscheidung zu treffen, dann wurden Sie das Opfer eines fragwürdigen Experiments. Ich wünsche Ihnen viel Kraft.

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△rtim post Mi., 18.10.2023 - 20:54

Kulturelle Aneignung ist offenbar kein Thema. Medienresonanz erzielen ist ihnen aber schon mal gelungen: https://www.tageszeitung.it/2023/10/10/zuckerberg-hackt-lanz/
Es gilt offenbar: "Don't get elected for your ideas, get elected!" Das Motto amerikanischer Spin Doctors hat inzwischen auch Südtirol erreicht: "Du wirst zuletzt wegen deiner Konzepte gewählt, sieh zu, dass du irgendwie gewählt wirst.
Was würden Lanz u.v.a. sonst machen?
Kompatscher agiert da natürlich auf ganz anderer Ebene mit seiner Politik der Beliebigkeit. Ankündigungen, Themen, Entscheidungen, Posten und Koalitionen, auch mit Rechtsextremen: Alles ist möglich. Einmal an der Macht kann man dann auch gerne mal einiges aussitzen und weglächeln.
Und das nunmehr seit zehn Jahren. Das reicht. Da hat LH Kompatscher 2013 übrigens völlig recht, als er für 2023 seinen Rückzug aus der Politik ankündigte.

Mi., 18.10.2023 - 20:54 Permalink
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△rtim post Do., 19.10.2023 - 11:22

Antwort auf von Lollo Rosso

Der Vergleich hinkt. Essen Sie etwa Trachten einer anderen Ethnie? Hat Tirol nicht etwa auch selbst eigene?
Übrigens: Pizza ist übrigens nicht nur dem Namen nach Teil eines kulturellen Tranfers. Das Wort stammt vom langobardischen pizzo oder bizzo, was dem deutschen „Bissen“ entspricht, vgl. auch Imbiss. Diese Herleitung wird heute vom Dizionario etimologico della lingua italiana von 1979/1988 (Neudruck 1999) als richtig vermutet.

Do., 19.10.2023 - 11:22 Permalink
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Josef Fulterer Do., 19.10.2023 - 06:22

Dem Kompatscher wurde in den abgelaufenen 10 Jahren zuviel Ballast an Bord geladen (Neider, Querulanten + Intriganten, Marionetten der Verbände und den Widmann).

Do., 19.10.2023 - 06:22 Permalink
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Salto User
Günther Alois … Do., 19.10.2023 - 06:58

Kompatscher wollte und will nichts an Andere Verantwortliche delegieren,er wollte und will alles selbst machen,bestes Beispiel die Sanität,die schlecht als recht nicht funktioniert.

Do., 19.10.2023 - 06:58 Permalink
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Karl Trojer Fr., 20.10.2023 - 11:47

Arno Kompatscher hat, nach meinem Verständnis, seine Aufgaben so gut als möglich erfüllt. Vollkommen ist niemand. Und, gibt es zu ihm innerhalb oder außerhalb der SVP eine Alternative ? Ich kann keine finden....
Wichtig wäre mir, dass möglichst viele Frauen in den neuen Landtag gewählt werden. Die nächste Zukunft bedarf dringend weiblicher Qualitäten.

Fr., 20.10.2023 - 11:47 Permalink