Der Fall Frei.Wild - Erkenntnisse und Folgen

In den letzten Monaten gingen die Wogen in Südtirols Kultur und Gesellschaft und weit darüber hinaus hoch: Die Südtiroler Deutschrockband Frei.Wild sorgte für Debatten und Eklats und wurde sogar von der Deutschen Phono-Akademie von der Verleihung der ECHO-Preise ausgeschlossen, weil einige Gruppen nicht zusammen mit den krassen Typen aus Brixen auf die Bühne wollten. Sie unterstellen Frei.Wild, mit ihrer Musik rechtes Gedankengut zu verbreiten und dem Rechtsradikalismus damit den Boden zu bereiten.
Hinweis: Dieser Artikel ist ein Beitrag der Community und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.

Auch Veranstalter bekamen kalte Füße und Sponsoren drohten auszusteigen, sodass die Gruppe Frei.Wild sich von einigen großen Konzerten „zurückziehen“ musste.  

Wie gesagt, die Debatte wogte hoch und erfasste auch die Feuilletons großer deutscher Zeitungen, wo minutiös darüber debattiert wurde, wo die künstlerische Freiheit und die freie Meinungsäußerung ihre Grenzen haben und wo der Rechtsstaat auf den Plan treten müsse. Der deutsche Verfassungsschutz beobachtet die Gruppe und bestätigt rechtslastige Tendenzen, ohne allerdings davon auszugehen, dass die Grenze in Richtung Rechtsradikalismus bei den Konzerten überschritten wird.

In vielen Texten der Südtiroler Grölrocker findet man Anhaltspunkte für eine konservative Gesinnung und rechte Werte, Gestus und Attitüde, eine gehörige Portion Aggressivität im Auftritt und verschwitztes Macho-Gehabe tun ein Übriges dazu, diesen Eindruck zu erhärten. Dies stellt aber im Prinzip keinen Grund dar, der Gruppe die Auftrittsmöglichkeiten zu verweigern. Die Gruppe und ihr sehr cleveres deutsches Management hat sehr wohl erkannt, dass das Kokettieren mit rechten Werten ihr in das Kielwasser der sehr erfolgreichen Gruppe Böhse Onkelz verholfen hat, wo in Deutschland ein erhebliches und kommerziell gut verwertbares Fan-Potential zu finden ist. Das ist ein Spiel mit dem Feuer, das hier mit sehr viel Kalkül und Rafinesse betrieben wird.

So werden bei Frei.Wild-Konzerten Anti-Nazi-Transparente angebracht und es wird darauf geachtet, dass keine Fans in Neonazi-T-Shirts und Kleidung eingelassen werden. Zudem brüllt Leadsänger Phillip Burger vor: Nazis raus! Und die Hallen brüllen in der Regel mit.

Es sollte allerdings auch nicht vergessen werden, dass die Vorgänger-Gruppe von Frei.Wild, die Gruppe Kaiserjäger, eine ausgesprochene Naziband war und Burger leugnet auch nicht, dass er als Jugendlicher starke Sympathien für die Neonazi-Szene hatte, die damals in Brixen und in ganz Südtirol auch ziemlich stark wurde.

Wenn also diese Maßnahmen erforderlich sind, lässt es sich einfach nicht bestreiten, dass die Gruppe Frei.Wild eindeutig im rechtskonservativen Lager positioniert ist und diese Positionierung auch anstrebt. Dies wird durch Solidaritätsbekundungen der NPD und beispielsweise auch des Südtiroler Schützenbundes unterstrichen, der bei Frei.Wild von der Hochhaltung von Werten spricht, die für rechtskonservative gesellschaftliche Einstellungen typisch sind.

Ein weiteres Phänomen, das für die rechtskonservative Positionierung von Frei.Wild steht, war die blindwütige Reaktion aus Bandkreisen, als es vor sechs-sieben Monaten vermehrt zu Kritik an Frei.Wild kam und in den Social Media vor allem Philipp Burger selbst und einige Personen aus dem Bandumfeld sehr undifferenziert und primitiv die Kritiker und auch renommierte Journalisten, beispielsweise von der ZEIT oder der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG als linke Schreiberlinge, naive Gutmenschen und Neider beschimpften.

Berufene Leute haben das Phänomen Frei.Wild fachkundig analysiert, am Ende dieses Artikels wurden einige Verweise auf gut bestückten Doku-Seiten eingefügt.

Schließlich wurde die Gruppe, wie oben angeschnitten, von der Verleihung der ECHO-Preise ausgeladen, was für lang anhaltende Polemik in Deutschland sorgte. Ich würde den Ausschluss als Fehler bezeichnen, denn es ist das gute Recht aller Gruppen und Künstler auch durch Nichterscheinen ein Statement im gesellschaftspolitischen Bereich abzugeben. Etwas anderes ist es aber, wenn der institutionelle Rahmen ohne klare Kriterien und lediglich aus einer Art Panik heraus Entscheidungen trifft, die in keiner Weise durch das Reglement der Phono Akademie oder juristische Prinzipien gedeckt sind.

Aufrecht bleibt die Notwendigkeit und sogar die Pflicht, dass sich gesellschaftliche Gruppen und Menschen, die die Botschaften von Frei.Wild für unpassend und anstößig halten, die Debatte an der Oberfläche der Gesellschaft führen können und müssen und dass die Band, die rotzig und grob in die Auditorien hineinschreit auch mit Kritik umgehen können muss.

Abgesehen von den Schwierigkeiten, die Frei.Wild nun bei ihren Deutschland-Aktivitäten haben, wirft die ganze Debatte für mich vor allem ein Schlaglicht auf die gesellschaftspolitische Situation in Südtirol.

Es war und ist teilweise amüsant, teilweise irritierend und teilweise nachgerade schockierend, wie Teile der Südtirol Gesellschaft  mit dem offensichtlichen Erfolg der Gruppe Frei.Wild und der Debatte um deren Rechtslastigkeit umgegangen sind und umgehen. So bringt sich der Brixner Bürgermeister Albert Pürgstaller vor Freude über den Erfolg der Brixner Jungs fast nicht mehr ein und die Plose-Seilbahn hat zwei Frei.Wild-Kabinen anfertigen lassen, in denen die Skifahrer entsprechend beschallt werden. Als dann der Gegenwind zunahm, gab es breite und unreflektierte Rückendeckung für die Musiker und es ging sogar soweit, dass der in Südtirol arg überstrapazierte Opfermythos neue Nahrung bekam und dass man sich schon deshalb hinter die Buben stellen müsse, weil ihnen der Erfolg nicht gegönnt wird.

In Deutschland wird die Debatte auf hohem Niveau geführt. Das Land hat einen enorm breiten und beispiellosen Aufarbeitungsprozess des Nationalsozialismus hinter sich und geht sehr entschlossen mit dem offenkundig wieder stärker Zulauf erhaltenden Neonazismus um. Die NSU-Morde haben ein Übriges dazu getan.

In Südtirol geht es einige Stufen primitiver zu und der Streit um die Gruppe Frei.Wild hat mir wieder einmal gezeigt, dass unsere Gesellschaft keinen hohen Reifegrad aufweist und dass eine differenzierte Debatte nur sehr schwer möglich ist. Blindwütige Aggression und Ausgrenzung von Kritikern sowie die Verharmlosung bedenklicher Aussagen gehen Hand in Hand, es gibt nur Freunde oder Gegner und die Gegner die müssen – so hört und liest man auch in den Texten von Frei.Wild – mit aller Härte, die einem rauen Macho möglich ist, bekämpft werden.

Das ist keine gute Grundlage für eine gedeihliche gesellschaftliche Entwicklung. Der deutschsprachige Teil der Gesellschaft der Watt- und Speckrepublik hat wieder einmal bewiesen, dass er zum allergrößten von einem penetranten Rechtskonservativismus durchdrungen ist.

Weiterführende Doku auf www.zigorimedia.wordpress.com

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gorgias Sa., 23.03.2013 - 20:03

Antwort auf von verena spechte…

Wenn man der Zeit etwas sicher nicht vorwerfen kann, dann ist es Einseitigkeit. Es ist erstaunlich wieviele Positionen im Verlaufe einer Debatte dort Platz haben können.

So möchte ich den Beitrag von Martenstein mit einem weiteren Zeitartikel entgegenen der es an schärfe nicht missen lässt:
http://blog.zeit.de/stoerungsmelder/2013/03/17/frei-wild-und-ihr-volkis…

Und dieses Interview mit dem Musikwissenschaftler Thorsten Hindrichs:
http://www.zeit.de/kultur/musik/2013-03/freiwild-interview-thorsten-hin… aus dem ich noch

Sa., 23.03.2013 - 20:03 Permalink
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Profil für Benutzer verena spechtenhauser
verena spechte… So., 24.03.2013 - 12:20

Antwort auf von gorgias

... die verschiedenen Meinungen, welche in der Zeit Platz finden, aufzuzeigen. Ich fand die Aussagen von Marteinsteins interessant, was aber bitteschön nicht heißen soll, dass ich sie auch teile. Aber den Artikel und auch jene von gorgias geposteten weiterführenden Links fand und finde ich eine Bereicherung für die Diskussion.

So., 24.03.2013 - 12:20 Permalink
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Profil für Benutzer Thomas Kobler
Thomas Kobler Sa., 23.03.2013 - 17:03

Martenstein hat eine angenehme Art Dinge witzig und locker zu beschreiben, dafür lieben ihn die meisten zeit-online-Leser. Aber in diesem speziellen Fall gibt es nichts zu verharmlosen und das "Witzigsein" ist daher auch ziemlich unangebracht. Vor allem, da der Autor auf die wichtigsten und problematischsten Textstellen der Brixner gar nicht eingeht. Weiters ist es absolut unangebracht ständig den immer gleichen Vergleich mit dem Rapper Bushido zu bemühen, da er versucht eine Skala der Ausfälle zu berechnen. Man kann schlichtweg nicht homophobe, rechtsradikale, frauenfeindliche usw. Texte/Meinungen in eine Reihenfolge bringen. Es ist weder richtig, Juden zu beleidigen oder sexistische Sprüche los zu lassen noch mit "Blut-und-Boden-Ideologie" zu sympathisieren. Oder ist es etwa schlimmer, einen Juden zu beleidigen als eine Frau? Oder ist es schlimmer judenfeindlich zu sein als rechtsradikal? Ich glaube nicht, da Frei.Wild damit völlig zu Unrecht auf Bushidos Kosten entlastet werden. Die Band steht völlig zu Recht wegen ihren politischen Positionen am Prager. Die NPD demonstriert nicht ohne Grund für Frei.Wild anstatt für Kraftklub, dies sollte man sich als gemeiner Frei.Wild-Beschützer einfach mal vergegenwärtigen. Da nützt es dann auch nichts, zu sagen, "was kann die Band dafür, wenn die NPD für sie demonstriert?". Sie kann nämlich sehr viel dafür. Burger und Co. sind es schließlich, welche diese Texte erdichten und folgerichtig dann auch dafür gerade stehen müssen.
Auf den verschiedenen social-media Kanälen, vor allem über Facebook habe ich z.B. oft die Frage gestellt, was denn der gemeine Frei.Wild-Fan zum Song "Halt deine Schnauze" (hier der entsprechende Link: http://www.youtube.com/watch?v=hbogntN8CCI) und dem entsprechenden Video sagt? Ob hier samt Gewaltverherrlichung, Kokettieren mit der 100%-Tätowierung des Schauspielers (ein absolut eindeutiges Symbol aus der Nazi-Szene) wirklich noch von ein paar harmlosen Jungs die Rede sein könne, oder ob die Theorien über die Verbreitung der Blut- und Bodenideologie nicht doch etwas mehr Substanz haben, als viele auf den ersten Blick vielleicht zugeben wollen? Dazu kommt, dass Frei.Wild keine Möglichkeit auslassen gegen antifaschistische Gruppierungen zu hetzen und sie gleichsam auf eine Stufe mit gemeinen Nazis zu stellen. Dies äußerst sich immer wieder derart, dass die Band allen "Extremen" ablehnend gegenübersteht, obwohl den jungen Männern anscheinend nicht so ganz klar zu sein scheint, dass man die Arbeit im Bereich des Antifaschismus, sowie sie viele Antifa-Gruppierungen betreiben, schlichtweg nicht auf eine Stufe mit irgendwelchen demokratiefeindlichen Strömungen stellen kann, auch wenn die ein oder andere linke Gruppierung in ihrem Jargon und in der Vergangenheit manchmal etwas zu sehr über die Strenge geschlagen hat. Insgesamt bleibt für mich, dass Frei.Wild das Spiegelbild der Südtiroler Rechtsparteien sind und wie Burger's Engagement für die Freiheitlichen schon bewiesen hat gut und gerne die Hausband von Mayr und Co. sein könnten. Es wird gegen die Feinde (Italiener) in diesem Land gehetzt, all jene die nicht mit dem Kurs der Band bzw. deren Ansichten einverstanden sind können das Land so schnell wie möglich verlassen oder gar "in der Hölle schmoren". Jeder, der die Heimat Südtirol nicht so sehr liebt wie Burger und Co. kann ohne Umschweife als Gutmensch und Moralapostel (klassische Nazi-Vokabeln!) bezeichnet werden und hat nach deren Meinung hier "nichts verloren". Ständige Opfer-Täter-Umkehrung findet statt, wenn z.B. in einem Song vom "Stern" die Rede ist, der der Band von den kritischen, meist "linksgerichteten" Medien aufgedrückt wird usw.
Was zudem auch immer wieder auffällt ist, dass die Südtiroler und auf diesen Zug ist auch die "neue Südtiroler Tageszeitung" aufgesprungen, gerne behaupten, dass Begriffe wie Volkstum, Heimat usw. eine andere Bedeutung hätten als eben in Deutschland. Dabei wird aber anscheinend leicht vergessen, dass es auch in Südtirol allzuviele Personen gab, die mit den Nazis paktiert haben und, dass die Aufarbeitung dieser Zeit in unserem Land nie wirklich stattgefunden hat, tut ihr Übriges dazu. Die Folgen, welche die Verbreitung dieser Blut- und Bodenideologie haben können, dürften allerorts auf dieser Welt gleich sein, da sollte man sich keinerlei Illusionen machen. National- oder Heimatstolz bedingen meist und fast immer den Ausschluss des Anderen, des Fremden, des "Zuagroasten", etwas das sowohl in den Texten von Frei.Wild spürbar ist, aber das vor allem Theorie und Idee der Freiheitlichen ist, zu denen sich Burger anscheinend am meisten hingezogen fühlt. Burger und Co.'s-Ansichten sind absolut rückwärtsgewandt, deren Gedankengut könnte gut und gerne 100 Jahr vor unserer Zeit verortet werden. Frei.Wild und das ist mein Fazit sind definitiv keine klassische Naziband wie Störkraft, Landser und Co. und daher auch keine Feinde der Demokratie, aber problemlos und hier würde ich den Begriff der Hausband noch einmal bemühen, könnten sie auf der Geburtstagsfeier von Mayr, Strache und Co. ein Ständchen singen und diesen rechtspopulistischen Parteien derart in die Hände spielen, dass deren Theorien einer breiten Bevölkerungsschicht zugänglich gemacht und vor allem junge Menschen für diese kruden Theorien begeistert werden können. Was also feststeht ist, dass deren Texte, deren Attitütde und vor allem deren Gedankengut problematisch sind und die Band alles dafür tut, dass solches unter der Bevölkerung salonfähig und mainstreammäßig in den politischen Diskurs einfließen kann. Das Problem und das ist mir sehr wohl bewusst ist hierbei, dass sich all dies auf einer relativ (politik)wissenschaftlichen Ebene abspielt und diese Erklärungsmuster für den gemeinen Frei.Wild-Fan entweder nicht wirklich verständlich sind bzw. zu schwierig sind um sie in einen Kontext zu setzen.

Sa., 23.03.2013 - 17:03 Permalink
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gorgias Sa., 23.03.2013 - 19:47

Antwort auf von Thomas Kobler

Ich möchte jetzt auf diesem Kommentar inhaltlich nicht eingehen, aber als freisschaffender Journalist sollten Sie schnellst möglich das Gefühl für die angebrachte Länge eines Kommentars für einen Artikel/Blockeintrag entwickeln.

So ein Monstrum ist sicherlich nicht förderlich eine Diskussion anzustoßen. Ich würde ihnen nahelegen das nächste mal eventuell selbst einen Artikel zu schreiben und ihn dann über ein Kommentar verlinken oder sich einfach mit einem Punkt zu begnügen.

Sa., 23.03.2013 - 19:47 Permalink
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gorgias Sa., 23.03.2013 - 22:10

Antwort auf von Markus Lobis

Hallo Markus,

ich finde man sollte jetzt aufpassen nicht Breite mit Tiefe zu verwechseln. Und was die Länge betrifft, finde ich, sollte man die Kommentarfunktion benutzen, um den ursprünglichen Artikel zu kommentieren und eventuell Aspekte herauszuarbeiten und nicht einen neuen Artikel zu verfassen, der den ursprünglichen Artikel fast an Länge übertrifft und ihn quasi damit erschlägt. Das gilt auch, wenn er inhaltlich in die selbe Richtung geht.

Übrigens schätze ich deinen Artikel sehr und möchte die letzen drei Absätze besonders unterstreichen. Südtirol ist im Gegensatz zu Deutschland und Österreich eine voraufgeklärte Gesellschaft. Während in Deutschland nach dem zweiten Weltkrieg die Geschehnisse schonunglos aufgearbeitet wurden und Österreich spätesens nach der Waldheim-Affäre damit begonnen wurde, verklärt man in Südtirol immer noch jene Zeit mit der Hervorhebung der immer selben Opferrolle.

Sa., 23.03.2013 - 22:10 Permalink
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Benno Simma Mo., 25.03.2013 - 16:29

Antwort auf von Markus Lobis

Mach ich mir auch keine. Als fanatischer Zeichner habe ich lediglich frei (ohne wild zu werden) Bilder mit Worten und Gedankenfetzen zum rauen Thema assoziiert. Ich jedenfalls fühle mich nicht als "vorauseilendes Opfer" und hatte damit keine besondere Absicht, eine "gute" Debatte führen. Den Rest kannst du viel besser und bringst es auf den Punkt. Hast du gut gemacht, Markus.

Mo., 25.03.2013 - 16:29 Permalink
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Benno Kusstatscher Mo., 25.03.2013 - 19:26

Antwort auf von Markus Lobis

wie schön, dass es jetzt zwei Bennos gibt, die sich mit dem Titel nicht wirklich identifizieren können. Entschuldige mich beim Namenskollegen wegen des Kollateralschadens. :-) Und ja, ich wäre wirklich sauer, wenn salto.bz die Chance genommen würde, ein stilvolles und die Teilnehmer respektierendes Forum zu sein. Auch wenn sich dieser Thread (wenigstens in meiner Definition) zum Besseren entwickelt hat, glaube ich doch, dass die Redaktion uns helfen muss, bei Anonymität vs. Nicht-Anonymität und auch bei der gewünschten Länge der einzelnen Beiträge keine Diskussionsteilnehmer zu vergraulen (was natürlich auch zu einer Selbstregulierung wäre, aber eine doch höchst unerwünschte, oder? )

Mo., 25.03.2013 - 19:26 Permalink
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Harald Knoflach So., 24.03.2013 - 20:44

Antwort auf von Thomas Kobler

lieber thomas,
erstens: du hast recht, dass es die von dir beschriebene "hierarchie der intoleranz" nicht gibt bzw. nicht geben darf. der vergleich mit bushido und anderen dient daher auch nicht dazu, frei.wild reinzuwaschen oder zu entlasten. bushido und co. sind vielmehr die messlatte dessen, was in unserer zeit offensichtlich demokratiepolitisch gerade noch vertretbar unter die kategorien meinungsfreiheit und freiheit der kunst fällt. (diese messlatte ändert sich freilich ständig.) daher ist aber dein argument, dass es innerhalb der intoleranz keine hierarchie gibt eigentlich eines für frei.wild und nicht dagegen.

zweitens: dein "die NPD demonstriert nicht ohne Grund für Frei.Wild" erinnert mich ein wenig an die diskussion über den zusammenhang zwischen computerspielen/musik und amokläufen/selbstmorden. waren rammsteins gewaltphantasien ursache für einen amoklauf an einer amerikanischen highschool? ist ozzy osbourne schuld am tod zweier jugendlicher, die sich nach stundenlangem konsum seines liedes "suicide solution" das leben nahmen? meines erachtens sind solche "kausalitäten" schwachsinn und ein künstler ist überhaupt nicht verantwortlich dafür, wie sein werk (fälschlich) interpretiert oder vereinnahmt wird. oder anders gefragt: was unterscheidet das "halt die schnauze"-video von "clockwork orange"? (bitte jetzt nicht mit künstlerischer qualität argumentieren). wenn frei.wild ihre texte als rechtskonservativen patriotismus verstanden wissen wollen und sich mehrfach explizit vom nationalsozialismus und von gewalt distanzierten, dann muss mir das als demokrat genügen. auch wenn sie das zur "hauskapelle" der freiheitlichen macht und rechtskonservativ nicht meine geisteshaltung ist. eine gefestigte demokratie muss parteien wie die freiheitlichen und bands wie frei.wild ertragen, denn sonst kommen wir bald in eine meinungsdiktatur, in der dann die, die die meinung vorschreiben genau jene haltung an den tag legen, die sie z.b. den freiheitlichen oder frei.wild vorwerfen. der willkürliche ausschluss von frei.wild vom echo ist überspitzt wie der ausschluss der freiheitlichen von wahlen. (obwohl sich beide an das gültige regelwerk gehalten haben).

drittens: deine aussage "und diese Erklärungsmuster für den gemeinen Frei.Wild-Fan entweder nicht wirklich verständlich sind bzw. zu schwierig sind um sie in einen Kontext zu setzen" finde ich extrem überheblich bis protorassistisch.

So., 24.03.2013 - 20:44 Permalink
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Markus Lobis Sa., 23.03.2013 - 21:23

In Brixen gibt es eine Pizzeria, in der für einige Zeit unter Spezialpizzas auch die "Pizza 88" bestellt werden konnte. Was drauf war, weiß ich nicht (vermutlich Eichenlaub, Blutwurst und Heimaterde), die Pizza wird meines Wissens nicht mehr angeboten. Es war aber auf jeden Fall die Lieblingspizza von Philipp Burger, offenkundig für ihn kreiert.
Und jeder, der nicht komplett südtirolerisch eingelullt ist, müsste wissen, das "88" nicht für ein Duftwässerchen oder eine Mineralwassermarke steht.

Sa., 23.03.2013 - 21:23 Permalink
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Thomas Kobler So., 24.03.2013 - 09:34

Habe bisher nicht mitbekommen, dass es eine Anschlagsvorgabe für Kommentare in dieser community gibt. Aber da ich dem ein oder anderen mit meinem Geschwurbel anscheinend auf die Nerven gegangen bin, möchte ich mich entschuldigen und versuchen mich in Zukunft entsprechend zu bändigen. Aja und @Kusstatscher: Ich erhebe keinerlei autoritären Anspruch, keine Ahnung warum sie mir das unterstellen. Emotional ja, autoritär ganz bestimmt nicht.

So., 24.03.2013 - 09:34 Permalink
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Thomas Kobler So., 24.03.2013 - 09:37

Aja, das mit der Pizza ist übrigens äußerst amüsant (wobei: eigentlich sogar nicht), passt aber wieder einmal sehr gut ins Gesamtbild.

So., 24.03.2013 - 09:37 Permalink
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Thomas Kobler So., 24.03.2013 - 21:34

Lieber Harald, danke für deine Ausführungen! Möchte mich kurzhalten, sonst bekomme ich die Textlänge wieder um die Ohren gehauen, deshalb auch nicht zu jedem Punkt:
Ich habe nie behauptet bzw. würde nie behaupten, dass sich Frei.Wild und die Freiheitlichen nicht innerhalb unserer demokratischen Spielregeln bewegen oder, dass der Verfassungsschutz hierbei eingreifen sollte. Ich habe ja explizit erwähnt, dass ich in Frei.Wild keine Naziband im klassischen Sinne sehe. Was ich aber meine, ist, dass sie dazu beitragen den gesellschaftlichen Diskurs in eine bestimmte (meines Erachtens) definitiv nicht positive Richtung zu bewegen. Auch stimme ich absolut mit dir überein, wenn du sagst, unsere Demokratie müsse solche Einflüsse und Strömungen aushalten. Die Gefahr ist aber und ich denke, hierbei wirst du mir zustimmen, dass der Diskurs sich bei solchen Themen immer mehr gen gesellschaftliche Mitte verschiebt und Aussagen, Ideen und Theorien rechter Gruppierungen (sei dies nun eine Partei oder eine Musikband) derart salonfähig werden, dass sie irgendwann als allgemeingültig positioniert sein könnten. Als Beispiel sei Ungarn bemüht: Wenn du verfolgt hast, inwieweit sich seit der Regierung Orban antisemitische Standpunkte in einem aufgeklärten, europäischen Land Richtung Mainstream verschoben haben und dazu geführt haben, dass sogar Verfassungsänderungen durchgeboxt werden konnten, dann hoffe ich, dass du meinen warnenden Zeigefinger vielleicht ein wenig besser nachvollziehen kannst. Oder um einen Vergleich zu ziehen: Vor dem 11. September 2001 waren gesellschaftliche Ressentiments gegen Muslime nicht bzw. kaum existent. Mit den Anschlägen von New York hat sich dies aber entscheidend verändert. Es scheint vielerorts und vor allem in den USA normal geworden zu sein, dass man Moslems ablehnend oder zumindest skeptisch gegenübersteht, obwohl wohl 99,9% aller Muslime keinerlei terroristischen Absichten verfolgen. Aber die mediale Potenz in den Vereinigsten Staaten, aber auch in Europa hat dafür gesorgt, dass sich seit 9/11 Terrorismus und Islam sehr einfach zusammenbringen lassen können. Und diese Gefahr sehe ich eben auch bei Theorien, Songtexten oder parteilichen Programmen von Frei.Wild oder den Freiheitlichen. Irgendwann könnte es normal sein, Menschen mit anderer Hautfarbe, Herkunft, Ansicht als Personen zweiter Klasse zu behandeln. Nicht mehr der gemeine Nazi würde solche kruden Theorien vertreten, sondern auch Max Mustermann von nebenan könnte derart beeinflusst worden sein, dass er sich auf die Seite der Krawallmacher und Unruhestifter begibt und beginnt gegen Zuwanderer und Andersdenkende zu hetzen. Unsere Demokratie ist meiner Meinung nach eben gar nicht so wehrhaft wie wir auf den ersten Blick meinen bzw. wie wir es eigtl. gewohnt sind. Geschichte schreitet voran und macht anscheinend auch nicht vor Dingen Halt, die bis vor kurzer Zeit noch außerhalb jeglicher Vorstellungskraft waren (siehe Ungarn!). Dies ist mein Hauptkritikpunkt. Und ich wollte mit meinem Verweis, dass diese politikwissenschaftliche Standpunkte für Bürger xy vielleicht zu "hoch" sein könnten, niemanden beleidigen! Keinesfalls! Ich wollte lediglich zu bedenken geben, dass die Unterscheidung zwischen konservativen und verfassungsfeindlichen Standpunkten teilweise fließend sein können und daher nur schwer fassbar bzw. erklärbar sein könnten. Vor allem für Menschen, die sich in der Theorie eben nicht mit solchen Dingen auseinandersetzen. Nach dem Motto: "Das wird man doch noch sagen dürfen." Für mich und es kann sein, dass ich hier vielleicht wirklich paranoider oder sensibilisierter bin als manch anderer, sind Frei.Wild, Mayr, Strache und Co., Wölfe im Schafspelz, vor denen man (oder besser: unsere Demokratie) sich definitiv in Acht nehmen sollte! Ich hoffe, ich konnte meinen Standpunkt ein klein wenig mehr verdeutlichen.

So., 24.03.2013 - 21:34 Permalink
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Profil für Benutzer Harald Knoflach
Harald Knoflach Mo., 25.03.2013 - 08:41

Antwort auf von Thomas Kobler

lieber thomas,

1. ich denke, dass die "postkommunistischen" länder demokratiepolitisch anders zu bewerten sind, da sich vielerorts (siehe auch russland und abgeschwächt die slowakei) gewisse demokratische strukturen und abläufe gar nicht erst etablieren konnten, ehe sie schon wieder abgegraben wurden. andererseits zeigt uns der fall italien auch, dass faschismusapologie (mit unterstützung der elite) die mitte der gesellschaft auch in westlichen demokratien in bisher ungeahntem ausmaß erreichen kann und die aushebelung demokratischer grundsätze (stichwort gewaltenteilung oder pressefreiheit, bei welcher italien z.b. hinter ungarn an 57. stelle liegt) auch hier möglich ist. wachsamkeit ist also schon angebracht.

2. anstatt meinungen zu verbieten halte ich es für besser, sie zu widerlegen. und wenn sie sich nicht widerlegen lassen, müssen wir unser wertesystem überdenken und gegebenenfalls anpassen. so und nicht anders sind sämtliche fortschritte der vergangenheit passiert. alle errungenschaften waren einmal tabubrüche (siehe diskussion um homosexualität). für mich steht grundsätzlich alles zur disposition, da all unsere regelwerke ja auch von menschenhirn erdacht wurden. ewiggültig ist etwas für die religion.

3. interessant finde ich auch, dass der vermeintliche gegenpol zum rechtspopulismus sich in genau jene stereotypisierungen versteigt, die eigentlich für die rechtspopulisten typisch sind. ich nenne diese standpunkte gerne "den katalog". um in südtirol einer gewissen gruppe "aufgeklärter" zugerechnet zu werden, muss man gewisse katalogmeinungen (die meist sagenhaft widersprüchlich sind) vertreten und reproduzieren. markus lobis (dessen ökosoziales engagement ich schätze) ist in anderen gesellschaftspolitischen fragen ein meister des katalogs, wie auch sein fazit in diesem artikel hier zeigt.
markus wünscht sich eine differenzierte debatte, bezeichnet aber gleichzeitig südtirol als watt- und speckrepublik, nennt npd und schützenbund in einem atemzug, spricht von einer gesellschaft mit nicht sehr hohem reifegrad in südtirol und betont ausdrücklich, dass ein penetranter rechtskonservatismus den deutschsprachigen teil (!) der südtiroler gesellschaft durchdringt. undifferenzierter geht kaum. das ist generalisierung und stereotypisierung par excellence.
die von frei.wild angeblich angefeindeten journalisten von zeit und süddeutscher haben gezeigt, was differenziert wirklich heißt. wobei sich die debatte in deutschland auch auf allen niveaus bewegt hat. gleich wie in südtirol. man muss nur die "richtigen" medien konsultieren. auch kommt ein großteil der (besonnenen wie pöbelnden) frei.wild-fans aus der so viel reiferen deutschen gesellschaft. dort wo auch eine nsu möglich war und neonazis neuen zulauf haben. (nicht falsch verstehen. das soll nicht heißen, dass südtirol "besser" ist.) differenziert heißt jedoch, das "sowohl als auch" zu erkennen und nicht das "entweder oder" zu strapazieren wie das markus tut.

Mo., 25.03.2013 - 08:41 Permalink
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Thomas Kobler So., 24.03.2013 - 22:01

Aja und bevor ich es vergesse und weil der Artikel hier anscheinend noch nicht verlinkt wurde. Das Interview mit Hindrichs und die Verweise zu Heitmeyer sind mMn sehr erhellend und absolut kongruent mit meinen Standpunkten: "Frei.Wild ist keine Naziband, aber offen nach rechts. (....) Aber wie weit patriotische, tendenziell nationalistische Ressentiments vom rechten Rand nach innen vordringen, wie der Konflikt-Forscher Wilhelm Heitmeyer festgestellt hat, ist wirklich bedenklich. (...) Ich halte den massentauglichen Transport eines latent völkischen Nationalismus wie bei Frei.Wild für bedenklicher." Link: http://www.zeit.de/kultur/musik/2013-03/freiwild-interview-thorsten-hin…

So., 24.03.2013 - 22:01 Permalink
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gorgias So., 24.03.2013 - 23:28

Antwort auf von Thomas Kobler

Habe den Artikel gelesen ( und hier bereits gestern gepostet) und finde auch wenn er sich teileweise mit deiner Position deckt, wird Sie andererseits mit solchen Sätzen wieder stark relativiert:

"Aber ich finde die Gruppe weit weniger gefährlich als vielmehr anregend für einen breiten Diskurs über rechtes Gedankengut und wie es in die Gesellschaft einzudringen vermag. Dieser Diskurs reicht vom vermeintlich gesunden Patriotismus deutscher Fähnchenschwinger bei der WM bis hin zu Frei.Wild."

So., 24.03.2013 - 23:28 Permalink
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Thomas Kobler Mo., 25.03.2013 - 00:19

Antwort auf von gorgias

Diskurs und Auseinandersetzung sind immer wichtig. Dennoch finde ich, dass zwischen ein paar fähnchenschwingenden, feiertrunkenen Fußballfans und den Texten und Gedanken die Frei.Wild transportieren oder die auch bei rechtspopulistischen Parteien wie den Freiheitlichen immer wieder zu finden sind, ein gewisser Unterschied besteht. Mich stimmt es jedenfalls nachdenklich, wenn es solche Musikgruppen sind, die Eingang in den Mainstream finden und Umfrageergebnisse und Parlamentssitze rechtspopulistischer Parteien (Freiheitliche, FPÖ, Front National) sich bei 15-25% oder noch extremer (Fidesz und Jobbik) einpendeln.
Ich möchte keine Gespenster heraufbeschwören, aber bei bestimmten O-Tönen sollte man wachsam sein, das hat die Geschichte leider eindrucksvoll bewiesen.
Natürlich ist es am Ende "nur" Musik und Frei.Wild sind "nur" eine Rockband, aber wenn die Texte, wie im Falle der Brixner im rechtskonservativen Milieu zu verorten sind, dann kann man davon ausgehen, dass viele der Fans zumindest mit den Inhalten sympathisieren. Und wenn das Fanidol Philipp Burger seinen vielen, vielen, teils noch sehr jungen Anhängern in seinen Texten erzählt, dass Südtirol immer noch von einem Feind unterjocht wird, ist es spätestens dann für mich zu einer politisch relevanten Tatsache geworden, welcher ich mit aller Vehemnz entgegentreten möchte.

Mo., 25.03.2013 - 00:19 Permalink
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Profil für Benutzer Benno Kusstatscher
Benno Kusstatscher Mo., 25.03.2013 - 19:00

Ich möchte dem Harald für die moderierenden Beiträge danken (wohl in Markus' Sinne). Ganz speziell finde ich die genannten Punkt 2 und 3 sehr wichtig. Der Äußerung über Markus möchte ich mich zwar explizit nicht anschließen, aber das mit der Stereotypisierung trifft den Nagel schon auf den Kopf. Ich würde auch gerne einen Schritt weiter gehen und die Gegenbewegung verdächtigen, mit allzu ähnlichen Mitteln und Methoden zu arbeiten wie eben der rechte Rand. Plakativ könnte man jetzt auf "Nazis raus!"-Rhetorik hinweisen, die es glücklicherweise in diesem Forum noch nicht gegeben hat. In abgeschwächter Form glaube ich aber schon, dass keiner hier von eben dieser einfachen Dynamik gefeit ist. An Thomas: schade, dass genau dadurch Deine ansonsten (in jeglicher Länge) geschätzten Beiträge verwässert werden und einer Gegenargumentation sehr viel Angriffsfläche bieten. Gerade bei diesem Thema kann uns nur moderate Rhetorik weiterbringen.

Ich habe keine Ahnung, warum Frei.Wild und die Liberalen plötzlich in einem Satz genannt werden, wem der beiden man damit Unrecht tut und welche internationale Aufmerksamkeit die Freiheitlichen bekommen würden, wenn dem denn so wäre. Es wäre bedauernswert, wenn aus dieser kulturpolitischen Frei.Wild-Diskussion, jetzt eine parteipolitische würde. Thomas hat aber in dem Punkt verdammt recht, dass der Heimatbegriff bei uns rechts besetzt ist. Korsen, Basken, Nordiren und andere aktiven Minderheiten werden hingegen tendenziell dem linken Spektrum zugeordnet. War es nicht die Klotz'sche "Heimatpolitik", die Leitner, Pöder, Knoll & co salonfähig gemacht hatte? Ich möchte den besagten Herren keinesfalls zu nahe treten, sie nicht mit ultra-Rechts in Verbindung bringen, noch deren politische Arbeit geringschätzen. Allerdings wird seither in der Politik viel ungenierter mit rechtspopulistischen Standpunkten kokettiert, als es bei Frei.Wild bis dato gehört wurde. Vieles von dem dort Gesagtem schmerzt mein humanes Weltbild und - wenn ihr so wollt - mein Heimatgefühl wesentlich mehr als eine 88-Pizza oder ein Tatoo unter der Wäsche (ohne letzteres verunglimpfen zu wollen).

In diesem Kontext kann man Frei.Wild auch als Chance begreifen. Frei.Wild steht jetzt im öffentlichen Spotlight, auch in meinem. Für mich hängt alles davon ab, wie Burger & co in den nächsten Monaten auf die Kritik reagieren. Wenn die Jungs denn wollen, hätten sie wegen ihrem Erfolg jetzt gar die Gelegenheit, in der öffentlichen Diskussion aktiv eine konstruktive Vorreiterfunktion einzunehmen und im Verzicht auf jegliche weitere Zweideutigkeiten so manch Anderen im Land zu beschämen. Vielleicht eine etwas verträumte Naivität meinerseits, aber in Hinblick, dass unter Frei.Wild-Fans auch "(Politik)wissenschaftler" und Oppositionspolitiker von morgen sein werden eine durchaus reizvolle Perspektive. Auf dass wir bei einer zukünftigen Echo-Verleihung heimatstolz die Daumen drücken können: Frei.Wild! Macht etwas aus Eurer Verantwortung!

Mo., 25.03.2013 - 19:00 Permalink

@ benno kusstatscher
stimme dir dahingehend zu, dass wir hier nüchtern diskutieren und kritik immer argumentieren sollten. ob meine kommentare in markus' sinne sind, weiß ich nicht, denn ich hab noch keine rückmeldung bekommen.

ich hab ein problem damit, die freiheitlichen als "liberale" zu bezeichnen, da sie das meines erachtens nicht sind (ähnlich wie die fpö keine liberale partei ist). die freiheitlichen sind rechtspopulistisch und xenophob. sie sind weder konsequent sozialliberal (vergleiche standpunkt zu homosexualität) noch wirtschaftsliberal. das einzige, was an den freiheitlichen liberal ist, ist ihr name. eigentlich eine mogelpackung wie pdl, der mit freiheit auch nicht das geringste zu tun hat.

dass frei.wild eine konstruktive vorreiterfunktion einnehmen könnten erwarte und glaube ich nicht. meine kommentare sollten auch nicht als plädoyer für frei.wild verstanden werden (ich mag weder ihre musik noch sympathisiere ich mit der vertretenen ideologie). ich hab lediglich den umgang und die widersprüchlichkeit in der diskussion zu diesem thema aufzeigen wollen.

@ markus lobis
ich wäre sehr an deiner einschätzung bezüglich meiner argumentation interessiert. es würde mir helfen meine position zu schärfen bzw. gegebenenfalls zu überdenken. da ich aber kaum rückmeldung bekomme, ist das schwierig. das ist eine gefahr für den konstruktiven diskurs. wenn wir ständig nur zu den "bekehrten" predigen und "katalogmeinungen" reproduzieren ohne sie analytisch zu hinterfragen, drehen wir uns im kreis. ich sehe mich nicht als advocatus diaboli, der provozieren möchte, sondern als katalysator, der stimulieren möchte.
meine kommentare sind keine persönlichen angriffe auf dich, sondern - wie ich meine - argumentierte gegenpositionen. mich würde wirklich interessieren worin der unterschied zwischen dem dummen, pauschalisierenden und nervigen italien-bashing der stf, der union und der freiheitlichen und deinen titulierungen "watt- und speckrepublik" oder "gesellschaft mit nicht sehr hohem reifegrad" liegt.

Di., 26.03.2013 - 09:42 Permalink
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Thomas Kobler Di., 26.03.2013 - 10:05

Antwort auf von Harald Knoflach

Also erstmal absolute Zustimmeung, dazu, dass die Freiheitlichen (ich musste bei der Namensgebung auch immer den Kopf schütteln) keine liberale Partei sind, sondern nach wissenschaftlichen Massstäben eben eine klassische rechtspopulistische Partei sind. Alle Kriterien hierzu werden erfüllt. Und um auf Markus' Kommentare bezgl. "Watt- und Speckrepublik" einzugehen, so muss ich doch sagen, dass zwischen einem etwas überspitzen bzw. ironischen Kommentar bezgl. gewisser Südtiroler Mentalitäten und dem Blut- und Bodengeblöke der Frei.Wildler oder dieser Parteien für mich dann doch ein großer Unterschied besteht. Ich kann Markus' Ärger über gewisse, typische, mMn auch negative Südtiroler Eigenheiten nur allzu gut verstehen. Darunter fällt eben auch die nach wie vor weit verbreitete Intoleranz oder alltägliche xenophobische Vorverurteilungen. Die Rhetorik der Freiheitlichen, STF und Konsorten ist da doch deutlich härter und extremer, als die doch eher augenzwinkernde Position die ich von Markus kenne.

Di., 26.03.2013 - 10:05 Permalink
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Profil für Benutzer Harald Knoflach
Harald Knoflach Di., 26.03.2013 - 10:55

Antwort auf von Thomas Kobler

lieber thomas,
"watt- und speckrepublik" ist klar ironisch und augenzwinkernd - und wenn man will auch lustig. bei "gesellschaft mit nicht sehr hohem reifegrad" und zahlreichen anderen kommentaren die markus auf facebook oder bei zigorimedia gepostet hat, vermag ich diese ironie nicht zu erkennen. sie ist auch, glaube ich, nicht da und nicht gewollt.
bitte mach nicht auch du den fehler, intoleranz und xenophobe vorverurteilungen als "südtiroler eigenheiten" darzustellen. diese und andere negative attribute sind doch kein wesens- und alleinstellungsmerkmal südtirols. ich bitte dich. die definition von rassismus ist, wenn ich defizite notwendigerweise an unveränderlichen merkmalen festmache. wenn ich also intoleranz und xenophobie als typische südtiroler eigenheiten bezeichne, ist das nichts anderes als rassismus. die "demarkationslinie" zwischen intoleranz und toleranz, zwischen xenophobie und weltoffenheit verläuft nicht entlang politischer verwaltungsgrenzen sondern quer durch alle gesellschaften. in diesem sinne "autorassistisches" südtirol-bashing ist innerhalb gewisser kreise aber en vogue. ich halte dies für kontraproduktiv. es bringt uns keinen millimeter weiter (wie ich auch schon andernorts geschrieben habe). man entfernt sich vom argument, reitet auf stereotypen rum. das unterscheidet sich kaum von der rhetorik der freiheitlichen. manchmal nicht einmal in der härte. mach die gegenprobe: nenne mir eine gesellschaft auf der welt, die nicht intolerant und xenophob ist.
habe unlängst in terlan einen widerlichen aufkleber der freiheitlichen entdeckt: "gewalttätige ausländer - nein, danke!". die freiheitlichen stellen also auch diese rassistische kausalität her, wie jemand, der sagt: "intoleranz und xenophobie sind typisch südtiroler eigenarten". ich sehe da im prinzip keinen unterschied. es gibt gewaltätige ausländer und intolerante südtiroler - aber beides ist kein "natürlicher wesenszug". und beide attribute (gewalttätigkeit bzw. intoleranz) sind nicht besser oder schlechter wenn sie von einem inländer respektive nicht-südtiroler an den tag gelegt werden. wenn ich jedoch eigenschaften und - wenn man so will - "herkunft" verknüpfe, ist das rassismus.

Di., 26.03.2013 - 10:55 Permalink
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Profil für Benutzer Michael Bockhorni
Michael Bockhorni Do., 28.03.2013 - 22:58

Ich hab mir einige Texte genauer angeschaut und eigenartige Widersprüche festgestellt: "sie (die Gutmenschen) bestimmen was gut und böse ist ... sie richten über Menschen ... Sie sind Propheten, glaubt ihnen blind, ihr müsst sie lieben; Zweifler, Hinterfrager sollen jetzt Peitschenhiebe kriegen ... Ihr predigt Liebe, doch ihr schürt nur Hass" die Antwort von Frei.Wild im Refrain ist allerdings "Ich hasse sie wie die Pest ... ich, du, wir, die ganze Welt, sie hasst euch wie die Pest" oder in "Wir gehen wie Bomben auf Euch nieder": "Und so sind wir jetzt beim Thema, auch wir beginnen euch zu hassen" und in "Feinde deiner Feinde": "Eine Sache ist gewiss, dass Du nichts als nur ein Arschloch ... bist". Im Lied "Südtirol" wird auch kategorisch betont "Kurz gesagt ich dulde keine Kritik, an diesem heiligen Land, das unsere Heimat ist". Diese unklare Position zu Gewalt als Lösung zeigt sich auch im Lied "Halt deine Schnauze". Bei den Liedern "Rache muss sein" bzw. "Nennt es Zufall, nennt es Plan" ist die Gewaltverherrlichung eindeutig. Sie fühlen sich zwar als Feindbild der Gesellschaft, produzieren aber selbst gern Feindbilder. Dieses Aufhussen und Hass schüren erinnert mich an die Sprache der Nazi-Propaganda oder der Hassprediger. Ein Beispiel für geschichtsrevisionistische Anspielungen und Andeutungen ist z.B. die folgende Textzeile in "Gutmenschen und Moralaposteln": "... ganze Völker sollen sich hassen, nur um Geschichte, die noch Kohle bringt, ja nicht ruhen zu lassen ...". Diese Zeile spielt auf die sog. „Holocaust-Industrie“ an, welche am Leid der Juden und Jüdinnen verdienen.

Die Diskussion hebt sich wohltuend differenziert und fundiert von denen in anderen Medien ab.

Do., 28.03.2013 - 22:58 Permalink
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Profil für Benutzer Martin Geier
Martin Geier Do., 28.03.2013 - 23:20

Sagen wir es mal so: Die Texte der Band sind teilweise mehr als nur bedenklich; schließe mich da vielen Kommentatoren an. Was mir besonders nicht gefällt ist der ‘völkische Aspekt’ im Liedtext der dauernd das ‘Wir’ von den ‘Anderen’ trennt. Die Band erfreut sich ganz besonders in der Südtiroler Separatistischen Szene großer Beliebtheit zumal dort der gleiche ewige Opferstatus als völkische Minderheit in einem fremden Staat bedauert wird. Diese Sichtweise wird aber (zum Glück)nur von einer politischen Minderheit geteilt. Faktisch haben Beide, Band wie deutsche Opposition (meist) ein großes Problem mit der Buntheit Südtirols das von drei Ethnien bewohnt wird, Deutschsprachigen, Italienern und Ladinern. Leider trägt die Krise Italiens und Europas insgesamt eher dazu bei die Unterschiede zu verschärfen; zumal das Geld das bisher manch Problem zugekleistert hat immer weniger wird. Frei.Wild ist und bleibt für mich mehr als bedenklich. Mach mir keine Illusionen wer ‘Volk und Heimat’ und deren Sinne ist und wer davon für immer ausgeschlossen bleibt. Ich mag dieses ‘Wir’ und die ‘Anderen’ nicht; mache mir keine Illusionen welche Zukunft den ‘Anderen’ bestimmt wäre.
Die Diskussion hier ist interessant; ein wichtiger Aspekt kommt mir aber zu kurz. 'Dank' Frei.Wild ändert sich langsam das Südtirolbild das wir bisher im deutschsprachigen Ausland hatten. Statt der bisherigen oftmals verkitschten Idylle und Begegnungsstätte zwischen deutschem und romanischem Sprachraum erscheinen wir nun als anrüchiger, suspekter und von einer 'Blut und Boden Kultur' durchtränkter Landstrich. Das wird wenn nicht gegengesteuert wird unserer Heimat politisch und gesellschaftlich schaden. Unser Ansehen im nahen Ausland leidet schon seit Monaten; seit Sel ist die Weiße Weste futsch; und Frei.Wild sorgt nun für einen Anstrich den wir nicht haben. Mein Gott was ist diese Band ein Schaden für Südtirol.

Do., 28.03.2013 - 23:20 Permalink
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Profil für Benutzer Editorial Salto
Editorial Salto Mi., 03.04.2013 - 14:30

Sorry Oliver, beim Schreiben der Kommentare muss man sich vor der Veröffentlichung alles genau anschauen, danach geht es nicht mehr. Nur in den eigenen Blogs findest du oben links "bearbeiten" und kannst in dein posting eingreifen.
Bei den Kommentaren ist das wohl besser so, sonst fehlen hinterher möglicherweise die Thesen, zu denen die nachfolgenden Kommentare Stellung nehmen.

Mi., 03.04.2013 - 14:30 Permalink
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Profil für Benutzer Jutta Kußtatscher
Jutta Kußtatscher Mi., 03.04.2013 - 20:52

Antwort auf von Benno Kusstatscher

… das hilft uns allen vor zu viel Perfektion, wenn man sich vor den eigenen Rechtschreibe- und Tippfehlern spiegeln darf. Sehr schön – und auch wichtig –, dass es hier auf salto dieses Bemühen auf allen Seiten gibt.
Aber besser Tipp- und selbst Rechtschreibfehler – anstatt geänderte Thesen.
Sogar Arno Kompatscher musste sein gelöschtes posting auf fb wieder reingeben ;-)

Mi., 03.04.2013 - 20:52 Permalink
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Profil für Benutzer Markus Lobis
Markus Lobis Mi., 03.04.2013 - 15:42

Eine weiterer Veranstaltung, die sich mit Frei.Wild beschäftigt: http://www.intothecity.at/zwischen-frei-wd-und-den-onkelz-rechts-rock-i…

Und: Ist es ein Zufall, dass die Schützenkompanie "Alte Pfarre Natz" das Alpen Flair Festival im Ex-Nato-Areal organisiert? Das ist die Kompanie, die vor einigen Jahren einen Wehrmachtshelm mit Hakenkreuz und allem Drum und Dran bei einem "Heldengedenken" ausgestellt hat.

Mi., 03.04.2013 - 15:42 Permalink