Politik | Bozen 2016

Plädoyer für die Konkordanz

In einem offenen Brief an die beiden Bozner Bürgermeisterkandidaten spricht sich die Initiative für mehr Demokratie für eine breite Regierungsmehrheit aus.

Kurz vor der Bürgermeister-Stichwahl am kommenden Sonntag häufen sich die Stellungnahmen, die sich gegen eine Fortführung der bisherigen  Mitte-Links-Koalition in der Landeshauptstadt aussprechen. Neue Ansätze bringt diesbezüglich auch die Initiative für mehr Demokratie in einem offenen Brief an die beiden Kontrahenten Renzo Caramaschi und Mario Tagnin.

Wie kann Bozen regierbar werden? Welche Mehrheit ist zu finden? Die herrschende Logik der Konkurrenz unter den Parteien, von denen jede um möglichst viel Macht ringt, führt zu einer Situation, in der die Regierung tatsächlich immer weniger Menschen vertritt. Wenn wir jene zusammenzählen, deren Liste mit der Sperrklausel aus dem Gemeinderat ausgeschlossen wurden, jene, die gar nicht wählen gegangen sind und jene, deren Parteien in der Opposition sind, dann regiert die politische Mehrheit für kaum mehr als 30% der Wahlberechtigten.  Für die Demokratie ist dies kein gutes Zeichen und die Zahl der Nicht mehr-Wähler wird weiter steigen.

Es geht auch anders. Regierbarkeit muss nicht heißen, Reduzierung und Ausgrenzung der Vielfalt. Möglich ist eine Ausrichtung an der Logik einer Konkordanzdemokratie, in der eine Vielfalt an Parteien in die Regierung genommen werden und dort in einem breiteren Konsens zusammenarbeiten. Es müssten somit alle jene Parteien in die Regierung genommen werden, die sich dazu verpflichten, einen solchen auf Konsens ausgerichteten Arbeitsstil zu praktizieren – das Gegenteil davon haben die großen Parteien in der Koalition von Spagnolli vorgemacht. Damit würde sich nicht mehr die Frage der Regierbarkeit stellen, nicht mehr das Problem der Erpressbarkeit einer schmalen Mehrheit durch die in ihr vertretenen kleinen Parteien, nicht mehr das Problem, dass zwei Drittel der Wähler sich in den politischen Entscheidungen nicht vertreten fühlen. Es würde nicht mehr dieser sinnlose Verschleiß von Kräften stattfinden, die gegeneinander eingesetzt werden, diese Kultivierung von einseitigen und parteiischen Sichtweisen und es würde nicht mehr annähernd die Hälfte der politischen Arbeit (der Opposition) umsonst sein. Zu gewinnen wären die Menschen für eine Demokratie, in der sich möglichst viele ernst genommen wissen.

Freilich, dazu wird es wohl nötig sein, dass über neue Regeln im Wahlgesetz, eine andere Auswahl des politischen Personals möglich wird. Auch wird es wohl gute direktdemokratische Instrumente brauchen, damit die Regierenden bei ihren Entscheidungen das Gemeinwohl im Auge haben und sich immer die gesunde Frage stellen „… und wenn die Bürger gegen unsere Entscheidung das Referendum ergreifen …?“

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Michael Schlauch Fr., 20.05.2016 - 22:16

Warum reduziert die Redaktion den Inhalt der Pressemitteilung als die letzte in der Reihe der bisherigen "Stellungnahmen gegen Mitte-Links"? Warum soll Konkordanz mehr mit dem einseitigen Veto der SVP gemein haben als z.B. mit dem, was gerade in St. Ulrich versucht wird?

Fr., 20.05.2016 - 22:16 Permalink