Gesellschaft | Aus dem Blog von: Karl Gudauner

Vorausschauende Verknüpfung

Südtirols Betriebe brauchen qualifizierte Arbeitskräfte mit Spezialisierung nach dem Lehrabschluss oder der Matura. Dank des kürzlich besiegelten Tauschgeschäfts rund um die Militärkasernen könnte für das Bildungsprojekt Fachhochschule ein attraktiver Standort gesichert werden.
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Foto: © Oswald Stimpfl

Der am 25. Juni besiegelte Übergang der Mercanti-Militärkaserne auf das Land beinhaltet ein Tauschgeschäft, laut dem das Land für die Abtretung vom Staat nicht mehr benötigter Nutzflächen Wohnungen für Militärangehörige errichtet. Das 4,6 Hektar große Areal stellt für die Gemeinde Eppan eine sehr attraktive Möglichkeit der Dorfentwicklung dar. Doch es könnte in Absprache mit der Gemeinde auch für Vorhaben von Landesinteresse genutzt werden, zum Beispiel als Standort für die Fachhochschule. Nur einen Tag vorher, am 24. Juni, hatte die Landesregierung den Mehrjahresplan für die Beschäftigungspolitik 2013-2020 genehmigt, in dem die Errichtung von Fachhochschulen als Ziel ausgewiesen ist. Da ist es naheliegend, an sinnvolle Verknüpfungen zwischen den beiden Entscheidungen zu denken.

Vorauschauende Verknüpfung

Es handelt sich um ein Projekt, das eine bestimmte Anlaufphase benötigt: Die mit Landesgesetz Nr. 40/1992 erfolgte Weichenstellung für die Errichtung von Fachhochschulen ist mit den Entwicklungen in Einklang zu bringen, die seither im Bereich der sog. „Istituti tecnici“ auf gesamtstaatlicher Ebene vorangebracht worden sind. Dann ist eine Auswahl der Lehrgänge zu treffen. In einigen Fällen könnte die Fachhochschule, wie eine ESF-Studie gezeigt hat, als gemeinsames Dach für bereits bestehende Lehrgänge dienen, die bereits über Räumlichkeiten verfügen, nämlich für die Holzschnitzerschule St. Ulrich, die Steinmetzschule in Laas, die Glasbearbeitung von "Vetroricerca Glas und Modern" sowie die Filmschule "Zelig". Für die Kurse der Klimahaus-Agentur wäre die Ansiedlung auf Fachhochschulebene eine vielversprechende Entwicklungsperspektive, ebenso für die Neuverortung von Bildungsangeboten im sozialen und Gesundheitsbereich. Zusätzliche auf den Bedarf der heimischen Unternehmen ausgerichtete Angebote auf Fachhochschulebene benötigen zur Unterbringung eine entsprechende Struktur, die der Bedeutung dieser Bildungsschiene gerecht wird. Eppan wäre hierfür ein geeigneter Standort.

Das Konzept sollte sich an der Entwicklung der Fachhochschulkonzepte auf europäischer Ebene orientieren, sodass die Südtiroler Fachhochschule über bestehende gesetzliche Vorgaben hinaus als Modell für die höhere Bildung in Italien entwickelt werden kann. In Deutschland wurden die Fachhochschulangebote inzwischen genauso wie in der Schweiz und in Österreich aufgrund des Bologna-Prozesses in Bachelor- und Masterlehrgänge eingeteilt. Zusätzlich werden weitere Lehrgänge angeboten.

 


Quelle: www.fachhochschulen.net

Fachhochschulen bieten ein Angebot von Studiengängen auf Hochschulniveau, das eine wissenschaftlich fundierte Vertiefung der Berufsausbildung ermöglicht und praxisbezogene Kompetenzen zur Lösung der Arbeitsaufgaben vermittelt.

Anderswo

In Österreich geht die Errichtung von Fachhochschulen auf das Fachhochschulstudiengesetz von 1993 zurück. In Umsetzung der Bologna-Erklärung wurden neben dem universitären Bildungsangebot auch die FH-Studiengänge gemäß dem 2-Stufensystem von Bachelor und Master organisiert. Für FH-Bachelor-Studiengänge sind in Österreich 180 ECTS-Anrechnungspunkte vorgesehen und ein Arbeitsaufwand von 1.500 Stunden, darunter eine Bachelorarbeit. FH-Masterstudiengänge können 60, 90 oder 120 ECTS-Anrechnungspunkte umfassen. Voraussetzung für die Zulassung zum Fachhochschulstudium sind entweder die allgemeine Universitätsreife, ein Lehrabschluss oder der Abschluss einer berufsbildenden Ausbildung bzw. eine einschlägige berufliche Qualifikation. An den FH-Standorten in Vorarlberg und am MCI Innsbruck sind ca. 3.600 Studenten/innen in Ausbildung.

In Deutschland erfolgten erste Weichenstellungen für die Fachhochschulen aufgrund des Dahrendorf-Plans bereits in den 60er Jahren. 1976 wurden diese als Hochschulangebote anerkannt. Seit 1985 besteht die Möglichkeit, auch die anwendungsorientierte Forschung und Entwicklung an den Fachhochschulen anzusiedeln. Durch die Anpassung an das zweistufige System des Bologna-Prozesses sind die FH-Abschlüsse denen der Universitäten völlig gleichgestellt. Für FH-Bachelor-Studiengänge liegen die ECTS-Leistungspunkte bei einer 3-4-jährigen Studiendauer zwischen 180 und 210. Voraussetzung für die Zulassung sind das Abitur, die fachgebundene Hochschulreife bzw. die Fachschulreife. In der Schweiz hingegen wird eine abgeschlossenen Berufslehre mit Berufsmatura verlangt oder die Matura mit einem fachspezifischen Praxisjahr. 1995 sind dort bestehende berufliche Weiterbildungsangebote auf tertiärem Niveau in sieben Fachhochschulen zusammengefasst worden. Die Gleichwertigkeit mit dem universitären Bildungsangebot wird konsequent durchgezogen.

Hierzulande

Es ist zu erwarten, dass in Italien die Bildungsschiene auf Hochschulebene zügig vorangetrieben wird, um den Jugendlichen bessere Beschäftigungschancen zu bieten und die Konkurrenzfähigkeit der zahlreichen Kleinunternehmen zu stärken. Dabei dürften die bisherigen Modelle, wie in den anderen Ländern auch, verbessert und an die europäischen Standards angepasst werden. Im Trentino sind bereits seit 2008 verschiedene Angebote im Bereich der „Istituti tecnici“ aufgebaut und dann erweitert worden. Die Schaffung eines praxisorientierten Bildungsangebotes auf Hochschulebene stellt strategisch gesehen für die Konkurrenzfähigkeit der kleinstrukturierten Südtiroler Unternehmen die wichtigste langfristige Entscheidung dar. Wird sie mit anwendungsorientierter Forschung verknüpft, so kann ein fruchtbarer Austausch zwischen betrieblicher Realität, Lehrtätigkeit und Forschung angebahnt. 

Unabhängig vom Standort sollten jedenfalls bereits mit dem Haushaltsplan für 2014 einige wesentliche Planungsschritte für die Errichtung der Südtiroler Fachhochschule erfolgen. Die Ansiedlung in Eppan bietet sich als unmittelbar nutzbare Option an, um dieses zukunftsweisende Projekt des Beschäftigungsplans voranzubringen. Damit verbunden wäre auch eine sehr begrüßenswerte Aufwertung des Standorts Überetsch.

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Thomas Benedikter So., 21.07.2013 - 22:04

Guter Vorschlag, Karl, das Fehlen von Fachhochschulen ist einer der gravierendsten Mängel der Bildungslandschaft Italiens. Auf der Nordseite der Alpen sind diese Einrichtungen mit ihrer Praxisbezogenheit und doch hohem Niveau an akademischer Bildung eine Stärke des Bildungssystems nach der Matura. Wenn Südtirol auch in dieser Hinsicht, wie beim Lehrlingswesen allgemein und vor Kurzem bei der Berufsmatura, Vorreiter sein könnte, umso besser.
Eppan statt Bozen wäre keine schlechte Wahl, denn in der Landeshauptstadt gibt's schon genug an zentralen Einrichtungen. Zudem wäre Eppan auch der Sorge enthoben, mit dem Verkauf von wertvollem Wald Geld locker machen zu müssen, um vermeintliche Kosten der Übernahme der Mercanti-Kaserne zu decken.
Doch bliebe die Frage: warum eine solche Bildungseinrichtung für einige tausend Studierende wieder im Raum Bozen? Die Uni Bozen ist geografisch gesehen "ostlastig" (Bozen, Brixen, Bruneck). Meran ist bisher ohne und hätte auch genug Kubatur für weitere Bildungseinrichtungen. Doch werden sich die Meraner schon melden, wenn es soweit ist....
Thomas Benedikter

So., 21.07.2013 - 22:04 Permalink
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Michael Bockhorni So., 21.07.2013 - 23:00

Antwort auf von Thomas Benedikter

ja, da gibt es ja auch ein Kasernengelände und auch schon einige Wünsche und Ideen (Wettbewerb bzw. aus der Bevölkerung - siehe letzte Treffen "Nachhaltiges Meran"). Mit einer FH in Südtirol wäre auch das leidige Thema der fehlenden Titel Anerkennungen gelöst.

So., 21.07.2013 - 23:00 Permalink
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Dietmar Holzner Di., 30.07.2013 - 01:17

Antwort auf von Thomas Benedikter

Die "Meraner" haben sich in der Vergangenheit sehr wohl gemeldet: z.B. mit ausgereiften Konzepten für eine Erweiterung der Oberschullandschaft im Bereich der Landwirtschaft sowie Energie- und Umwelttechnik und die Fortführung auf dem Niveau der Höheren Technischen Bildung. Nur: sie sind dabei immer abgeblitzt. Woran auch immer die Vorhaben gescheitert sein mögen, der erste Grund war stets die Ablehnung seitens der Politik. Was nicht von der Landesregierung - und seinen administrativen und pseudo-pädagogischen Anhängseln - selbst kommt, ist nix wert oder müsste als Werk Anderer präsentiert werden.

Di., 30.07.2013 - 01:17 Permalink