Südtirol nicht Italien?
“So werden inakzeptable Unterschiede zwischen Bürgern geschaffen!” Für Walther Andreaus sind die letzten Tage seiner 25-jährigen Amtszeit angebrochen. Und doch will der scheidende Geschäftsführer der Verbraucherzentrale Südtirol (noch) nicht schweigen. Für ihn darf Südtirol in diesem speziellen Fall nicht einfach über die Vorgaben des Staates hinwegsehen. Es geht um den nationalen Wasserbonus – und die Tatsache, dass sich Südtirols Gemeinden weigern, ihn zu gewähren.
Kein Bonus
Anhand eines konkreten Falles erklärt die Verbraucherzentrale (VZS), worum es geht:
“Der Fall klingt fast unwahrscheinlich: Eine Bozner Bürgerin erhält von der nationalen Aufsichtsbehörde für Strom und Wasser (ARERA) ein Schreiben, indem man sie davon in Kenntnis setzt, dass sie bei Anrecht auf den Strom- und Gasbonus ebenso Anrecht auf den Wasserbonus hat. Dieser Bonus, von einer nationalen Norm geregelt, sieht laut Aufsichtsbehörde vor, dass z.B. eine Familie von 4 Personen 73 Kubikmeter Wasser pro Jahr nicht bezahlen muss, sondern kostenlos erhält, da auf diese ein essentielles Recht besteht.
Die Dame, deren wirtschaftliche Lage keine einfache ist, ist sehr erfreut: Obschon ein Kubikmeter Wasser der unteren Verbrauchsklassen knapp 30 Cent kostet, wäre auch dieser Bonus für sie eine Hilfe.
Daher begibt sie sich zum Bürgerzentrum der Gemeinde Bozen und will um den Bonus ansuchen. Denn die Aufsichtsbehörde sagt, sie brauche bei der Erneuerung des Ansuchens um Strom- und Gasbonus lediglich die Informationen zu vervollständigen, um auch den Wasserbonus zu erhalten. Doch im Bürgerzentrum stößt die Dame auf Widerstand. Die Gemeinde, so die Auskunft, habe diesen Bonus nie beschlossen, und dieser werde daher auch nicht ausbezahlt.
Die Dame ist – zurecht – entrüstet. Wie kann es sein, dass ihr die zuständige Aufsichtsbehörde einen Bonus zusagt, die Gemeinde Bozen, oder besser gesagt SEAB im Auftrag derselben, diesen aber verweigert? Sie wandte sich daher an die Verbraucherzentrale Südtirol, um Klarheit zu erhalten. Wir haben versucht, von SEAB, die sich im Auftrag der Gemeinde um das Wasser kümmert, die Anerkennung des Bonus einzufordern, stießen aber ebenfalls auf geschlossene Türen.”
“Auch Südtirol muss”
Soweit ersichtlich gehe die Interpretation der Gemeinden dahin, dass in Südtirol nicht das nationale Gesetz gelte, sondern ein Dekret des Landeshauptmanns aus dem Jahr 2017 diesen Bereich regle, berichtet Walther Andreaus. “In diesem Dekret liest man: ‘In Fällen besonderer sozialer Relevanz können in der Tarifverordnung der Gemeinde die Kriterien für die Befreiung oder Herabsetzung des Tarifs festgelegt werden.’ Das springende Wort ist dabei ‘können’ – denn Südtirols Gemeinden interpretieren dies eben dahingehend, dass sie keinen Bonus gewähren müssen.”
In der VZS ist man gänzlich anderer Ansicht, wie Andreaus betont: “Beim nationalen Bonus handelt es sich um eine vom Staat festgelegte Maßnahme, deren verpflichtende Anwendung nicht zur Diskussion steht. Was die Gemeinden in Südtirol darüber hinaus, im Rahmen der vom Dekret des Landeshauptmannes geschaffenen Möglichkeiten für ihre Bürger festlegen wollen, ist ihnen selbstverständlich freigestellt. Dass sie dieses Dekret aber legitimiert, den Bürgern in schwierigen finanziellen Lagen den Bonus vorzuenthalten, ist ausgeschlossen.”
Justiz soll klären
Nun will die VZS die Sache von den Gerichten klären lassen. “Da weder der Beschwerdeweg über die Aufsichtsbehörde noch die Abmahnung an Gemeinde Bozen und SEAB Wirkung zeigten, haben wir beschlossen, die Sache der Gerichtsbarkeit vorzulegen, damit sie die Angelegenheit auslotet, eventuell auch hinsichtlich strafrechtlicher Aspekte. Eine Bestimmung des Strafgesetzbuchs verfügt, dass eine öffentliche Verwaltung, die eine per Gesetz vorgesehene Amtshandlung verweigert oder nicht durchführt, auf Anfrage zumindest innerhalb von 30 Tagen erklären muss, warum diese Amtshandlung nicht durchgeführt wurde oder was der Grund der Verzögerung ist, um keine strafrechtliche Verantwortung auf sich zu laden”, erklärt Andreaus.
Inzwischen wiederholt er auch den Aufruf an die Südtiroler Gemeinden aus dem Vorjahr, der gänzlich ungehört verhallt und unbeantwortet geblieben sei: “Sie müssen endlich dafür sorgen, dass die Gesuchsmöglichkeiten für den Wasserbonus aktiviert werden.”
“Bis dahin werden wir alle uns zur Verfügung stehenden Mittel ins Feld führen, um den Verbrauchern in schwierigen finanziellen Lagen zu ihrem Recht auf den Wasserbonus zu verhelfen”, verspricht Andreaus. “Der Versuch, unter dem Vorwand der lokalen Gesetzgebungskompetenzen die nationalen Rechte einfach wegzuargumentieren, kann und darf so nicht bestehen bleiben, da so inakzeptable Unterschiede zwischen den BürgerInnen geschaffen werden.”
Wenn ich Bürgermeister wäre,
Wenn ich Bürgermeister wäre, würde ich mich auf das verrostete Kniestück hinausreden, das müsste doch mindestens ein weiteres Jahr Aufschub einbringen ... und dann sieht man weiter; die 21,90 € Erspartes müssten das in jedem Fall rechtfertigen.
Man muss mit allen Vor- und
Man muss mit allen Vor- und Nachteilen zur Autonomie stehen. Nur die Rosinen rauspicken geht nicht.
Antwort auf Man muss mit allen Vor- und von Quo Vadis Südtirol
wenn die Politiker*innen "die
wenn die Politiker*innen "die Rosinen rauspicken" sind sie Helden, wenn die Bürger*innen ihre Rechte einfordern sind sie "Rosinenpicker"?
Würde gerne die
Würde gerne die wirtschaftlichen Bedingungen wissen, welche für das Recht auf den Wasserbonus festgelegt sind. Geht aus dem Bericht leider nicht hervor. Ich denke, die Gemeindeverwaltung vergibt anstatt des Wasserbonus eine Schanklizenz mehr, so können die Bürger Wein oder Bier trinken. Wasser nur zum Zähneputzen. Ist doch richtig, oder? Im Sinne der bürgernahen Verwaltung.