Wirtschaft | Mobilität

Der SAD-Hickhack

Landesrat und Verbraucherschützer stellen der SAD wegen beispielloser Beschwerden und Missständen die Rute ins Fenster. Ingemar Gatterer wendet sich an Brüssel.
SAD-Bus
Foto: Provinz Bozen

Wenn Post von Ingemar Gatterer eintrudelt, gibt es in den Landesämtern meist keinen Grund, in Jubel auszubrechen. Der SAD-Chef setzt sich rhetorisch gewaltig gegen die Mobilitätspolitik des Landes zur Wehr – und informiert dabei gern auch die gesamte Medienwelt.
Im Gegensatz dazu zieht es Landesrat Florian Mussner vor, diskret vorzugehen. Einer Anhörung des Landtages zu den Problematiken und Missständen im Südtiroler Nahverkehr hat der Mobilitätslandesrat eine Absage erteilt. Doch hinter den Kulissen finden Mussner und seine Mitarbeiter deutliche Worte.

 

Zwei Ruten

Das zeigt ein Schreiben, das am Donnerstag Vormittag den Medien zugeschickt wird – von niemand anderem als Ingemar Gatterer. Datiert auf den 14. Februar 2018, bearbeitet von Abteilungsdirektor Günther Burger und Ressortleiter Valentino Pagani, unterzeichnet von Landesrat Florian Mussner, wird Gatterer in dem Schreiben über die sich häufenden Beschwerden informiert.

Seit Inkrafttreten des Winterfahrplans Anfang Dezember 2017 gebe es “fast täglich” Beschwerden vonseiten der Gemeinden, Schuldirektionen, “aufgebrachten Bürgern” und “besorgten Eltern”, teilt Mussner Gatterer mit. “Die Anzahl und die Deutlichkeit” der Beschwerden habe es “in diesem Ausmaß und in dieser Vehemenz bisher noch nicht gegeben”, schreibt der Landesrat. Und wird noch deutlicher: “Das Bild, das der öffentliche Nahverkehr derzeit auf etlichen Ihrer Linien vermittelt, entspricht nicht dem Standard, der heute in einem modernen Wirtschaftsstandort im Herzen Europas erwartet werden darf.”

Zum selben Schluss kommt die Verbraucherzentrale Südtirol (VZS). Auch dort erhebt man die Stimme gegen die Zustände im Öffentlichen Personenverkehr. “Viele Arbeitnehmer und viele Betriebe, Schüler und Schulen sind es satt, der Willkür von Anbietern ausgesetzt zu sein, die mangels Problemlösungskompetenz andere belasten”, kritisiert VZS-Geschäftsführer Walther Andreaus. Er hat beim Assessorat von Florian Mussner nachgefragt – und wenig Erfreuliches erfahren: Die Ausfälle im Bahnverkehr – Vinschgerbahn ausgeschlossen – sind 2017 gegenüber 2016 von 788 auf 1.093 und damit um 39 Prozent gestiegen. Jene wegen Streiks gar um 57 Prozent. “Diese gehen zum größten Teil auf das Konto der SAD – und die Buslinien sind dabei gar nicht mal erfasst”, zeigen die Verbraucherschützer auf.

Sowohl Florian Mussner als auch die VZS stellen der SAD die Rute ins Fenster. Die Verbraucherschützer fordern im Hick-Hack im öffentlichen Personennahverkehr ein “effizienteres Konfliktmanagement”. Denn: “Den Kunden missfällt es zunehmend, die Leidtragenden mangelnder Problemlösungsbereitschaft zu sein.”
Florian Mussner spielt den Ball an Ingemar Gatterer persönlich weiter: “Ich ersuche Sie (…) eindringlich, ganz besonders auch im Namen der Bürgerinnen und Bürger, dafür Sorge zu tragen, dass die derzeitigen Missstände umgehend behoben werden und dass wir der Bevölkerung  schnellstmöglich einen funktionierenden, zuverlässigen und kundenfreundlichen Dienst gewährleisten können”, schreibt der Mobilitätslandesrat.

 

Zwei Schuldige

Nicht ungewöhnlich, dass Ingemar Gatterer nicht mit Mussner einer Meinung ist. Die betriebsinterne Beschwerden-Statistik zeige, dass “der Großteil der Reklamationen (bis zu 80 Prozent)” bei den Leistungen, die das Konsortium der Südtiroler Mietwagenunternehmen (KSM) als Subkonzessionär der SAD bis Dezember 2017 durchgeführt hat, entstanden sei, so Gatterer. Auf den Zeitraum nach Dezember 2017, den Landesrat Mussner in seinem Schreiben erwähnt, geht der SAD-Chef nicht ein – sondern nutzt die Gelegenheit, um erneut gegen das KSM und das Land zu schießen.

Wie berichtet, hat die SAD den kleinen Mietwagenunternehmen Ende vergangenen Jahres sämtliche Aufträge entzogen.
“Tatsache ist jedoch, dass die Landesverwaltung bisher die SAD AG indirekt dazu gezwungen hat, Linien an Mietwagenunternehmen des KSM auszulagern, da die notwendige Aufstockung des Busparks über Jahre verweigert wurde. Wir erwarten deshalb mit Nachdruck die besprochene Fuhrparkpotenzierung von 30 Busse. Damit kann SAD nämlich endlich alle Dienste selbst verrichten. SAD ist damit auch nicht mehr gezwungen Subleistungen zu beanspruchen, welche in der Vergangenheit zu nachweislichen Qualitätsreduzierungen geführt haben. (…) Nicht zuletzt waren die erheblichen Qualitätsprobleme auch Hauptgrund für den Entzug der Subleistungen an das KSM mit Datum Dezember vergangenen Jahres.”

 

Zwei Briefe an Brüssel

Post von Ingemar Gatterer, die hat in den vergangenen Tagen auch die Europäische Kommission erhalten. Mit zwei Schreiben wendet sich der SAD-Mehrheitseigentümer an Brüssel. Er meldet offiziell Zweifel an der Rechtmäßigkeit der anstehenden Ausschreibung der Überland-Buslinien in Südtirol an.

Im Raum steht eine Lossperre, was bedeuten würde, dass ein Dienstleister nicht mehr als zwei der vier Lose erhält. “Diese Maßnahme ist jedoch mit EU-Recht nicht vereinbar”, steht für Gatterer fest. Er hat die Europäische Kommission ersucht, zu überprüfen, ob eine Angebots- oder Zuschlagslimitierung, wie sie dem Mobilitätslandesrat vorschwebt, bei der Vergabe von Busverkehrsleistungen zulässig ist oder eine ungerechtfertigte Diskriminierung darstellt.

Ebenso bittet Gatterer Brüssel, zu überprüfen, ob bei der Vergabe in Südtirol von der Vergabestelle Sozialklauseln vorgeschrieben werden dürfen, die über den nationalen Kollektivvertrag für Dienstleister des öffentlichen Personenverkehrs hinausgehen.
Gatterer bezieht sich dabei auf das Mobilitätsgesetz, in dem eindrücklich festgehalten wurde, dass alle künftigen Dienstleister sowohl den nationalen Kollektivvertrag als auch geltende territoriale Abkommen einhalten müssen. Doch die territorialen Betriebsabkommen mit den Gewerkschaften hat die SAD bekanntlich vergangenen Sommer aufgekündigt. Mit der Folge, dass die SAD-Chauffeure Hunderte Euro weniger verdienen.
Ein landesweit geltender Zusatzvertrag für alle Dienstleister ist in weite Ferne gerückt – auch weil Gatterer sich nicht mehr mit den Gewerkschaften an einen Tisch setzen will.