Gesellschaft | Mobbing

„Es ist peinlich darüber zu reden“

Immer wieder kommt es zu Mobbing in der Schule. Wie reagieren, wenn eine derartige Situation beobachtet wird? Und was passiert mit den Opfern?
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Foto: upi
Mobbing ist ein Thema über das zu sprechen es nicht leicht fällt. Und wenn man darüber spricht, spricht man meistens über die Täter und deren Beweggründe. Wie es den Opfern aber dabei ergeht, fragt man aber selten.
Mobbing, also die systematische Erniedrigung einer Person über einen längeren Zeitraum hinweg, kann für die Opfer schwere Folgen haben.
Laut einer ISTAT-Statistik aus dem Jahr 2015 hat etwas mehr als jeder zweite Jugendliche zwischen elf und 17 Jahren in Italien schon einmal Erniedrigungen durch andere Jugendliche erlebt.
„Das Selbstwertgefühl wird angegriffen, die Psyche kann darunter leiden ja sogar körperliche Leiden können durch Mobbing ausgelöst werden“, weist Julia Psenner, Sozialpädagogin am Schulsprengel Eppan auf mögliche schwerwiegende Folgen hin.
Über das Mobbing zu sprechen fällt vielen Opfern schwer. Oft trifft es auch Menschen die eher schüchtern und zurückgezogen sind und von sich aus niemand haben, mit dem sie viel Reden.
„Es passiert auch oft, dass es Menschen, die fertig gemacht werden, peinlich ist, darüber zu reden.“ erklärt Psenner „Auch Erfahrungen, dass es bei anderen heruntergespielt wurde oder einem nicht geglaubt wurde kann da noch erschwerend dazu kommen.“
In solchen Fällen ist es dann so, dass man erst bei genauerem Nachfragen vom Mobbing erfährt.
Ob sich ein Mobbing-Opfer Hilfe sucht, ist aber auch von Charakter abhängig. Für manche ist die Suche nach Hilfe auch ein Zeichen der Schwäche. Für Julia Psenner liegt da das Problem eindeutig in der Gesellschaft: „In unserer Gesellschaft ist es so, dass jemand, der zugibt Hilfe zu brauchen, sehr bald als schwach und unfähig abgestempelt wird. Gerade bei Buben ist dieses Gefühl, sich Hilfe zu suchen, ganz stark mit dem Gefühl, 'Ein Junge der sich Hilfe sucht ist kein Mann, weil ein Mann löst seine Probleme alleine', verbunden.“ Aus diesem Grund tun sich Mädchen häufig leichter über solche Dinge zu reden.
Manchmal wissen Mobbing-Opfer schlichtweg nicht mit wem sie reden sollen. Speziell wenn das Gefühl überwiegt, dass alle gegen einen sind. Jugendliche können eventuell mit ihren Eltern reden aber wenn man diese in Konflikte mit Gleichaltrigen hineinzieht ist man schnell das „Muttersöhnchen“ und der Schuss geht nach hinten los. Für solche Fälle gibt es Dienste, wie die Beratungsstelle „young+direct“, wo sich Betroffene direkt und anonym melden können um professionell unterstützt zu werden.
 

Mobbing fällt oft erst spät auf

 
Für Außenstehende wird Mobbing oft erst sehr spät sichtbar. Es können Jahre vergehen, bis ein Mobbing-Opfer darüber spricht. Dazu kommt, dass hinterher die ganze Sache häufig heruntergespielt wird. Auf der anderen Seite wird oft auch übertrieben. „Gewisse Konflikte in Gruppen mit Zwangskontext – wie Schulklassen – sind ganz normal.“, sagt Julia Psenner. Darum ist es wichtig genau hinzuschauen.
Diejenigen die laut um Hilfe rufen sind auch nicht unbedingt diejenigen, die sie wirklich brauchen. Sie möchten vielleicht nur die Aufmerksamkeit. Vielmehr sind es eben jene, welche man leicht übersieht, weil sie eher still und zurückhaltend sind. In der Schule liegt es aber nicht nur an den Lehrpersonen, den Mobbing-Opfern zu helfen: „Eine Lehrperson kann aufgrund ihrer vielen Schüler oft nicht abschätzen ab wann jemand in so einer Situation Hilfe braucht. Eltern hingegen kennen ihr Kind am besten und sollten es entsprechend Unterstützen, wenn es auffällig wird.“ so Psenner.
 
„Gewisse Konflikte in Gruppen mit Zwangskontext – wie Schulklassen – sind ganz normal.“
 
Ein weiteres Problem ist, dass Mobbing in der Schule sehr oft unterschwellig und hinter dem Rücken der Lehrpersonen passiert. Zusätzlich erschwert der Umgang mit dem Handy, Mobbing frühzeitig zu erkennen. Dieser ist trotz Handyverbots im Unterricht nicht möglich zu kontrollieren. Deswegen ist es heute ein leichtes Mobbing im Klassenzimmer in einem klasseninternen Gruppenchat weiterzuführen. Julia Psenner stellt jedoch klar: „Da stellt sich dann einerseits die Frage, in wie weit die Schule das noch mitbekommt, und andererseits, ob die Schule überhaupt noch eine Verantwortung dafür trägt.“ Vielmehr, erklärt sie, sollten die Eltern hier ihren Kindern, nach Absprache, ein bisschen über die Schultern schauen. So könne man Mobbing frühzeitig erkennen und entsprechen reagieren.
Denn bis das Mobbing auffällt ist es häufig schon sehr viel passiert. Oft fällt es erst auf, wenn das Mobbing-Opfer es nicht mehr schafft und auffällig wird. Zum Beispiel indem es sich weigert in die Schule zu gehen, aggressiv wird oder einfach nur anfängt zu weinen.
 

Dem Opfer Rückhalt geben

 
Manchmal stellt sich die Frage ob bestimmte Charakterzüge für Mobber besonders attraktiv sind. Besonders weil es beim Mobbing sehr oft so ist, dass die Person als ganzes angegriffen wird und nicht eine bestimmte Handlung derselben. Das hat laut Psenner vor allem soziokulturelle Gründe: „Meiner Meinung nach haben wir in Südtirol oft ganz klare Vorstellungen, wie jemand zu sein hat. Da haben auch Kinder teilweise schon ganz klare Vorstellungen, was cool ist und was nicht. Was ja bei den Erwachsenen im Grunde oft auch nicht anders ist, wo auch schnell über jemand hergezogen wird, der nicht ins Schema passt.“
Wenn jemand nicht in dieses Raster passt, kann das schon ein Anfang für die ersten Mobbing-Angriffe sein.
 
Stellt man aber einen Fall von Mobbing fest, so sollte man sich nicht zu sehr vor das Opfer stellen, das gibt den Mobbern nämlich zusätzliche Angriffsfläche, gerade unter Jugendlichen. Vielmehr sollte man in einem ruhigen Moment das Gespräch mit dem Opfer suchen. Sobald man sich einen Überblick über die Lage verschafft hat, sollte man sich das weitere Vorgehen überlegen. Wichtig ist, dass man dem Opfer das Gefühl gibt, dass es wichtig ist und ihm zu signalisieren, dass man möchte, dass es ihm gut geht. Es ist wichtig, dass man dem Opfer klar macht, dass es Rückhalt findet. Das kann manchmal auch schon ausreichen, dass das Opfer es selbst Schafft die Situation zu lösen. Wenn es nicht ausreicht kann man auch das Gespräch mit den Tätern suchen, allerdings erst nachdem man mit dem Opfer gesprochen hat. Dabei ist es aber essentiell, sich immer die Gruppendynamiken anzusehen und die „Anführer“ ein wenig mehr in die Verantwortung zu holen und sie auffordert ihre Machtposition positiv zu nutzen. Man kann aber auch nur hingehen und sagen, dass man nicht gut findet, was die anderen da machen. Man sollte allerdings immer in Rücksprache mit dem Opfer handeln. Bei Jugendlichen hilft es auch, Erwachsene dazu zu holen, damit sie ihnen helfen die komplizierten Situationen zu lösen.
 

Stress kann eine Ursache sein

 
Die Mobber tun das ja um sich selbst stärker zu fühlen. „Da geht es ganz viel um den nicht vorhandenen Selbstwert, der Selbstwert des Opfers wird angegriffen, weil ich vielleicht selbst keinen habe.“ so Psenner aber auch Neid kann Mobbing auslösen „Manchmal wären die Mobber selbst gerne anders, so wie es die Opfer sind, und trauen sich nicht es zu sein.“ Aus diesem Grund wird dann das Opfer gemobbt.
 
„Der Selbstwert des Opfers wird angegriffen, weil ich vielleicht selbst keinen habe.“
 
 
Deswegen ist es ganz wichtig, wie Julia Psenner betont, Kindern und Jugendlichen Wertschätzung zu zeigen und so ihr Selbstwertgefühl zu fördern.
Allerdings kann auch der schulische Leistungsdruck bzw. der daraus resultierende Stress Ursache für Mobbing sein, weil sich die Jugendlichen dann so eine Möglichkeit finden den Druck, der auf ihnen Lastet, zu entladen. Für Julia Psenner haben sich die Mobbing-Fälle in Südtirol in den letzten Jahren nicht gehäuft. Vielmehr ist durch Perspektivlosigkeit der Druck auf junge Menschen gestiegen: „Diejenigen, die momentan die Schule verlassen haben zwar mehr Möglichkeiten sich zu verwirklichen aber in dem Moment wo es mehr Möglichkeiten gibt, gibt es auch mehr Möglichkeiten dies nicht zu schaffen.“
Zudem bemängelt sie, dass SchülerInnen immer weniger lernen selbst Verantwortung für ihr Handeln zu übernehmen. Auch von Seiten der Eltern, die häufig die Ursache von Problemen bei nicht bei ihren Kindern suchen, sondern wo anders.