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„Konkurrenz belebt die Sinne“

Michaela Mahlknecht ist seit vergangenem Donnerstag die neue Chefredakteurin von Rai Südtirol. Die Nachfolgerin von Heidy Kessler über ihren Werdegang, den Journalismus und die Zukunft von Rai Südtirol.
Michaela Mahlknecht
Foto: Rai/Markus Perwanger
  • SALTO: Frau Mahlknecht, Sie beerben Heidy Kessler als Chefredakteurin von Rai Südtirol, haben jedoch Theologie studiert. Wie sind Sie zum Journalismus gekommen?

    Michaela Mahlknecht: Ich wollte schon als Kind Schriftstellerin werden. Als Jugendliche wuchs ich jedoch viel in der katholischen Jugend auf und dachte, dass ich in diesem Bereich bleiben möchte. Aus diesem Grund habe ich ein Theologiestudium begonnen. Ich habe jedoch schon sehr bald gemerkt, dass es doch nichts für mich ist. Als ich wechseln wollte, wurde mir empfohlen das Studium zu Ende zu bringen, da es damals im Journalismus wichtig war, etwas abgeschlossen zu haben. Nach Abschluss des Theologiestudiums habe ich dann noch Bühne, Film und andere Medien in Graz studiert. Während diesem Studium war ein einjähriges Praktikum vorgesehen, welches ich bei der „Kleinen Zeitung“, der drittgrößten Zeitung Österreichs, absolviert habe. Dort verliebte ich mich in meinen Beruf.  

     

    Als Journalistin kennen Sie die Situation im Land gut. Mit welchen Problemen wird sich die künftige Landesregierung besonders beschäftigen müssen?

    Die Kluft zwischen Arm und Reich wird immer größer in Südtirol. Eine immer größere Gruppe im Land kommt mit ihrem Geld nicht mehr ans Monatsende. Ich glaube auch, dass sich die Proteste während der Covidzeit weniger gegen das Impfen richteten und viel mehr eine Reaktion auf das gerade genannte Problem waren. Die Landesregierung wird hier also ganz klar hinschauen müssen.

     

    „Die Kluft zwischen Arm und Reich wird immer größer.“

     

    Die Südtiroler Volkspartei hat bei den vergangenen Wahlen ein historisches Tief eingefahren. Die Parteienlandschaft ist ebenso wie die Stimmverteilung zersplittert. Öffnet uns diese Wahl den Weg in eine größere politische Vielfalt?

    Ja, auf jeden Fall. Natürlich kann ich die Sicht der SVP und der Gewohnheiten im Land verstehen, dass man von der großen Katastrophe spricht. Ich glaube jedoch, dass es sich um eine ganz normale Entwicklung handelt. Schaut man sich andere Länder an, so erkennt man denselben Trend. Wenn man sich gute Regierungspartner sucht, kann meiner Meinung nach, etwas Gutes daraus entstehen, sofern die verschiedenen Köpfe in dieselbe Richtung ziehen und sich die SVP keinen Juniorpartner sucht, den sie klein halten kann.

     

    In Hinblick auf die Sondierungsgespräche: welche Koalition ist Ihrer Meinung nach die wahrscheinlichste?

    Schwierig zu sagen. Vom Wählerwillen her müsste es eine Koalition aus SVP, Team K, Gennaccaro (La Civica) und Bianchi (Lega) sein. Dass die Südtiroler Freiheit dabei sein wird, halte ich für ausgeschlossen. Es könnte jedoch auch zu einer Kombination mit den Freiheitlichen und den Fratelli d’Italia kommen. 

  • Führungswechsel am Mazziniplatz: Ex-Chefredakteurin Heidy Kessler begibt sich aus gesundheitlichen Gründen in den Ruhestand Foto: Rai

    Im Rai-Morgengespräch sprachen Sie über die Wichtigkeit von Qualitätsjournalismus. Was ist Qualitätsjournalismus für Sie? 

    Qualitätsjournalismus bedeutet für mich, dass man zwei Glocken hört und nicht auf einer Seite steht. Es ist wichtig, dass man nicht Politik macht, sondern über sie berichtet und etwas mehr von den Funktionären absieht und zu den Menschen hinschaut, bei denen es wirklich brennt. 

  • "Es ist wichtig, dass man nicht Politik macht, sondern über sie berichtet."

     

    Nach eigener Aussage ist Ihnen auch neutraler Journalismus sehr wichtig. Gibt es hier eine Grenze, ab welcher kritisch hinterfragt werden muss?

    Ja ganz klar. Diese Grenzen sind von der Verfassung und den "carte giornalistiche" vorgegeben und es ist bedeutend, dass man für diese, Partei ergreift. Ich finde es aber auch wichtig, dass jeder Journalist kommentieren kann. Was mir nicht gefällt, man bei uns im Land aber oft beobachten kann, ist, dass Medien Politik machen und diese oder jene Person schützen. 

     

    Wenn man von der Medienvielfalt in Südtirol spricht, hört man oft von einem Monopol seitens der Athesia. Wie stehen Sie zu diesem Thema?

    Natürlich besitzt die Athesia eine große Mehrheit. Mittlerweile gibt es jedoch viele gute Produkte zur Informationsbeschaffung im Land. Auch online gibt es ein großes Angebot an Medien. Man merkt, dass nicht mehr nur ein Medium die Macht besitzt, weder die Athesia noch die Rai noch sonst ein Anbieter. Man erkennt dies daran, dass die Menschen nicht folgen, wenn ein Medium große Kampagnen reitet. Ich habe jedoch auch das Gefühl, wenn man ständig von der großen, bösen Athesia und dem Monopolisten Athesia spricht, dass man sie dann viel größer macht. Wenn man ständig davon spricht, dass sie alles hat und tut und alle unterdrückt, gibt man der Athesia, psychologisch gesehen, sehr viel Macht. 

     

    „Ich mag Konkurrenz, sie belebt die Sinne.“

  • Michaela Mahlknecht ist bereits seit 25 Jahren in der Nachrichtenredaktion von Rai Südtirol tätig: Foto: Rai/Markus Perwanger

    Es herrscht die Kritik, dass ein mit Steuergeldern finanziertes, öffentlich-rechtliches Medium eine Konkurrenz zu den privaten Anbietern darstellt. Was halten Sie von dieser Kritik?

    Eher müsste man sich die Frage stellen, ob die Privaten eine Konkurrenz für uns darstellen. Ich denke, dass wir verschiedene Aufgaben haben und Konkurrenz, vor allem auf dem Medienmarkt, guttut. 

     

    Rai Südtirol ist eine große Redaktion: 30 deutsche Redakteure, plus die Italiener und Ladiner. Können hier Interessensüberschneidungen entstehen? 

    Nein, im Gegenteil, wir arbeiten sehr gut zusammen. Ich würde mir nur eine koordinierte Absprache wünschen, um Synergien besser nutzen zu können. Konflikte gibt es keine. 

  • Ihr Ehemann Georg Plattner ist Generaldirektor der Rundfunkanstalt Südtirol. Kann hier ein Interessenskonflikt entstehen, wenn ein Ehepaar an der Spitze zweier großer öffentlich-rechtlicher Institutionen steht?

    Ich sehe hier überhaupt keinen Interessenskonflikt. Unsere Redaktion ist nicht in der "comissione paritetica" vertreten und mein Mann ist Techniker und kein Journalist. Außerdem hat die RAS inhaltlich keine Kompetenz, sondern importiert lediglich die Programme ins Land. Wir handhaben das Thema mit Scherz. Ich sage immer, wir sind Konkurrenten. Interessenskonflikt sehe ich jedoch keinen. 

     

    "Ich sehe keinen Interessenskonflikt aufgrund unserer beruflichen Positionen."

     

    Was wünschen Sie sich für die Zukunft von Rai Südtirol?

    Ich wünsche mir, dass wir näher zu den Menschen hinkommen und mehr Menschen erreichen. Natürlich müssen wir als öffentlich-rechtliches Medium eine gewisse Seriösität an den Tag legen, ich finde jedoch, dass wir auch Menschen erreichen müssen, die vielleicht etwas bildungsferner sind. Unsere wesentliche Aufgabe ist und bleibt, gute Informationen zu liefern. Deshalb sollten wir, neben unseren seriösen Themen künftig auch etwas Leichteres oder Einfacheres bieten. Nicht zuletzt müssen wir auch in unsere Socialmediapräsenz investieren, um jungen Leuten ein Angebot zu machen. 

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Klemens Riegler Sa., 04.11.2023 - 13:38

RAI-Südtirol hat für mich definitiv ZUKUNFT! mehr als die nationale. In den letzten Jahren hat sich viel getan und mit Fr. Mahlknecht wird es in die richtige Richtung weitergehen. Die Ansätze sind jedenfalls ziemlich gut.
Was Socialmedia betrifft wird es natürlich schwierig. Da ist nicht nur Mama-Rai in Rom sondern es fehlt wohl auch entsprechendes Personal und die Technik.
Und früher hatte ich sowieso einen schwierigen Zugang zum Thema; Was wäre wohl mit FB, Instagram, Twitter und Co. passiert, wenn KEIN offizielles Medium oder Betrieb (egal ob privat oder öffentlich) diese Plattformen genutzt hätten? Heute haben alle eigene Accounts und machen somit gratis und indirekt PR für diese unkontrollierbaren und globalen Kraken die niemand kontrollieren oder überwachen kann. Dort finde ich dann auch "meine Wahrheit" oder werde sogar tagtäglich (aufgrund meines Algorithmus) "inspiriert" ... die anderen - unter Umständen journalistisch abgewogenen - Meinungen sind eh schon längst eingeklappt und kommen auf meinen Accounts nicht mehr vor. Na klar, ormai é tardi!

Sa., 04.11.2023 - 13:38 Permalink
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Hartmuth Staffler Sa., 04.11.2023 - 14:51

"Die Worte hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube". RAI Südtirol ist unter Heidy Kessler ein absolut systemkonformes Staatsmedium gewesen, dem die Staatsinteressen immer wichtiger waren als die Südtiroler Landesinteressen, und objektive Berichterstattung ein Fremdwort. Ich glaube nicht, dass sich unter Michaela Mahlknecht etwas daran ändern wird, zumal ich weiß, wie und nach welchen Kriterien Personalaufnahme und Karriereforschritte bei der RAI erfolgen. Aber zum Glück ist niemand gezwungen, RAI Südtirol zu hören. Man kann auch einfach abschalten.

Sa., 04.11.2023 - 14:51 Permalink
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Ceterum Censeo So., 05.11.2023 - 21:25

Antwort auf von Hartmuth Staffler

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Salto User
Interessierter Sa., 04.11.2023 - 18:37

Schon von vornherein alles madig machen find ich nicht angebracht Herr Staffler. Einen kleinen Vertrauensvorschuss sollten wir Frau Mahlknecht schon zugestehen.

Sa., 04.11.2023 - 18:37 Permalink
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Hartmuth Staffler Sa., 04.11.2023 - 20:44

Antwort auf von Interessierter

Ich habe nichts von vorneherein madig gemacht, sondern nur darauf verwiesen, dass RAI Südtirol unter Frau Kessler eine üble Propagandamaschine des italienischen Staates war und dass man sich von Frau Mahlknecht wohl kaum etwas anderes erwarten kann, wenn man weiß, nach welche Kriterien Menschen bei RAI Südtirol als Mitarbeiter akzeptiert werden. Als Journalist, der viele Jahre in diesem Gewerbe tätig war, habe ich da schon gewisse Kenntnisse. Ich bin seinerzeit vom damaligen Chefredakteur des Senders Bozen gefragt worden, ob ich als Mitarbeiter und eventuell später als Redakteur mitmachen wolle. Das wurde von Rom aus verboten, wohl weil man sich bei den Carabinieri erkundigt hatte, ob ich genügend italophil sei. Kurz darauf haben die Carabinieri bei mit eine Einschüchterungs-Hausdurchsuchung vorgenommen und mir mitgeteilt, dass ich als "italienfeindlich" auf ihrer Liste stehe und mit Konsequenzen zu rechnen habe, wenn ich meine Einstellung nicht ändere. Das ist wohl heute nicht anders. Demokratie geht auch anders.

Sa., 04.11.2023 - 20:44 Permalink
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Otmar Pattis So., 05.11.2023 - 09:28

Ob die Grammatikfehler und Italianismen von Frau Mahlknecht oder von Herrn Kafmann stammen ist nicht klar. Auf alle Fälle für deren berufliche Qualifizierung äußerst aussagekräftig!

So., 05.11.2023 - 09:28 Permalink