Politik | Kaufhaus

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Auch SVP lässt Wahlfreiheit zu Benko. Gemeinderat wird über rechtliche Konsequenzen der Abstimmung aufgeklärt. Volksbefragung keine Option mehr.

Nach dem PD setzt auch die SVP auf die Eigenverantwortung ihrer Bozner Gemeinderäte. Wenn es am Donnerstag Abend zum Showdown in Sachen Kaufhaus kommen wird, sind die sechs SVP-Vertreter frei, sich für oder gegen den Städtebaulichen Umstrukturierungsplan und somit das Benko-Projekt auszusprechen. So hat es der SVP-Koordinierungsausschuss am gestrigen Montag Abend beschlossen. “Die SVP wird die Entscheidung den einzelnen Gemeinderäten überlassen”, bestätigte Vize-Bürgermeister Klaus Ladinser im Anschluss an die Sitzung. Dieter Steger erinnerte indes an die zwei möglichen Szenarien, die sich nach der Abstimmung ergeben könnten, je nachdem wie sie ausfällt: “Entweder das Nein siegt. Dann kann die Koalition mit Hilfe der Grünen vielleicht weiterbestehen. Oder es gibt ein Ja und keine Stadtverwaltung mehr, da die Grünen nicht mehr mitspielen”, so der SVP-Stadtobmann im Gespräch mit der Tageszeitung Dolomiten.


Wer sagt Ja, wer Nein?

Dass die abtrünnige SVP-Gemeinderätin, Anna Pitarelli, für das Kaufhaus stimmen wird, daran dürfte es kaum Zweifel geben. Ihre ehemaligen Volkspartei-Kollegen und -Kolleginnen im Bozner Gemeinderat lassen sich jedoch noch nicht in die Karten blicken. Es sei noch zu früh, sich über das eigene Stimmverhalten zu äußern, heißt es aus SVP-Reihen. Gemeinderatspräsident Luis Walcher etwa erklärte, er müsse sich erst noch mit den Bauernvertretern und der Mehrheit absprechen. Um 18 Uhr tritt diese am heutigen Dienstag Abend zusammen. Einberufen von Bürgermeister Spagnolli will man auf der Sitzung klären, wie die Mehrheitsräte am Donnerstag abstimmen werden. Laut Prognosen von Dieter Steger werde es von der SVP-Fraktion keine Ja-Stimme zum Kaufhaus geben. Er rechnet, wenn überhaupt, mit einigen Enthaltungen. Doch sollte es zu einer geheimen Abstimmung kommen, könnten sich die Kräfteverhältnisse deutlich verschieben und das Abstimmungsergebnis anders ausfallen als es sich letzthin abgezeichnet hatte: Ein offenes Nein könnte zu einem geheimen Ja werden.

Neben PD und SVP trat am Dienstag auch die Fraktionssprecher im Bozner Gemeinderat zusammen. Sozusagen als Ersatz für die noch nicht bestellte Urbanistikkommission befassten sie sich mit dem Beschluss über das Kaufhaus-Projekt. Ebenso wie jene im Stadtviertelrat Zentrum-Bozner Boden-Rentsch besitzt die Abstimmung der Fraktionssprecher keinerlei Bindung. So hat das Ergebnis – 23 Enthaltungen (PD, SVP, Lega Nord, Liste für Spagnolli), 17 Nein und fünf Ja (Teile der Mitte-Rechts-Opposition) – ausschließlich symbolischen Charakter.


Unter Druck, aber nun müssen sie durch

Auf der Sitzung der Fraktionssprecher wurde darüber hinaus die Marschroute für die Abstimmung im Gemeinderat festgelegt. Bevor es am Mittwoch zur Debatte kommt, werden zwei Rechtsanwälte die Räte über rechtliche Aspekte aufklären. Denn es seien in letzter Zeit vermehrt Unsicherheiten, vor allem bei neu gewählten Gemeinderäten, aufgetaucht, berichtete Ratspräsident Luis Walcher. Viele sorgen sich um rechtliche Konsequenzen, die bei einem Votum für oder gegen das Kaufhaus-Projekt auf sie persönlich zukommen könnten. Gerüchte von möglichen Schadenersatzzahlungen machen die Runde. Außerdem klagt vor allem die SVP, dass der Druck auf die Gemeinderäte in letzter Zeit massiv gewesen sei. Dieter Steger dazu im Alto Adige: “Dass einige Gemeinderäte Angst haben, bei einem Nein persönlich zur Rechenschaft gezogen werden zu können beweist: Die Gesetzeslage ist komplett abwegig. Denn die Gewählten werden einem übermäßigem Druck vonseiten Privater ausgesetzt.” Aus diesem Grund hatte die Lega Nord einen Antrag gestellt, um die Situation zu klären und Zweifel auszuräumen.

Nach dem juristischen Teil wird schließlich die Debatte beginnen. Bis 23.55 Uhr soll am Mittwoch diskutiert werden. Am Donnerstag tritt der Gemeinderat erneut zusammen. Dann wird die Abstimmung durchgeführt und eine endgültige Entscheidung getroffen werden. Hartnäckig hielten sich dieser Tage die Gerüchte, dass es zu einer erneuten Verzögerung kommen könnte. Angeblich habe es Pläne gegeben, doch noch eine Volksbefragung zum Kaufhaus-Projekt durchzuführen. Alles Quatsch, so die Reaktionen. Sowohl Bürgermeister Spagnolli als auch sein Vize Ladinser schließen eine Befragung aus. “Dafür ist es zu spät. An den aufgetauchten Gerüchten ist überhaupt nichts dran.” Anfang Juni wäre es noch möglich gewesen, die Bevölkerung zu befragen. Nun allerdings sei die Zeit abgelaufen. Dies bestätigt auch Heinz Peter Hager. Die Frist der 30 Tage ab der Stichwahl, innerhalb der die Entscheidung zum Projekt fallen müsse, laufe am 25. Juli ab. Gesetzlich sei eine Verschiebung gar nicht möglich, so Hager. Er rechnet damit, dass bei einem positiven Ergebnis am Donnerstag bereits im Frühjahr 2016 mit den Bauarbeiten begonnen werden kann.

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gorgias Di., 21.07.2015 - 09:10

Dass die siebte SVP-Gemeinderätin, Anna Pitarelli, für das Kaufhaus stimmen wird, daran dürfte es kaum Zweifel geben.

Wurde Pitarelli nicht für drei Jahre von der Partei ausgeschlossen.

Di., 21.07.2015 - 09:10 Permalink
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Bernhard Oberrauch Di., 21.07.2015 - 14:02

Anmerkung: nach der Ängstebeseitigung kommt die Gretchenfrage > retten wir das Projekt Benko oder die Stadtregierung;
schon die Fragestellung selbst beinhaltet ein Ungleichgewicht 
- zwischen der Bewahrung der demokratischen Befugnisse der Gemeinderäte
- und der Lobbykraft eines Investors.
Dem Gemeinderat  selbst bleibt die große Verantwortung einer Abstimmung, die richtungsweisend für die Bewahrung öffentlicher Interessen und Zielsetzungen sein sollte. 

Di., 21.07.2015 - 14:02 Permalink