Società | Betreuung

Abwechslung im Grünen

Die Genossenschaft der Südtiroler Bäuerinnen bringt Menschen mit Unterstützungsbedarf aufs Land. Für Senior:innen eine Möglichkeit, in der Natur die Sinne zu stärken.
seniorin_im_garten.jpg
Foto: Andreas Trenker / SGmBlwl / Maria Mair
Die Südtiroler Bäuerinnenorganisation bietet mit der Sozialgenossenschaft „Mit Bäuerinnen lernen – wachsen – leben“ verschiedene Betreuungsformen auf dem Bauernhof an. Die Zielgruppen sind dabei Kinder, Menschen mit Unterstützungsbedarf und Senior:innen. Die Präsidentin der Genossenschaft ist Landesrätin Maria Hochgruber Kuenzer und damit eine Person aus der Südtiroler Spitzenpolitik.
Es gibt sicher viele alte Menschen, denen es guttun würde, ein oder zwei Tage die Woche woanders draußen in einem Garten zu verbringen.
Der Dienst der Senior:innenbetreuung wird seit 2014 vor allem in den Sommermonaten genutzt und erhält Gelder vom Land. Die Betroffenen selbst tragen mit 11 Euro pro Stunde zu den Kosten bei. Das Gesetz zur sozialen Landwirtschaft ermöglicht einem landwirtschaftlichen Betrieb, soziale Dienste wie die Senior:innenbetreuung, Schulbesuche auf dem Bauernhof oder einen Tagesmutterdienst anzubieten. Es können aber auch Personen mit einer geeigneten Wohnung im ländlichen Gebiet Menschen betreuen.
 
 

Einblick in die Betreuung

 
Eine davon ist Christine Meraner, die von Oktober bis April einen 87-jährigen Senior mit leichter Demenz aus Bozen zweimal wöchentlich für einige Stunden auf ihrem Hof in Eppan betreut. Es macht den beiden Spaß, gemeinsam Zeit zu verbringen, Karten zu spielen und in der Umgebung zu Fuß oder mit dem Auto unterwegs zu sein. „Früher habe ich viel Sport gemacht, Tennis, Schwimmen und Skifahren“, erzählt der ehemalige Vertreter für Badeeinrichtungen. Jetzt steht ein Heimrad in der Wohnung von ihm und seiner Frau. „Ich habe es schön gehabt und wurde überall verwöhnt“, sagt der humorvolle Senior. Ein leckeres Mittagessen und einen Quittenkompott vor dem Abschied macht ihm Christine Meraner auch.
Es geht aber auch um Einfühlungsvermögen und ums Beobachten. Wie reagiert er? Was braucht er?
„Männer sind pflegeleichter wie Frauen, weil die Generation von Männer, die ich jetzt pflege, sind gewohnt von der Arbeit nach Hause zu kommen und der Tisch ist gedeckt, die Wäsche gemacht. Die Frauen sind gewohnt, den Haushalt zu machen, das können sie im Alter nicht so leicht ändern und ablegen“, sagt Meraner. Sie hat die Ausbildung besucht, nachdem ihre Kinder erwachsen geworden sind. „Ich habe eine Herausforderung gesucht und mich gefragt, wo ich meine Stärken habe, was ich jetzt machen könnte“, erklärt die 60-jährige Eppanerin.
 
 
Christine Meraner hat bereits Familienangehörige im hohen Alter betreut und kennt die Aufgaben gut. „Es ist eine verantwortungsvolle Tätigkeit, auch was die Sicherheit betrifft“, so Meraner. In der Ausbildung zählt daher neben den Krankheiten im Alter unter anderem die Arbeitssicherheit zu den Lehrinhalten. „Es geht aber auch um Einfühlungsvermögen und ums Beobachten. Wie reagiert er? Was braucht er?“
 

Zeit für Abwechslung

 
„Bei unserem Betreuungsdienst kommen die Menschen auf einen schönen, gesunden Platz in der frischen Luft, wo sie den Alltag der Familie miterleben“, erklärt Gudrun Brugger, die Koordinatorin bei der Fachstelle Soziale Landwirtschaft der Sozialgenossenschaft.
„Die Betreuung ist keine Arbeitsintegration, alle haben einen Unterstützungsbedarf, aber sie sollen nicht passiv betreut werden, sondern die Person erhält kleine Aufgaben, die den eigenen Interessen entsprechen. Da haben wir unzählige Beispiele, etwa eine Demenzkranke, die beim Brotbacken hilft und sich dabei an ihre Kindheit erinnert oder der Umgang mit Samen für jene, die Schwierigkeiten mit der Feinmotorik haben“, sagt Brugger. „Es geht darum, zielgerichtet die Fähigkeiten der Person zu stärken und sie in die Familie auf dem Bauernhof zu integrieren.“
 

Ausbildung

 
Interessent:innen, die noch keine Ausbildung in sozialen oder Pflegeberufen haben, absolvieren als Vorbereitung einen Lehrgang. Der Lehrgang startet einmal jährlich abwechselnd an verschiedenen Fachschulen in Südtirol und umfasst 120 Stunden Theorie und 50 Stunden Praktikum, beispielsweise in einem Altersheim. Dieses Jahr beginnt er im November in der Fachschule Haslach in Bozen. „Unser Ziel ist es, in Südtirol ein möglichst flächendeckendes Angebot aufzustellen. Unsere Anbieter:innen sind renten- und krankenversichert und erhalten monatlich einen Lohn“, so Gudrun Brugger und ihre Kollegin Sarah Graus.
 

Hoher Bedarf

 
„Wir machen keine Werbung. Wenn sich viele melden würden, könnten wir es nicht abdecken“, so Graus. „Es gibt sicher viele alte Menschen, denen es guttun würde, ein oder zwei Tage die Woche woanders draußen in einem Garten zu verbringen“, sagt Graus.
 
 
„Die sozialen Dienste sind grundsätzlich zu niedrig bewertet, das betrifft das Finanzielle, aber auch das Ansehen“, so Brugger. „Unsere Betreuer:innen machen zum Teil echt einen Knochenjob. Wenn ich einen Senior betreue, der an einer Demenz erkrankt ist, dann ist das keine leichte Arbeit. Auch für die betreute Person selbst und seine Familie ist es eine schwierige Situation. Die Familienangehörigen sind sehr froh, wenn sie entlastet werden“, erklärt Brugger.
Senior:innen können ab dem Alter von 65 Jahren bis zur zweiten Pflegestufe das Betreuungsangebot auf dem Bauernhof in Anspruch nehmen. Über die zweite Pflegestufe hinaus braucht es ein Gutachten der Hauskrankenpflege, die die betroffene Person als geeignet befindet. In diesem Fall muss die Betreuungsperson aber zusätzlich über eine Ausbildung in der Krankenpflege verfügen.