Gelbe Karte
Richard Burchia bittet um Verständnis. „Wir haben eine Disziplinarstrafe verhängt, das stimmt“, sagt der Präsident der Südtiroler Berufskammer der Wirtschaftsprüfer und Steuerberater. Burchia will aber nicht ins Detail gehen: „Der Betroffene hat Berufung eingelegt und deshalb ist das Verfahren noch nicht abgeschlossen.“
Der Betroffene ist der Brunecker Wirtschaftsberater Franz Pircher. Der langjährige Aufsichtsratspräsident der SEL AG ist bekanntlich über die sogenannte Stein-an-Stein-Affäre gestolpert. Pircher wurde in einem verkürzten Verfahren im Oktober 2013 wegen Betruges zu einem Jahr und acht Monaten verurteilt. Ende September 2014 bestätigte das Berufungsgericht das Urteil. Das Strafmaß wurde dabei um zwei Monate herabgesetzt. Franz Pircher hat gegen das Urteil Rekurs beim Kassationsgericht eingelegt.
Was bisher nicht bekannt ist: Tätig wurde nicht nur die ordentliche Gerichtsbarkeit, sondern auch die Berufskammer der Wirtschaftsprüfer und Steuerberater. Eine der Aufgaben des Kammerausschusses ist die Kontrolle der Einhaltung der deontologischen Regeln. Werden Wirtschafts- oder Steuerberater gerichtlich verurteilt, geht der Ausschuss - seit der Reform jetzt ein eigener Disziplinarrat - vor allem einer Frage nach: Hat das Verhalten des Verurteilten das Ansehen der Berufskammer geschädigt?
Bei Franz Pircher ging die Südtiroler Kammer streng nach den eigenen Standards vor. Wird gegen einen Rechnungsprüfer oder Steuerberater ermittelt und erhält der Betroffene einen Ermittlungsbescheid, dann eröffnet die Kammer ein Disziplinarverfahren. Das Verfahren wird danach umgehend ausgesetzt. Bis es zu einem endgültigen Gerichtsurteil kommt.
Auch bei Franz Pircher war es so. Nachdem das Berufungsgericht das Urteil gegen den Pusterer Wirtschaftsberater bestätigt hat, wurde der Kammerausschuss aber umgehend aktiv. Das Argument: Die Kassation entscheidet nicht mehr in meritum, sondern nur mehr formal. Das heißt: Spätestens nach der Berufungsverhandlung liegen alle Fakten auf dem Tisch.
Der Kammerausschuss holte sich die Prozessakten und hörte Franz Pircher im Beisein seines Anwaltes an. Der Wirtschaftsberater beteuerte dabei seine Unschuld. Doch der Kammerausschuss war anderer Meinung. Im November 2014 entschied das höchste Organ der Berufskammer mit breiter Mehrheit, dass Franz Pirchers Verhalten „ethisch nicht einwandfrei“ gewesen sei und er dadurch das „Image des Wirtschaftsberaters und der Kammer geschädigt habe“.
Die Strafe: Franz Pircher wird für sechs Monate aus dem Berufsalbum der Wirtschaftsprüfer und Steuerberater suspendiert. Die Disziplinarmaßnahme ist aber noch nicht rechtskräftig. Denn Pircher hat gegen dieses Urteil Berufung eingelegt. Jetzt muss sich der nationale Kammerausschuss mit dem Fall befassen.
Wird die Suspendierung in Rom bestätigt, kommt eine Art halbjährige Zwangspause auf Franz Pircher zu. Eine Sanktion, die sich im normalen täglichen Geschäftsleben leicht umgehen lässt. Die meisten Wirtschafts- und Steuerberater arbeiten in Sozietäten. Damit arbeitet der Bestrafte einfach sechs Monate im Hintergrund weiter und lässt die Partner offiziell aufscheinen.
Schwieriger wird es aber bei den Aufsichtsratsmandaten. Weil ein Aufsichtsrat nicht einfach sechs Monate pausieren kann, verfällt der Betroffene als Aufsichtsrat und es rückt der Ersatzaufsichtsrat nach.
Franz Pircher bekleidet derzeit eine ganze Reihe solcher Mandate. Der Wirtschaftsberater sitzt im Aufsichtsrat von fast einem Dutzend privater Unternehmen. Pircher bekleidet zudem aber auch noch öffentliche Aufsichtsratsposten. Als Aufsichtsratspräsident der SEL AG und des Wohnbauinstitutes musste er zwar zurücktreten. Dafür ist Franz Pircher aber immer noch Aufsichtsratspräsident der Elektrizitätswerk Toblach AG und der Biogas Wipptal GmbH. Zudem sitzt Pircher auch im Aufsichtsrat der Bozner Ecocenter AG. Er wurde erst im Juni 2013 – trotz des laufenden Gerichtsverfahrens – für weitere drei Jahre bestätigt.
Die Südtiroler Grünen haben bereits im Frühjahr 2014 öffentlich den Rücktritt Pirchers gefordert. Ohne Reaktion. In einer neuen Landtagsanfrage weist Alessandro Urzí jetzt auf die Disziplinarmaßnahme des Kammerausschusses gegen Franz Pircher hin. Urzi will auch wissen, was die öffentliche Hand jetzt zu tun gedenke.
Sicher ist: Bestätigt der nationale Kammerausschuss die Suspendierung Pirchers, braucht die Politik keine Entscheidung mehr zu fällen.
Solchen Typen gehört nicht
Solchen Typen gehört nicht nur die gelbe Karte gezeigt, sondern die rote. Noch besser wäre gewesen, ihn nie in die Mannschaft zu nehmen, nicht mal Reservebank. Es ist aber leider so: Busenfreunde des Kapitäns dürfen spielen, auch wenn sie Fairplay nicht auf die Fahne geschrieben haben, mehr noch: Sie müssen sogar spielen, damit das Spiel nicht schon beim Anpfiff als verloren gilt.