Lehrlingsleben erleichtert
90 Prozent aller in Italien abgeschlossenen Lehrlingsverträge werden in Südtirol unterzeichnet. Ein Fakt, der hinlänglich bekannt und auf den man hierzulande auch stolz ist. Das Südtiroler Modell der dualen Ausbildung – am Arbeitsplatz und im zusätzlichen Unterricht an den Berufsschulen – wird gern vorgezeigt, zuletzt etwa bei einem Treffen zwischen Bildungslandesrat Philipp Achammer und dem Bayrischen Kultusminister Ludwig Spaenle. Der Erfolg der dualen Ausbildung, ist Achammer überzeugt, basiert vor allem auf drei Aspekten: “Aus bildungspolitischer Sicht hat sich gezeigt, dass es dadurch weniger Fälle von Schulabbruch gibt. Aus arbeitspolitischer Sicht kann festgestellt werden, dass die Arbeitslosenzahlen, insbesondere jene der Jugend, in Südtirol bedeutend geringer sind als in anderen Provinzen und Regionen. Aus wirtschaftspolitischer Sicht schließlich stellt gerade das Handwerk eine wichtige Säule der heimischen Wirtschaft dar”, so der Bildungslandesrat am Dienstag Mittag. Achammer nutzte die allwöchentliche Medienkonferenz im Anschluss an die Sitzung der Landesregierung, um den Gesetzentwurf für die neue Lehrlingsordnung vorzustellen. Die Landesregierung hat die Ordnung nämlich an die im vergangenen Jahr in Rom verabschiedete Arbeitsmarktreform, den so genannten “Jobs Act”, angepasst.
Mit dem Gesetzentwurf wird das Ziel verfolgt, das Südtiroler Erfolgsmodell der traditionellen Lehre, also die duale Ausbildung, zu bewahren und weiterzuentwickeln und gleichzeitig die neuen Möglichkeiten der staatlichen Reform in das Landesgesetz einzubauen.
(Philipp Achammer)
Auf insgesamt “vier positive Punkte”, die die Landesregierung in Rom erreicht habe, ging Landesrat Achammer dabei genauer ein. In Zukunft wird es möglich sein, über den Lehrvertrag durchgängig zur Matura zu gelangen. Die bisherige Regelung sah vor, dass nach dem Abschluss des 4. Lehrjahres ein 5. Jahr in Vollzeit besucht werden musste, um die Maturaprüfung abzulegen. Keine attraktive Regelung für jemanden, der bereits vier Jahre mit einem Bein im Berufsleben gestanden hat. Daher soll nun die Möglichkeit geschaffen werden, sich nach vier Jahren Lehre über einen zweijährigen Lehrvertrag berufsbegleitend auf die Matura vorzubereiten. Konkret bedeutet das, in sechs Jahren über die Lehre zur Matura zu gelangen. “Denn”, so Achammer, “es soll kein Ausbildungsweg versperrt bleiben”.
Die Landesregierung will auch den immer noch grassierenden Abbruch der Lehre nach drei oder vier Jahren eindämmen. Dazu wird die Möglichkeit geschaffen, die Lehrzeit eines Auszubildenden um bis zu ein Jahr zu verlängern, sollte dieser am Ende der drei- beziehungsweise vierjährigen Lehrzeit die Berufsschule noch nicht abgeschlossen oder die Lehrabschlussprüfung noch nicht absolviert haben. Ein weiterer neuer Aspekt ist “besonders für das Gastgewerbe von Interesse”, erklärt Achammer. Denn in der neuen Lehrlingsordnung ist die Wiedereinführung der Saisonlehre vorgesehen. In Südtirol werden rund 85 Prozent der Köche und Servierfachkräfte über einen saisonalen Lehrvertrag ausgebildet. Seit 2012 war diese Möglichkeit der Ausbildung in der italienischen Gesetzgebung nicht mehr vorgesehen. Nun soll die Möglichkeit über die Saison- und Teilzeitlehre per Landesgesetz wieder verankert werden. Und schließlich hat man im Gesetzentwurf auch einen Abbau von bürokratischen Hürden vorgesehen.