Economy | Banken

Besuch der alten Dame

Eine über 70jährige Kundin hat jetzt ein Verfahren gegen die Sparkasse wegen der Kapitalerhöhung 2008 gewonnen. Sie bekommt 400.000 Euro.
urteil
Foto: upi
Ein Ungemach kommt selten allein.
Am Mittwoch geht vor dem Bozner Landesgericht mit rund zweijähriger Verspätung die Vorverhandlung im Strafverfahren gegen die ehemalige Sparkassenspitze über die Bühne. Ein zentraler Punkt dabei ist die Kapitalerhöhung 2012. Die Staatsanwaltschaft und die Nebenkläger gehen davon aus, dass beim Verkauf der Aktien einiges nicht mit rechten Dingen zugegangen sei. Deshalb laut einer der Anklagepunkte gegen Norbert Plattner & Co auch auf erschwerten Betrug.
Gleichzeitig aber holt die Sparkasse eine noch weiter zurücklegende Vergangenheit ein. Es geht dabei um die Kapitalerhöhung 2008 und die laufenden Zivilklagen vor dem Bozner Landesgericht. Bereits 2017 haben die Anwälte Massimo Cerniglia und Alessandro Caponni für Dutzende Aktionäre beim Landesgericht Bozen Klagen gegen die Sparkasse eingebracht.
Die Verbraucherschutzanwälte haben dabei am Bozner Landesgericht eine ganze Reihe von Verfahren gegen die Sparkasse gewonnen. Die Bank wurde zur Zahlung von Schadenersatz bzw. zur Rückerstattung der in Aktien investierten Summen verdonnert. Vor einigen Monaten hat Salto.bz exklusiv über einen Fall berichtet, bei dem die Sparkasse rund 5 Millionen Euro verloren hat.
Jetzt gibt es einen neuen Fall: Eine über 70jährige Südtirolerin hatte 2008 nach dem Tod ihres Mannes, die gesamte Abfertigung ihres verstorbenen Partners in Sparkassenaktien investiert. Sie beteiligte sich an der Kapitalerhöhung 2008 und kaufte um 350.000 Euro Sparkassenaktien. Allein diese Aktion ist nach den Bestimmungen der Börsenaufsicht nicht machbar. Denn eine Anlegerin kann und darf nicht ihre gesamten Ersparnisse in einen Titel investieren.
2017 klagte die Witwe gegen die Bank. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie rund 70 Prozent der angelegten Gelder verloren. Die Verteidigungslinie der Bank war dabei jene, die man in allen diesen Verfahren anwendet: Die Anwälte der Sparkasse gehen davon aus, dass ein mögliches Fehlverhalten der Bank längst verjährt sei.
 
 
 
Das Bozner Landesgericht folgte aber der These der Verbraucherschützer. Richter Alex Tarneller hat im Urteil vom 25. Februar 2020 die Klage der Aktionärin vollinhaltlich angenommen und der Klägerin 339.040 Euro zugesprochen. Zuzüglich Zinsen und Verfahrensspesen wird die Bank über 400.000 Euro zahlen müssen. „La banca ha effettuato una consulenza per l’operazione incompleta e carente, consentendo così alla risparmiatrice di investire tutti i suoi risparmi in modo non responsabile”, heißt es im Urteil.
Man kann davon ausgehen, dass die Sparkasse – wie in allen Fällen – gegen dieses Urteil berufen wird. Denn die Taktik aller Banken ist klar: Man hofft darauf, dass den Klägern der Atem ausgeht.
Dabei wird es für die Südtiroler Banken – auch die Volksbank - immer enger. Denn es gibt inzwischen am Bozner Landesgericht rund ein Dutzend fast gleichlautender Urteile von verschiedenen Richtern und Richterinnen, die den Sparen Recht geben. So hat die Sparkasse allein im Februar insgesamt vier solcher Verfahren verloren.
Das heißt aber, dass sich eine Rechtsauffassung am Landesgericht durchgesetzt hat, die für die Sparkasse immer gefährlicher wird. Die Verbraucherzentrale Südtirol hat 2017 rund 300 Fälle zur Anzeige gebracht. Nach Informationen von Salto.bz gibt es seit Monaten intensive Verhandlungen zwischen der Sparkasse und den Verbraucherschützern diese Fälle in ausgerichtlichen Vergleichen beizulegen.
Denn eines ist beiden Seiten klar. Der Schneeball wird immer größer und könnte schon bald zur Lawine werden. „Wir haben über 1.500 Nachfragen bekommen“, sagt Walter Andreaus vom neuen Südtiroler Aktionärsverband.
Kommt diese Klagewelle wirklich auf die Sparkasse zu, dann wird es haarig. Deshalb spricht man offiziell in der Bank immer noch von „Einzelfällen“, die man nicht verallgemeinern kann.
Und man will vor allem nicht, dass diese Urteile bekannt werden.

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