Weltausstellung in Verzug
Einen Monat vor Eröffnung der Weltausstellung in Mailand steht eines mit Sicherheit fest: die Arbeiten können nicht fristgerecht abgeschlossen werden. In 74 Prozent aller Pavillons herrscht hektische Tätigkeit. Der fünfstöckige Palazzo Italia, das Kernstück der Expo, ist ein staubige Baustelle. Überall montieren Heerscharen von Arbeitern in Tag-und Nachtschichten Stahl- und Holzskelette, ziehen Betonwände hoch oder arbeiten an den architektonisch komplizierten Verkleidungen vieler Pavillons. Baumaschinen rattern in Staubwolken über unasphaltierte Straßen und unfertige Parkplätze. 6000 Arbeiter versuchen rund um die Uhr, auf Italiens größter Baustelle zu retten, was gerettet werden kann.
Im Juli des Vorjahres sollten die Arbeiten abgeschlossen sein. Doch fast genau sieben Jahre nach der Vergabe der Großveranstaltung bemüht man sich fieberhaft um Schadensbegrenzung. Die Hälfte der zur Verfügung stehenden Zeit wurde für das Postengerangel und die Machtkämpfe zwischen der Lombardei, der Stadt Mailand, der Provinz und den Parteien vergeudet, für die Ernennung der Verantwortlichen, die mehrmals ersetzt wurden. Die Vergabe von Bauarbeiten am mafiaverdächtige Unternehmen, die Festnahme korruptionsverdächtiger Bauleiter und Direktoren trug ein Übriges zur Verzögerung bei.
Vor allem im Südteil des 13.000 Quadratmeter großen Palazzo Italia werden die Arbeiten zu einem dramatischen Wettlauf gegen die Zeit. Wie immer wird die italienische Improvisationskunst die Situation so kaschieren können, daß sie den Besuchern nicht unangenehm auffällt. "Sono fiducioso su quello che saremo in grado di completare", äußert sich Expo-Kommissar Giuseppe Sala etwas sibyllinisch.
Die Gastgeber stehen mit ihren Verzögerungen freilich nicht alleine da. Nur zwei der 54 ausländischen Pavillons sind bereits fertiggestellt. Neben Holland, das sich erst im Dezember zur Teilnahme entschlosen hat, sind die Türkei, Nepal, Ecuador, Polen, Rumänen und Rußland erheblich in Verzug. Die schnellsten im Ausstellerfeld waren die Tschechen, die in nur dreimonatiger Bauzeit einen gefälligen und umweltverträglichen Pavillon der Architekten Chybik und Kristof fertigstellten.
Tschechischer Pavillon
Acht Millionen Eintrittskarten wurden für die große Welternährungsshow mit ihrer verwegenen Architektur bereits verkauft. Insgesamt wird mit über 20 Millionen Besuchern gerechnet. Die Verzögerung der Arbeiten ist freilich nicht die einzige Sorge der Veranstalter.
"Milano 2015 come Genova 2001"
Globalisierungsgegner aller Couleurs rufen bereits jetzt im Internet dazu auf, in Mailand das zu wiederholen, was 2001 in Genua gelungen war - die Stadt in ein "antikapitalistisches Schlachtfeld" zu verwandeln - so wie unlängst bei der Eröffnung des neues EZB-Hochhauses in Frankfurt.
Ein riesiges Polizeiaufgebot soll die Eröffnungszeremonie schützen, 500 Kameras und Dronen das Gelände überwachen. 1300 Polizisten, 700 Carabinieri und 600 Soldaten werden aufgeboten. Die Kosten für die Sicherheit belaufen sich auf 7,2 Millionen Euro.
Heiliges Jahr - zweite Großveranstaltung in Rom
Doch Mailand ist in diesem Jahr nicht der einzige Brennpunkt. Das vom Papst überraschend ausgerufene, außerordentliche Heilige
Jahr bereitet den Anti-Terror Strategen fast noch größere Sorgen. Insgesamt rund 25 Millionen Gläubige werden in Rom erwartet - eine ideale Kulisse für potentielle Terroristen aus dem weiten Archipel islamischer Fanatiker. Sicherheitsexperten halten diesen zweiten Schauplatz für gefährlicher. Denn die Expo in Mailand hat nur vier gut kontrollierte Eingänge. In Rom, wo sich Pilgergruppen in der ganzen Stadt bewegen, ist die Gefahr ungleich größer. Die zwei sehr unterschiedlichen Großereignisse in Mailand und Rom sollen 45 Millionen Besucher anlocken - die Touristenzahl eines Jahres in ganz Italien. Für Fremdenverkehrsbetriebe ein Traum, für die Sicherheitsbehörden ein Albtraum.