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"Dagegen wehren wir uns"

54 Masterstudenten wollen "die in der Öffentlichkeit stattgefundene Disqualifizierung und negative Meinungsbildung nicht kommentarlos" über sich ergehen lassen.
Foto: (c) unibz

In einem offenen Brief wenden sich 54 Masterstudenten der Fakultät für Bildungswissenschaften in Brixen an Philipp Achammer. Sie fühlen sich durch den Bildungslandesrat und dessen Äußerungen zur universitären Ausbildung verunglimpft: “Wir wehren uns gegen undifferenzierte, rufschädigende Aussagen”, so die Studenten. Im Folgenden der gesamte Wortlaut ihres Schreibens:

“Die Medienberichterstattung der vergangenen Tage bezieht sich auf Anwärter des universitären Berufsbildungskurses (UBK), die ihre Ausbildung nicht aktiviert sahen und somit auf die Barrikaden gingen. Scharfe Kritik erfährt jedoch nun unsere fünfjährige Ausbildung zu Lehrer/innen der Grundschule und Kindergärtner/innen: wir, das sind 54 der Absolventen des Masterprogrammes, also die Mehrheit. Wir möchten die in der Öffentlichkeit stattgefundene Disqualifizierung und negative Meinungsbildung nicht kommentarlos über uns ergehen lassen.

Die Note „ungenügend“ und obendrein eine drohende Warnung gab es letzthin nicht nur für die einjährigen Zusatzkurse für Mittel- und Oberschullehrer, sondern auch für den einstufigen, fünfjährigen Masterstudiengang Bildungswissenschaften für den Primarbereich der Fakultät für Bildungswissenschaften der Freien Universität Bozen. Der Landesrat für deutsche Bildung, Kultur und Integration sowie die Südtiroler Hochschülerinnenschaft kritisieren den vermeintlich mangelnden Praxisbezug, den geringen Arbeitsaufwand der Studierenden und die fehlende Qualität der Lehrerausbildung in allen Bereichen.

Damit werden die ersten Absolventen des neuen Masterstudienganges genauso disqualifiziert, wie der Studiengang und die Fakultät selbst!
Es ist sicher nicht alles Gold, was am hochmodernen Gebäude in der Regensburgerallee glänzt, jedoch auch nicht alles Schwachsinn, was die landläufige Meinungsbildung von Presse u.a. ist. Die Fakultät, ihre Professoren und viele ihrer Studenten sind bemüht. Keiner leugnet die Entwicklungsaufgaben, die sich die Universität im organisatorischen Bereich zu stellen hat. Aber welche Fakultät dieser Welt ist perfekt? Welche Universität außerhalb Südtirols soll dieser individuell gestalteten Bildungslandschaft Südtirols näherkommen, als die unsere?

Der „Rahmen fürs Lernen“, der 2009 durch die Rahmenrichtlinien des Landes für die Festlegung der Curricula für die Grund- und Mittelschule an den autonomen deutschsprachigen Schulen in Südtirol geschaffen wurde, ist ein selbstverständlicher Ausbildungsteil der Fakultät. Unsere Innsbrucker Lehramtskollegen können davon nur träumen, über die organisatorischen, fachlichen und fächerübergreifenden Richtlinien des Schulbetriebes des Landes Südtirol so im Detail zu kennen und diese auch so zu „leben“, wie wir es an der Fakultät zu tun pflegen.

Von Anbeginn wirkten in unserem Studium Theorie und Praxis zusammen. Sie sind nicht unabhängig voneinander, sondern bedingen und beeinflussen sich wechselseitig: Theorie und Praxis sind aufeinander angewiesen. Sein professionell pädagogisches Handeln kann nur derjenige begründen, der das entsprechende Fachwissen dafür besitzt. Dafür sieht das Studium Fachvorlesungen vor. Für die Verknüpfung beider, sowohl der Theorie als auch der Praxis, müssen wir fachdidaktische Vorlesungen und Laboratorien besuchen sowie Praktika in den Institutionen absolvieren, die unter sehr genauer Begleitung von Praktikumsverantwortlichen der Universität und Tutoren an den Schulen und Kindergärten stehen. Werden die nötigen Ausgangskompetenzen zum Beruf in diesen Praktika nicht erreicht, wird dem Studierenden das Beenden des Studiums verwehrt.
Zahlreiche Laboratorien ermöglichen uns praktisches Arbeiten, das von der Herstellung von Arbeitsmaterialen und Lernumgebungen für den Unterricht, Planung, Durchführung und Reflexion von didaktischen Einheiten, dem Umgang mit Heterogenität, Vielfalt und Interkulturalität, dem Beobachten, Beurteilen und Bewerten bis hin zum Spielen, Bewegen, Singen, Musizieren, ästhetischer Realisierung, Experimentieren usw. reicht. Nicht selten schlüpfen wir in die Rolle der Schüler und simulieren Unterrichtssequenzen nach. Zudem ist die Universitätsbibliothek mit einer eigenen Lernwerkstatt ausgestattet, die es uns allen erlaubt, sich Materialien und Anregungen für die Praxis zu holen, sammeln und später in den Unterricht einzusetzen.

Südtirols neue Grundschullehrer und Kindergärtner studieren stolze fünf Jahre mit sehr viel Einsatz und Arbeitsaufwand, ohne dabei ungerechtfertigt hohe Noten einzukassieren, ja wir müssen sogar drei Sprachnachweise liefern: C1 in der Erstsprache, C1 in der Zweitsprache, B2 in der Drittsprache (angelehnt an den europäischen Referenzrahmen für Sprachen).

Neben der Masterarbeit, zahlreichen Fach- und Seminararbeiten, Lernjournalen, gilt es fünf Praktikumsberichte zu verfassen, die wissenschaftliche Fachliteratur sowie die Praxis gekonnt miteinander zu verknüpfen verlangen. Dazu kommen noch ungezählte schriftliche und mündliche Prüfungen. Zahlreiche Unterrichtssimulationen werden strengstens reflektiert, kontrolliert und bewertet. Die landläufige Meinungsbildung und vor allem jene der Hochschülerschaft hinsichtlich des geringen Arbeitsaufwandes für Studenten an der Fakultät ist falsch.

Vielmehr als solche undifferenzierten, rufschädigenden Aussagen durch das Land zu posaunen, und das nicht nur letzthin, hätte sich das Schulamt inklusive dem Bildungslandesrat den Studiengang genauer unter die Lupe nehmen sollen, um auf das bevorstehende Schuljahr mit den Masterabsolventen gewappnet zu sein.

Seit nunmehr fünf Jahren gibt es unseren Studiengang und dennoch scheint dies beim Schulamt noch nicht angekommen zu sein, da die einzureichenden Formulare für die Aufnahme in den Schuldienst 2016/2017 der „Landesranglisten für das Lehrpersonal“ den Masterstudiengang mit all seinen neuen Eigenschaften und Anforderungen (Deutsch als Zweitsprache, integrierte Englischlehrbefähigung, Regelung für das Switchen zwischen den Ranglisten des Kindergartens und der Schule, Gleichberechtigung der Besoldung zwischen Primarstufen und Sekundarstufenlehrer usw.) gar nicht erst vorgesehen hatten.

Wo bleibt das Engagement des Schulamtes und des zuständigen Landesrates, die dasselbe von der Universität doch so stark einfordern?

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Hartmuth Staffler Fri, 04/01/2016 - 22:14

Diese Stellungnahme ist sprachlich so daneben, dass man nur hoffen kann, dass diese Menschen zunächst einmal die deutsche Sprache korrekt erlernen, bevor sie auf unsere Jugend losgelassen werden.

Fri, 04/01/2016 - 22:14 Permalink
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Herta Abram Fri, 04/01/2016 - 22:41

Liebe Lehrer, die Zeit ist vorbei, in der Menschen aus dem Beklagen des vertrauten Elends einen Gewinn ziehen. Aus resignativer Zufriedenheit entsteht keine Kraft, Neues aufzubauen. Es geht vielmehr um produktive Unzufriedenheit und das Streben nach dem unbekannten Glück. Das Muster ist zu durchbrechen.

Fri, 04/01/2016 - 22:41 Permalink