Die Auferstehung des Matteo Renzi
Es ist ein in dieser Dimension überraschender Erfolg. Und es ist Balsam auf Matteo Renzis Wunden. Nach der folgenschweren Niederlage beim Verfassungsreferendum und seinem Rücktritt als Premier feiert der 42-jährige bei den Vorwahlen des Partito Democratico die Auferstehung und Rückkehr in die politische Szene. Mit 70 Prozent deklassiert er seine Gegner Andrea Orlando (19) und Michele Emiliano (10 %) und kehrt ins Amt des Parteivorsitzenden zurück. Gewiss, die Zahl der Wähler ist merklich gesunken, bleibt aber angesichts der Politikverdrossenheit und der Grabenkämpfe im PD mit fast 2 Millionen beachtlich - auch angesichts des verlängerten Wochenendes.
Hat sich Renzi in den letzten Monaten mit seiner Rolle als Normalbürger nicht abfinden können und sich unzulässig in die Regierungsgeschäfte eingemischt, so stärkt das Wahlergebnis ihm nun den Rücken. Regierungschef Paolo Gentiloni muss nun befürchten, dass ihm Renzi die Rute ins Fenster stellt und rasche Neuwahlen fordert, bei denen er selbst als Spitzenkandidat ins Rennen geht. Damit will er endlich den Schönheitsfehler tilgen, nie selbst vom Volk in sein Regierungsamt gewählt worden zu sein. Denn Renzi hatte 2014 bei den Europawahlen seine Partei erstmals über die 40 Prozent-Marke geführt und zur stärksten Fraktion in Brüssel gemacht, nicht aber im römischen Parlament, wo sie sich weiterhin auf ein Wackelmehrheit stützt.
Die Begleitumstände sind freilich nicht mehr dieselben. Damals war der Bürgermeister von Florenz ein neues, unverbrauchtes Gesicht. Einer, der sich unkonventionell gebärdete und die Verschrottung der alten Politik und ihrer Vertreter versprach. Auf diesen Bonus kann Renzi bei der nächsten Wahl nicht mehr setzen. Die von ihm versprochenen Reformen erwiesen sich häufig als halbherzig oder wurden - wie etwa die Lohngutscheine - von der Regierung zurückgenommen. Die schwere Niederlage bei der von ihm selbst in gewohntem Übereifer propagierten Volksabstimmung zwang ihn schliesslich zum Rücktritt. Dass er dennoch unbeirrt rasche Neuwahlen anpeilt, ist Ausdruck seiner notorischen Selbstgefälligkeit und seines Machtwillens. Damit will er in gewohnter Ungeduld nicht bis zum Ende der Legislatur im kommenden Februar warten. Als möglicher Wahltermin schwebt ihm nun der 5. Oktober vor - unmittelbar nach der deutschen Bundestagswahl.
Von Machtwillen getrieben
Das irritiert Staatspräsident Sergio Mattarella ebenso wie Regierungschef Paolo Gentiloni, der befürchten muss, von Renzi in ähnlicher Weise ausgebootet zu werden wie einst Enrico Letta ("Stai sereno, Enrico".) Um möglichst rasch das nötige neue Wahlrecht durchzupeitschen, will der Sieger der PD-Vorwahlen nun mit dem meistverachteten Gegner direkt verhandeln: der Fünf-Sterne-Bewegung. Ein Treffen mit Luigi Di Maio ist bereits anberaumt. Auch Finanzminister Pier Carlo Padoan und Industrieminister Carlo Calenda fühlen sich durch Renzis forschen Stil und seine ständigen Einmischungen in ihrem Handlungsspielraum eingeengt. Der Ex-Premier dagegen schliesst jede Form der Revanche gegen seine parteiinternen Gegner aus: "Nessuna rivincita, ma un nuovo inizio. Non siamo il partito del capo."
Bleibt abzuwarten, ob Renzi nach den Flügelkämpfen der letzten Monate und dem Auszug der Linken um Bersani und D'Alema in der Lage ist, seiner zerrissenen Partei endlich klare Konturen und eine neue Identität zu geben und die versprochene "Koalition mit den Bürgern" einzugehen.
Das Schicksal der Alitalia steht dabei symbolhaft für den Niedergang Italiens und für den prekären Zustand seiner angeschlagenen Institutionen, Parteien und Gewerkschaften. Das Scheitern des Referendums zur Rettung der Fluggesellschaft markiert gleichzeitig Gentilonis erste politische Niederlage als Regierungschef.
Die endlose Bankenkrise, die ernsten Haushaltsprobleme, der Druck der EU zur Reduzierung des Defizits und der bedrohlich wachsende Migrantenstrom gehören nun zu den vordringlichen Problemen, für die der Partito Democratico brauchbare Lösungsvorschläge liefern muss. Renzi wird gut beraten sein, wenn er seinen unbändigen Machtwillen mässigt und sich in Bescheidenheit übt. Wenn er sich eine qualifizierte Mannschaft zulegt, die weniger einem Clan gleicht als bisher. Bei den Vorwahlen hatte er es mit zwei mässigen Gegnern zu tun: mit dem farblosen Justizminister Andrea Orlando und dem an Selbstüberschätzung leidenden Polterer Michele Emiliano. Um die nächsten Parlamentswahlen zu gewinnen, werden ihm schnoddrige Sprüche nicht genügen. Der Partito Democratico liegt in Umfragen derzeit gleichauf mit der Fünf-Sterne-Bewegung knapp unter der 30 Prozent-Marke. Ohne Koalition ist eine zukünftige Regierung kaum vorstellbar.
Bereits in wenigen Wochen steht mit den Gemeindewahlen vom 11. Juni ein wichtiger Test für die Glaubwürdigkeit der Partei an. Dabei werden rund 10 Millionen Wähler in über tausend Gemeinden an die Urnen gehen. Darunter befinden sich wichtige Regional- und Provinzhauptstädte wie Genua, Palermo, Padua, Parma und Verona. In einigen davon - etwa in der bisher vom PD regierten Grosstadt Genua - steht Renzis Partei nach schweren Zerwürfnissen miserabel und ohne zugkräftigen Kandidaten für das Amt des Bürgermeisters da. Dort und in zahlreichen anderen Gemeinden dürften die Bürger wohl vergeblich auf den versprochenen, schwungvollen Neubeginn warten. Und auf die Wunder, die der alte und neue Vorsitzende in seinen gewohnten rhetorischen Höhenflügen verspricht.
Emmanuel Macron hat Renzi zu seinem Erfolg gratuliert: "Changeous l'Europe avec tous les progressistes." Von ihm könnte sich der Sieger der Vorwahlen im PD einiges abschauen. Um gleichzeitig einzusehen, dass der Franzose in einer anderen Liga spielt.
Renzi spielt in keiner Liga.
Renzi spielt in keiner Liga. Er steht ständig vor seinem Spiegel und fragt sich: Spieglein Spieglein an der Wand, wer ist der Beste im ganzen Land ? Hinter dem Spiegel antwortet Berlusconi mit süffisanter Stimme: du, natürlich Renzo !
Nach Matthias Deutschmann: "Italien steht an einer gefährlichen Kreuzung, von links kommt nichts, aber von rechts ! Demokratie ist, wenn alle richtig wählen dürfen. Was aber wenn die Falschen wählen ? Demokratie ist ja nicht nur die Herrschaft des Volkes, sonder auch die Beherrschung des Volkes. Im besten Falle also die Selbstbeherrschung.
"Die Begleitumstände sind
"Die Begleitumstände sind freilich nicht mehr dieselben. Damals war der Bürgermeister von Florenz ein neues, unverbrauchtes Gesicht. Einer, der sich unkonventionell gebärdete und die Verschrottung der alten Politik und ihrer Vertreter versprach."
Da habe ich aber ein starkes Déjà-vu: da fällt doch einen ohne Zweifel der Berlusconi der späten Neunziger ein. Auch die Manieren und die Art sich den Medien zu stellen ist sehr ähnlich, die damalige IDV von Di Pietro erinnert stark an die 5 Sterne Bewegung von heute und die Linke bleibt zerstritten wie immer, während die Lega ihren neuen Chef anbetet! Eigentlich braucht Renzi nur noch ein Paar TV-Sender und eine Glatze und die Laage wäre identisch!
"Berlsuconismus 2.0" könnte man sagen.