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„Ich mag keine Parteipolitik"

Warum hat die Südtiroler Volkspartei Probleme geeignete Kandidatinnen für ihre Liste zu finden? Ein Gespräch mit einer, die gerade verzichtet hat: der Sprecherin der Allianz für Familie und Tschermser Gemeindereferentin Christa Ladurner.
Auszug aus dem Interview
Foto: (Foto: salto.bz)

Frau Ladurner, am Freitag haben Sie Arno Kompatscher in einem Telefongespräch einen Korb verpasst. Warum das Nein?
Weil ich in meinen Überlegungen zum Schluss gekommen bin, dass ich die Parteipolitik nicht mag, dass diese ganze Welt nicht meine Heimat ist und dass ich lieber weiterhin unabhängig Sachen mache.

Doch die Versuchung war durchaus da?
Ja, absolut. Seit mich Arno Kompatscher vor einer Woche gefragt hat, habe ich mich ganz fest mit dem Thema auseinander gesetzt. Ich bin ein politischer Mensch, und eine Kandidatur hätte mich wirklich extrem gereizt. Vor allem, weil ich der Überzeugung bin, dass es etwas Neues bracht und dass dafür mehr Frauen in der Politik wichtig wären. Deshalb hat mir die Absage schon sehr leid getan, das muss ich ehrlich sagen.

Doch sie ist definitiv?
Das ist sie. Ich bin einfach eher für Sachfragen zu haben und mir gefallen die ganzen Konkurrenzgeschichten in diesem Rennen nicht. Außerdem ist mir ist der Wahlkampf zu teuer – und ich kann es nicht leiden, dass es nur darum geht, wer wie aussieht.

Sie meinen, dass vor allem Frauen in der Politik oft mehr über ihr Aussehen beurteilt werden als für das, was sie sagen?
Das ist einfach so. Ich habe zwei Mal wo gesprochen, und da kam immer die Kleidung, und die Frisur und das Styling zur Sprache. Ich denke, ein Problem ist definitiv, dass Politik immer noch Männersache ist. Da muss man sich als Frau wirklich genau überlegen, ob man sich auf dieses Spiel einlassen will. Und mich ärgert einfach, dass es nicht um Sachpolitik geht, sondern um persönliche Profilierung und was weiß ich noch alles. Gerade in der Südtiroler Volkspartei habe ich auch das Gefühl, dass das Bezirksdenken und das Ständedenken wichtiger sind, als das, was man tut und wofür man steht. Ich weiß nicht, ob das in anderen Parteien besser ist, aber das finde ich einfach arg.

Sie sind aber immerhin 2010 für die Südtiroler Volkspartei in Ihrem Heimatort Tschmers zu den Gemeinderatswahlen angetreten?
Ja, ich bin bei den letzten Wahlen im Dorf gefragt worden, ob ich kandidieren will, und damals habe ich mir gedacht, warum denn nicht? Hier in Tscherms gibt es auch nur die SVP bzw. damals erstmals auch die Freiheitlichen, aber die kommen für mich absolut nicht in Frage. Ich wurde dann total gut gewählt, obwohl ich eigentlich nie im Dorf bin, und bin dann gleich Gemeindereferentin mit den Zuständigkeiten Familie, Jugend und Senioren geworden. Und dadurch habe ich ziemlich schnell einen Einblick bekommen und mitgekriegt, wie es den Menschen wirklich geht.

Gleichzeitig sind Sie auch Sprecherin der Allianz für Familien und waren unter anderem stark in die Ausarbeitung des Familiengesetzes miteinbezogen. 
In dem Zusammenhang wurde ich schon immer wieder gefragt, ob ich nicht in die Landespolitik einsteigen will. Ich habe aber immer abgelehnt. Ich hätte auch jetzt kaum reagiert, wenn mich nicht Arno Kompatscher gefragt hätte. Mit ihm habe ich beruflich schon öfters zu tun gehabt, vor allem in Zusammenhang mit dem Familiengesetz, und ich habe ihn immer als sehr kompetent und als jemanden erlebt, auf den man sich verlassen kann. Deshalb war ich ernsthaft versucht, Ja zu sagen.

Als einer der wesentlichen Gründe, wieso Frauen so schwer für politische Mandate zu gewinnen sind, wird die Doppelbelastung von Beruf und Familie angeführt. Auch Sie haben Kinder und sind beruflich sehr engagiert. Hat die Frage, wie das alles mit einem Landtagsmandat unter einen Hut zu bekommen ist, keine Rolle bei Ihrer Entscheidung gespielt?
Natürlich hat auch das eine Rolle gespielt, aber eine sehr beschränkte. Meine Hauptfrage war wirklich: Ist dort der richtige Ort für mich, und wird dort so gearbeitet, wie ich es mag. Und meine Arbeitsweise ist nun einmal auf Zusammenarbeit, einen Austausch und die gegenseitige Bereicherung ausgerichtet, und nicht auf Konkurrenzdenken. Den Stil mag ich einfach nicht.

Doch ist der Stil in der Gemeindepolitik so viel anders als im Landtag?
In der Gemeindepolitik bin ich sehr gerne. Hier habe ich meine Bereiche, die total spannend sind, ich sehe genau, wo die Probleme liegen, und kann viel gestalten. Wir sind auch eine sehr kooperative Gruppe im Ausschuss, mit zwei Frauen und drei Männern, die sehr wohlwollend miteinander umgehen. Doch für den Landtag bin ich mir diesbezüglich einfach nicht sicher. Vor allem kann man dort nicht gestalten. Ich kann schon allein das Wort Fraktionszwang nicht hören, genauso wenig wie den Ausdruck Wahlkampf. Obwohl es mir sehr leid tut, den nicht führen zu können. Denn es hätte mich total gereizt, in die verschiedenen Dörfer zu gehen und mich einfach zu präsentieren. So etwas liegt mir einfach, weil ich ganz gerne bei den Leuten bin.

Apropos Wahlkampf: Wie haben denn eigentlich Parteikollegen auf ihre mögliche Kandidatur reagiert?
Da habe ich sehr unterschiedliche Reaktionen gesehen: von jenen, die es wohlwollen betrachten, wenn jemand Neues kommt, bis hin zu anderen, die damit offensichtlich keine Freude hatten, weil ich ihr Feld besetze. Da ist eben wieder dieses Konkurrenzdenken: Es gibt eine beschränkte Zahl von Plätzen für so und so viele Leute, und jeder mehr, bedeutet dann eine Stimme weniger für mich. Ich hätte das ein bisschen sportlicher gesehen. Denn mein Leben hängt nicht von einer Kandidatur oder Nicht-Kandidatur oder davon ab, ob ich gewählt werde oder nicht. Wenn die Leute mich wollen, bin ich ein Angebot, wenn nicht, bin ich eben keines.

Jetzt sind Sie aber nicht wegen der Leute kein Angebot, sondern weil Sie sich selbst aus dem Spiel genommen haben...
Wie gesagt: Ich bin in diesem Spiel einfach nicht zu Hause. Und nicht nur wegen der männlich geprägten Konkurrenz- und Kampfkultur. Ich habe auch das Gefühl, es fehlt in der Politik der Blick auf das Ganze. Mir geht es nicht darum, kleine Detailfragen zu lösen, überall Löcher zu stopfen oder ein bissl zu streichen, wie es überall getan wird.

Sondern?
Mir geht es darum, wie die Sachen zusammenhängen. Wissen Sie, vor meiner Entscheidung habe ich mir vorgestellt, wie das ist, in den Landtag zu gehen und Gesetze zu machen. Doch dann kam gleich der Gedanke: Eigentlich müsste der erste Schritt heißen, zumindest die Hälfte der Gesetze abzuschaffen. Denn wir werden ja alle behandelt, als ob wir blöd wären, wir brauchen mittlerweile Rechtsanwälte um überhaupt zu verstehen, worum es geht. Das ist unglaublich – und das macht die Politik. Während dort früher die Philosophen saßen, sitzen jetzt die Rechtsanwälte in der Politik. Und dann habe ich mich selbst so bildlich gesehen, mit diesen Gesetzen und dann war richtig klar: Nein, das ist es nicht.