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Lehrkrankenhaus Nr. 31

Südtirols Krankenhäuser sind nun Lehrkrankenhäuser einer Salzburger Privatuniversität. Interessant sind die Kosten und Pflichten, die aus dieser Kooperation entstehen.
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Foto: Sabes
Es war ein besonderer Festakt.
Am Dienstag unterzeichneten Landeshauptmann Arno Kompatscher, der Generaldirektor des Südtiroler Sanitätsbetriebes Florian Zerzer und der Rektor der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität Salzburg (PMU), Wolfgang Sperl, sowie dessen Stellvertreter Christian Pirich einen sogenannten Anerkennungsvertrag aller sieben Krankenhäuser des Südtiroler Sanitätsbetriebes. Ab sofort sind Südtirols Spitäler offiziell Lehrkrankenhäuser der Paracelsus Medizinischen Universität Salzburg (PMU).
Um den Bedarf an ärztlichem Personal in Südtirol langfristig abzusichern, brauchen wir einerseits mehr Menschen, die Medizin studieren, aber auch interessante Arbeitsbedingungen, damit Ärztinnen und Ärzte hier längerfristig bleiben. Die Kooperation mit der Paracelsus Medizinischen Universität ist einer von vielen Schritten, mit denen wir dieses Ziel anstreben“, erklärte Landeshauptmann Arno Kompatscher auf der anschließenden Pressekonferenz.
Florian Zerzer, Generaldirektor des Südtiroler Sanitätsbetriebes jubiliert: „Es ist eine große Freude, eine so renommierte und anerkannte Hochschule wie die Paracelsus Medizinischen Privatuniversität im Bereich Lehre und Forschung als Partner zu haben.
Auch PMU-Rektor Wolfgang Sperl schwärmt: „Die Ernennung der SABES zum Lehrkrankenhaus ist ein wesentlicher Meilenstein in der Kooperation zwischen der PMU und Südtirol. Sie hilft, die Ausbildung von künftigen Ärztinnen und Ärzten zu stärken und die Internationalisierung der PMU voranzutreiben.
 
 
Bereits seit April 2021 besteht zwischen dem Südtiroler Sanitätsbetrieb (SABES), dem Land Südtirol sowie der PMU Salzburg ein Kooperationsabkommen. Kern dieses Abkommens ist die Zusammenarbeit bei Forschung und Lehre im Bereich der Humanmedizin und im Besonderen der Studiengang "Humanmedizin" der PMU in Südtirol. Der Anerkennung als Lehrkrankenhäuser vorausgegangen war ein mehrwöchiger Anerkennungsprozess der Südtiroler Spitäler.
Was man beim offiziellen Festakt nicht sagt: Das Abkommen ist vor allem eine lukrative Geschäftsbeziehung für ein Privatunternehmen. Dabei ist allen klar, dass der Deal in Wirklichkeit nur ein Tropfen auf den heißen Stein des Südtiroler Ärztemangels sein kann. Denn der Großteil der Südtiroler Studenten und Studentinnen wird es sich kaum leisten können, an der Salzburger Privatuniversität studieren zu können.
Zudem bindet dieser Vertrag sieben öffentliche Krankenhäuser und die gesamte Forschung des ärztlichen und nichtärztlichen Personals an eine ausländische Institution. Ob das so geht, dürfte rechtlich fraglich sein.
 

Das Land zahlt

 
Die Paracelsus Medizinische Privatuniversität Salzburg (PMU) ist genau zwei Jahrzehnte alt. Sie wurde 2002 gegründet und ist eine von nur zwei privaten Hochschulen in Europa, die ein vollständiges Studium der Humanmedizin anbieten. Geleitet wird die PMU von einer Privatstiftung. Die PMU ist an einer Handvoll Unternehmen beteiligt, die im medizintechnischen Bereich und in der Forschung kommerziell tätig sind.
Die Universität hat zwei Sitze: einen in Salzburg und einen in Nürnberg. Laut Eigendarstellung studieren derzeit „fast 250 Studenten“ an der PMU. Darunter sind auch Südtiroler.
 
 
Noch unter Sanitätslandesrat Thomas Widmann hat das Land ein Abkommen mit der Salzburger Privatuniversität abgeschlossen. Die öffentlich Hand finanziert seit einigen Jahren Studienplätze für Südtiroler Medizinstudenten und - studentinnen in Salzburg. Bisher waren es zehn. Ab dem kommenden Studienjahr 2022/23 sollen es bis zu 25 Studienplätze sein. Es ist ein Maßnahme, „um die ärztliche Versorgung auf lange Sicht zu sichern und gleichzeitig jungen Menschen ein Medizinstudium zu ermöglichen“.
Deshalb ist an die Landesfinanzierung die Auflage geknüpft, dass die Kandidatinnen und Kandidaten innerhalb von zehn Jahren nach Abschluss der Facharztausbildung oder der Ausbildung in Allgemeinmedizin für mindestens vier Jahre im Südtiroler Gesundheitsdienst arbeiten.
Was bisher öffentlich nicht thematisiert wurde, sind die hohen Kosten dieser Ausbildung. Denn ein Semester in Salzburg kostet ab dem Studienjahr 2022/2023 rund 10.000 Euro (19.400 Euro pro Jahr).
Einschließlich der Anmeldegebühr blättert das Land damit pro Student und Studentin in den fünf Jahren des Studiums 98.502 Euro hin.
Es ist ein florierendes Geschäft für die Salzburger Privatuni.
 

Die Lehrkrankenhäuser


Auf der Pressekonferenz am Dienstag wurden Arno Kompatscher und Florian Zerzer die Anerkennungsplaketten der sieben Südtiroler Krankenhäuser als sogenannte „Lehrkrankenhäuser“ verliehen. Es ist die Voraussetzung dafür, dass Studenten und Studentinnen der PMU einen Teil ihrer Ausbildung im Südtiroler Sanitätsbetrieb absolvieren können.
Die Salzburger Privatuni hat bereits 24 solcher Lehrkrankenhäuser: 24 in Österreich, neun in Deutschland und eines in der Schweiz. Mit den sieben Südtiroler Krankenhäusern kommt man jetzt auf 31 Lehrkrankenhäuser. Und man fasst erstmals Fuß in Italien.
Dabei ist dieses Arrangement für die öffentliche Südtiroler Sanität aber auch mit Pflichten verbunden, die man nicht an die große Glocke hängt.
Die Tinte unter dem Abkommen mit der Salzburger PMU war am Dienstag noch nicht trocken, da fasst der Südtiroler Sanitätsbetrieb noch am selben Vormittag einen Beschluss.
Unter dem Titel „Abänderung der betriebsweiten Richtlinie zur Angabe der Affiliation der Autorinnen/Autoren bei Dissemination von Forschungsergebnissen im Südtiroler Sanitätsbetrieb“ wurde eine neue Bestimmung festgelegt, die noch zu einigen Diskussionen führen dürfte.
 
 
 
Unter „Affiliation“ versteht man in der Forschung eine Angliederung oder Zugehörigkeit des Autors/der Autorin zu einer Forschungsorganisationen. Im wissenschaftlichen Betrieb und Wettbewerb ist diese Zuordnung der Forscherinnen und Forscher von zentraler Bedeutung.
Mit dem unscheinbaren Beschluss am Dienstag wurde jetzt die festgelegt, dass ab sofort der „Betriebsaffiliationstext für den Südtiroler Sanitätsbetrieb in englischer Sprache gemäß dem folgenden Format verfasst wird“:
 
Autor/Autorin: Vorname Name
Abteilung, Krankenhaus (SABES-ASDAA), Stadt (auf Italienisch und Deutsch), Italy; Lehrkrankenhaus der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität“
 
Damit kommt es zu einer absurden Konstellation: Die Forschungsarbeit im Südtiroler Sanitätsbetrieb wird mit öffentlichen Mitteln finanziert. Die akademischen Meriten schöpft fortan aber eine private ausländische Einrichtung ab.