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Scherz der Technik?

Der Lauschangriff auf das Landtagsbüro der Südtiroler Freiheit hat nie stattgefunden. Der Mitarbeiter dürfte das Gespräch unbeabsichtigt selbst aufgezeichnet haben.
Landtag
Foto: Werth
Es gibt noch keine offizielle Nachricht. Aber dennoch dürfte der merkwürdige Vorfall im Südtiroler Landtag, der vergangene Woche von Sven Knoll öffentlich gemacht wurde, eine einfachere Erklärung haben als gedacht.
Der Landtagsabgeordnete der Südtiroler Freiheit hatte in einer Presseaussendung einen Vorfall beschrieben und einen ungeheuren Verdacht geäußert.
Sven Knoll schreibt:
 
„Am Mittwoch, den 26. Juni 2019 gegen 12 Uhr mittags rief ein Mitarbeiter des Landtagsklubs der Süd-Tiroler Freiheit vom Büro aus den Landtagsabgeordneten Sven Knoll an. Nach knapp drei Minuten wurde die Telefonverbindung unterbrochen. Der Landtagsabgeordnete Sven Knoll legte daraufhin auf, weil er nichts mehr hörte. Der Mitarbeiter des Klubbüros legte jedoch nicht auf, denn er hörte plötzlich die Wiederholung des Telefongesprächs. Die knapp dreiminütige Wiederholung war zudem nicht nur einmal, sondern ca. 15 Mal ― über eine dreiviertel Stunde lang! ― zu hören. Während dieser Zeit rief der Mitarbeiter mit seinem privaten Mobiltelefon den Landtagsabgeordneten unter derselben Nummer wie vorhin an, damit sich dieser die schier endlosschleifenmäßige Abspielung des soeben stattgefundenen Telefongesprächs selbst anhören konnte. Der Mitarbeiter hat das Geschehene zur Beweisführung filmisch festgehalten und dem Landtag übermittelt.“
 
Sven Knoll und seine Parteikollegin Myriam Atz-Tammerle wollen jetzt in einer Landtagsanfrage wissen, wie es dazu kommen konnte. Wer das Telefonat aufgezeichnet hat und ob die Telefone der Südtiroler Freiheit abgehört werden? „Wenn sich dieser Verdacht bewahrheiten sollte, wäre dies ein ungeheuerlicher Skandal“, sagte Sven Knoll vergangene Woche. Oberstaatsanwalt Giancarlo Bramante dementierte umgehend. Es gebe keinen richterlichen Beschluss zur Abhörung von Landtagsbüros, versicherte Bramante am vergangenen Freitag den Medien.
Dabei dürfte die Geschichte ein Sturm in Wasserglas sein. Denn für den mysteriösen Vorfall gibt es eine mögliche, einfache Erklärung.
 
 
Seit längerem nützt der Landtag ein hochmodernes Kommunikationssystem: Das Programm „XPhone Connect“. Alle Telefone des Landtages laufen über diese Kommunikationssystem, das mit den Computern in jedem Büro verbunden ist. „XPhone“ ermöglicht es nicht nur per Mausklick vom Computer aus zu wählen und zu telefonieren, sondern verwaltet auch alle eingehenden oder ausgehenden Anrufe. So kann man Text- oder Sprachnachrichten verschicken, wenn man nicht im Büro ist oder die Anrufe auf das eigene Handy direkt umleiten.
Unter den unzähligen Dienste und Funktionen, die das Kommunikationsprogramm dabei anbietet, findet sich auch ein intelligentes Voicemail-System, mit dem Anrufe auch auf dem eigenen Dienstcomputer aufgezeichnet werden können.
Und genau das dürfte im Büro der Südtiroler Freiheit passiert sein. Der Fraktionsmitarbeiter dürfte versehentlich die Aufnahmefunktion aktiviert haben und durch einen technischen Fehler könnte die Aufnahme nach mehreren Minuten abgebrochen und danach mehrmals wieder abgespielt worden sein.
Die Techniker des Landtages wollen in den kommenden Tagen die genau Ursache prüfen und dann wird sich zeigen, ob das Ganze ein technisches Missverständnis war oder nicht. 

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Hartmuth Staffler Mon, 07/01/2019 - 12:33

Auch Oberstaatsanwalt Bramante weiß, dass es zwei Arten von Abhörungen gibt. Die mit richterlichen Beschluss angeordneten Abhörungen, die gegebenenfalls vor Gericht als Beweismittel verwendet werden können, und die "informellen" Abhörungen, die nur zur Informationsbeschaffung der Polizei dienen, aber nicht als Beweismittel zugelassen sind. Mit dieser Art von Abhörung muss eigentlich jeder rechnen, der in Südtirol politisch tätig ist und von den Staatsbehörden als potentielle Gefahr eingestuft wird. Mir zum Beispiel ist das Abhören meines Telefons, das mir (vor einigen Jahren, als ich politisch tätig war) von einem Techniker bestätigt wurde, kein Problem, da ich nichts zu verbergen habe.

Mon, 07/01/2019 - 12:33 Permalink
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19 amet Mon, 07/01/2019 - 15:17

Die Wichtigtuer sind nicht so wichtig wie sie es gerne haben möchten. Was sollen
sie schon abhören, bei so einer Partei ? Das gilt auch für restliche rechte Wichtigtuer.

Mon, 07/01/2019 - 15:17 Permalink
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Hartmuth Staffler Mon, 07/01/2019 - 16:17

In reply to by 19 amet

Die Abhörpraxis hat weder mit rechts noch mit links noch mit Wichtigtuer etwas zu tun. Abgehört werden auch die Grünen bzw. wer als links eingestuft wird. Dass es im Grund kein Problem ist, weil man nichts zu verbergen hat, habe ich ja bereits betont. Das Problem liegt mehr auf der anderen Seite: Wenn zu viele Telefone abgehört werden, dann kommt man mit der Auswertung nicht mehr nach. Auch Algorhythmen helfen nicht recht weiter, weil die viel zu oft Fehlalarm geben, so dass man doch wieder alles händisch überprüfen muss. In der DDR hat man alles auf Kassetten aufgenommen, und da die knapp geworden sind, hat man die von Einreisenden mitgenommenen Musikkassetten beschlagnahmt. Wie mit berichtet wurde, sind nicht alle Kassetten dann auch diesem staatssichernden Zweck zugeführt worden, da z.B. die Kastelruther Spatzen bei der Grenzpolizei so beliebt waren, dass sie immer wieder für den privaten Gebrauch auf die Seite geschafft wurden. De gustibus ...

Mon, 07/01/2019 - 16:17 Permalink
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Hartmuth Staffler Mon, 07/01/2019 - 16:57

In reply to by 19 amet

Es gibt im Leben immer Überraschungen. Man muss natürlich bedenken, dass nicht alle laufend abgehört werden. Aus Kapazitätsgründen muss eine Auswahl bzw. Rotation getroffen werden. Es ist also eine Art russisches Roulette - allerdings ohne Gefahr für Leib und Leben. Wer höflich ist, der flicht auch manchmal einen Gruß an den Abhörer bzw. die Abhörerin in sein Gespräch ein, und wer gemein ist, der wechselt unvermittelt die Sprache, z. B. in Kisuaheli oder Afrikaans. Hulle verstaan nie.

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Hartmuth Staffler Tue, 07/02/2019 - 13:25

In reply to by 19 amet

Da ich niemanden hasse, kann ich hier nicht gemeint sein. Ich lehne den italienischen Nationalismus ab, ebenso wie den deutschen (vereint sind sie ja besonders schlimm, wie wir Südtiroler wissen). Ich lehne aber auch Leute ab, die Tirol hassen, und die gibt es auf dieser Seite leider zur Genüge.

Tue, 07/02/2019 - 13:25 Permalink