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FILT-CGIL hat genug von SASA

Die Fahrer des öffentlichen Nahverkehrs in Südtirol müssen sich mit Überstunden, einer viel zu niedrigen Bezahlung und schlechten Arbeitsverhältnissen abgeben.
Note: This article was written in collaboration with the partner and does not necessarily reflect the opinion of the salto.bz editorial team.
CGIL
Foto: CGIL-FILT
Die Direktorin der SASA Petra Piffer meinte vor kurzem, dass ihr 100 Busfahrer fehlen würden. Anita Perkmann, Sekretärin der Kategorie FILT (Fahrer der öffentlichen Verkehrsmittel) der CGIL, klärt auf, warum es zu diesem Mangel gekommen ist. Laut ihr, gehen dem Nahverkehr in Südtirol die Busfahrer verloren.
„Es fehlen allein in der SASA an die 100 Busfahrer, im gesamten Nahverkehr werden es an die 300 Fahrer sein. Seit Jahren werden die Arbeitsbedingungen immer schlechter, bei gleichbleibenden Löhnen und Gehältern.“ erklärt sie. Die hohe Inflation von fast 10% und die enorme Preissteigerung verschärfen die Situation noch. Laut Perkmann haben sich viele einheimische Fahrer mittlerweile umgeschaut und eine andere Arbeit gefunden und viele Fahrer aus anderen Regionen bleiben nur kurze Zeit, da die Lebenserhaltungskosten einfach zu hoch sind.
 
„Das so immer mehr Fahrten ausfallen und der Unmut groß ist, wundert nicht. Es geht zu wie im wilden Westen.“ meint die Sekretärin der Kategorie FILT. „Die Arbeitsbelastungen der Busfahrer im öffentlichen Nahverkehr werden gleichzeitig auch immer grösser. Die Überstunden nehmen horrend zu. Da die Arbeit auf alle arbeitenden Fahrer umverteilt wird, entsteht noch mehr Druck. 10 Stunden Arbeitszeit und 15 Stunden Schichtzeit gehören somit zur Tagesordnung. Keiner kann so noch etwas planen, geschweige sich mit der Familie organisieren. So entsteht ein Teufelskreis, der noch mehr Fahrer dazu bringt zu kündigen. Sie Sommerferien sind zwar noch garantiert, aber zusätzliche Ferien und Freistellungen sind gestrichen. Die SASA bietet 20 Euro pro Tag, sollte ein Fahrer freiwillig seine Ferien auf den Herbst verschieben. So etwas haben wir noch nie gesehen. Die Zustände sind extrem.“
 
Auch die Löhne und Gehälter im Transport lassen laut Perkmann zu wünschen übrig: „Der nationale Kollektivvertrag (KV) wurde zwar erneuert, aber die Lohnerhöhung sind für südtiroler Verhältnisse minimal, da er auf gesamtstaatlicher Ebene gilt. Zudem wird er nicht regelmäßig erneuert: in den letzten 12 Jahren wurde der KV nur einmal verlängert. Wenn man bedenkt, dass eine Verlängerung 3 Jahre dauert, so fehlen den Arbeitern 8 Jahre an Lohnerhöhung und somit jedem Arbeiter im Transportwesen zwischen 240-300 Euro netto.“ erzählt sie.
„Wir haben in der SASA am 14. Juni 2022 ein Übergangabkommen unterzeichnet, welches allen Mitarbeitern monatlich eine Aufbesserung zwischen 55 und 130 Euro bringt. Aber nicht alle Gewerkschaften sind einverstanden. Der KV wurde auch erst kürzlich erneuert, aber eine Lohnerhöhung von 90 Euro brutto in drei Jahren langt für Südtirol bei weitem nicht. Ob das alles reicht, ist allerdings fraglich, denn der Unmut ist enorm groß.  Es braucht einen territorialen Zusatzvertrag, bzw. ein Betriebsabkommen.“
 
Ein Beispiel: ein Busfahrer wird bei der SASA mit zirka 1.250 Euro plus 104 Euro Zweisprachigkeitszulage eingestellt. „Das ist kein würdiges Gehalt, das der Verantwortung gerecht wird, und schon gar nicht für Südtirol.“ Erklärt Perkmann. „Es hat die Fahrer verletzt, als die Direktorin Piffer im Alto Adige geschrieben hat sie würden 2.500 Euro verdienen und ein Anfangsgehalt sei 1.700, da das Anfangsgehalt knapp bei 1.300 Euro liegt und ein Fahrer nach 21 Jahren Dienst um die 1.800 Euro verdient.“
 
Gleichzeitig braucht es Verbesserungen bei den Arbeitsbedingungen, aber die kann man nur umsetzen, wenn ausreichend Personal vorhanden ist, meint Perkmann: „Unsere Forderungen diesbezüglich stoßen bis jetzt bei den Firmen und auch bei SASA allerdings immer auf taube Ohren. Man spielt auf Zeit und die haben wir meines Erachtens nicht mehr. Die Unternehmen und die Unternehmerverbände haben sich zu lange gegen Neuerungen gesträubt. Leisten können sie es sich nicht mehr. Obwohl mit öffentlichen Geldern finanziert, haben sie nichts für die Arbeiter übrig. Das Land lässt sich den Transport einiges kosten, gute zuverlässige Arbeiter könnten da auch gut verdienen, davon sind wir überzeugt.“
 
 
Das größte Problem, meint Perkmann, sind die Arbeitsbedingungen, die vielen Überstunden und die niedrigen Löhne und Gehälter. Während erstere immer schlechter werden, bleiben die Erhöhungen aus.
„Zudem fehlt den Führungskräften im Nahverkehr das Verantwortungsgefühl und das Verständnis für die Bedeutung eines öffentlichen Dienstes und für das Berufsbild des Busfahrers.“ klagt sie. „Die Busfahrer leisten einen Dienst an der Allgemeinheit. Sie tragen Verantwortung, transportieren Menschen und garantieren das Recht auf freie Fortbewegung. Sie sind mit dem „öffentlichen Dienste Beauftragte“ und verdienen Respekt und Wertschätzung. Behandelt werden sie aber wie bei einer Art von "moderner Sklaverei" und ausgequetscht wie Zitronen.“
 
Perkmann und die Gewerkschaft verlangen, dass von Seiten des Landes ein klares Zeichen gesetzt wird. „Entweder der Nahverkehr ist nachhaltig, dann muss er auch sozial vertretbar sein, ansonsten sprechen wir von Ausnutzung und die ist nicht nachhaltig.“ sagt sie. „Von Familienfreundlichkeit reden wir erst gar nicht. Die Busfahrer haben nicht mal Recht auf ein ganzes freies Wochenende pro Monat. Nur um eines zu nennen. Das kann und darf es 2021 wirklich nicht mehr geben.“
 
Für die Gewerkschaft braucht es grundsätzlich zwei Dinge: Zum einen ein Umdenken in den Betrieben und besonders neue Führungskräfte. „Die bisherigen haben ausgedient, ihnen fehlt das Feingefühl.“ bemerkt Perkmann. „Abkassieren ist keine Unternehmensstrategie, gute Bilanzen kein Zeugnis für Unternehmenskultur. Es braucht ein Geben und Nehmen. Unmenschliche Arbeitsbedingungen sind eine Bankrotterklärung für jeden ordentlich geführten öffentlichen Verkehrsbetrieb. Es braucht nicht nur nachhaltige Investitionen in den Fuhrpark, in moderne Elektro- und Wasserstoffbusse, sondern es ist endlich Zeit auch in die Personen zu investieren. In der SASA z.B. werden laufend neue Führungskräfte eingestellt, während die Busfahrer davonrennen. Nachhaltigkeit ist auch sozialer Natur und die ist hier gefragt.“
Das gesamte Personal in einem Betrieb braucht Wertschätzung und Anerkennung: In alles wird in Südtirol investiert, scheint es der Gewerkschaft manchmal, nur das Personal sollte so wenig wie möglich kosten.
 
Es braucht also dringend Taten: „Das heißt in erster Linie Zusatzverträge bzw. Betriebsabkommen. Die Arbeiter warten seit Jahren darauf. Besonders die SASA, ein in-house Betrieb mit Landesbeteiligung, benötigt dringend ein gutes Betriebsabkommen. Wir haben als Gewerkschaften bereits einen Vorschlag gemacht und hoffen auf baldige Verhandlungen. Auch ein Übergangsabkommen ist da nur ein Tropfen auf den heißen Stein.“ erklärt die Sekretärin Perkmann. „Ganz ideal wäre natürlich ein einheitliches territoriales Zusatzabkommen für alle Verkehrsbetriebe. Ein Vorschlag von Seiten der Gewerkschaften liegt auch hier dem Land und den Unternehmen seit 2018 vor. Durch die Ausschreibung ist dies allerdings in weite Ferne. Unsere Aufgabe als Gewerkschaften ist es allerdings Unmögliches, möglich zu machen. Daher, auch wenn es schwierig erscheint: wir bleiben auf jedem Fall am Ball!“