Society | Zusammenleben
Und was ist mit uns?
Foto: Salto.bz
Besay Mayer, Leiter des Jugendzentrums „Jungle“ in Meran, wird voraussichtlich im September 2022 von seiner Funktion zurücktreten. Sein Rücktritt wirft die Frage auf, was unserer Gesellschaft gute Kultur- und Sozialarbeit wert ist. Die soziale Ungleichheit und die psychischen Belastungen sind durch die Corona-Pandemie größer geworden – das Budget für ein buntes und lebendiges Südtirol (noch) nicht.
Mein größter Wunsch für meinen Abschied wäre, dass ich das Jugendzentrum ‚Jungle‘ ohne Schulden übergeben kann - Besay Mayer
„Ein Eiertritt folgt dem anderen“, sagte der Sozial- und Jugendarbeiter kürzlich im Gespräch mit salto.bz über die politische „Meraner Art und Weise“ im Umgang mit Jugend- und Kulturarbeit. Der Künstlerische Leiter des Ost West Clubs, Thomas Kobler, bestätigt die Aussagen von Besay Mayer. Auch er ist schon seit langem in der Kultur- und Sozialarbeit tätig und weiß, wie schwierig die Finanzierung soziokultureller Projekte in Südtirol ist. Dabei kritisiert er vor allem die geringe Unterstützung der Gemeinden im Vergleich zur Landesebene.
Die Zukunft des Jungle
Durch die unzureichende finanzielle Unterstützung war das Jungle in den vergangenen Jahren mit hohen Schulden konfrontiert und befindet sich bis heute im Überlebenskampf. „Mein größter Wunsch für meinen Abschied wäre, dass ich das Jugendzentrum ‚Jungle‘ ohne Schulden übergeben kann“, sagt Besay Mayer. Dafür bräuchte es die Hilfe der Politik und privater Spender:innen.
Da ich Jugendarbeiterin bin, schmerzt es mich, dass unser Engagement wenig gesehen wird - Emanuela Albieri
Ab September werden Erika Pfeifer (Geschäftsführung), Karmen Höllrigl (pädagogische Leitung) und Patrizia Calzaverini (Buchhaltung) gemeinsam das Jungle leiten. „Alle drei sind Profis, aber sie brauchen finanzielle Unterstützung, um richtig gut arbeiten zu können! Wenn sie die Unterstützung erhalten, kann noch viel unglaublich Positives passieren, von der Organisation von Veranstaltungen bis hin zur Integration von Jugendlichen. So können Orte geschaffen werden, wo es der Jugend in Meran gut geht“, sagt Mayer.
Die Perspektive der Gemeinde
Vizebürgermeisterin Katharina Zeller (SVP) weiß um die Problematik. Vor ihrem politischen Amt war sie im Vorstand des Ost West Club in Meran und unterstützte Jungle ehrenamtlich als Juristin mit rechtlicher Beratung. „Die Jugendarbeit muss in Meran eine neue Gewichtung erhalten. Durch die letzten Vorfälle über Meran hinaus sind die Menschen sensibler für das Thema geworden“, so Zeller.
Ziel ist die Schaffung einer neuen Personalstelle für Jungle, um die Öffnungszeiten zu erweitern - Katharina Zeller
Als Vizebürgermeisterin wolle sie nun die Vorteile der Reform des dritten Sektors in der Gemeindeverwaltung nutzen, da so neue Arten der Zusammenarbeit mit Vereinen möglich werden. „Einrichtungen wie Jungle stellen mit ihrer soziokulturellen Arbeit einen öffentlichen Dienst bereit. Deshalb sollte die Gemeinde das Jugendzentrum bei bürokratischen Aufgaben entlasten und ihm langfristige Planbarkeit garantieren, beispielsweise mit einem Mehrjahresplan.“
Nächste Schritte
Gemeinsam mit Finanzreferent Nerio Zaccaria (Alleanza per Merano Dal Medico Sindaco) und Jugendreferentin Emanuela Albieri (La Civica per Merano Dal Medico Sindaco) werde Katharina Zeller die Kostenplanung für Jungle und seinem Trägerverein Jugend-Aktiv besprechen. „Ziel ist die Schaffung einer neuen Personalstelle für Jungle, um die Öffnungszeiten zu erweitern.“ Die Herausforderung dabei sei, dass die Beiträge für Vereine zu den laufenden Kosten und nicht zu Investitionen zählen. Deshalb könne der Verwaltungsüberschuss von rund 25 Millionen Euro nicht für Vereine verwendet werden.
Den klein gehaltenen Kulturtopf müssen wir uns mit verschiedensten Institutionen teilen, etwa mit Theatern, Museen und Bibliotheken - Thomas Kobler
Das Jungle betreffend soll laut Jugendreferentin Albieri der Nutzungsvertrag des Gemeindegebäudes, in dem das Jugendzentrum untergebracht ist, zwischen der Gemeinde und dem Trägerverein Jugend-Aktiv überarbeitet werden. „Wir wollen Jungle mit der Überarbeitung die Arbeit erleichtern, da manche Bestandteile des Vertrags nicht optimal für das Jugendzentrum sind“, sagt sie.
Albieri beschäftigt sich bereits seit Anfang ihrer Amtszeit mit dem Thema Jungle. „Ich arbeitete selbst für fünf Jahre im Jungle und war dort als pädagogische Leiterin tätig. Da ich Jugendarbeiterin bin, schmerzt es mich, dass unser Engagement wenig gesehen wird “, sagt Albieri. Sie verweist auch auf den Umbau und die Sanierung des Jugendzentrums in der Vergangenheit. Außerdem arbeite die Gemeinde daran, die Sicherheitsanforderungen im Areal zu gewährleisten. Allerdings gibt Emanuela Albieri zu, dass weiterer Handlungsbedarf besteht: „Es kann nicht sein, dass eine so wunderschöne Struktur wie das Jungle zu wenig Ressourcen hat.“
Förderung von Kultur- und Sozialarbeit
Insgesamt betrachtet leidet nicht nur das Jungle unter fehlender Finanzierung – Kultur- und Sozialarbeiter:innen haben es in Südtirol laut Kobler deshalb oft schwer: „Den klein gehaltenen Kulturtopf müssen wir uns mit verschiedensten Institutionen teilen, etwa mit Theatern, Museen und Bibliotheken. Oft wird dabei der Hochkultur wie den Meraner Musikwochen der Vorzug gegeben“, so Kobler vom Ost West Club. Durch das praktizierte Gießkannenprinzip könnten sich Politiker:innen durch die finanzielle Unterstützung einzelner Vereine Wählerstimmen sichern.
Er vermisst dadurch die Solidarität innerhalb seiner Berufsgruppe, da es bei der Verteilung von Geldern zu einem Konkurrenzkampf kommt. „Die Interessen der Landwirtschaft und des Tourismus sind durch den Bauernbund und den HGV viel besser vertreten als die Interessen der Kultur- und Sozialarbeit.“
Der Kulturarbeiter und Sozialpädagoge fordert deshalb eine gesetzliche Regelung, um eine transparente und faire Verteilung von Kulturbeiträgen zu garantieren, und schlägt einen Kriterienkatalog für Vereine vor. „Die Kriterien für die Vergabe von Geldern könnten, zum Beispiel, die Anzahl der Mitarbeiter:innen und der Vereinsmitglieder, die Projekte und Veranstaltungen und der Zustrom der Bevölkerung sein“, sagt Kobler.
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