Politics | Verkehrsmittel
Barrierefreier Zug ohne Bahnhof
Der Vorfall ereignete sich vor rund einer Woche: Es ist Sonntagabend, der 25. Juni, und Simon Guichard sitzt am Brenner fest. Der junge Mann ist Rollstuhlfahrer und hat gerade in der Disziplin Tischtennis bei Special Olympics in Berlin Gold gewonnen. Doch die Freude hält nicht lange an, denn auf der Rückreise hat sein ÖBB-Zug eine Stunde Verspätung. Infolge ist der von ihm gebuchte Dienst des italienischen Eisenbahnbetreibers RFI für die Ein- und Aussteigehilfe SalaBlu nicht mehr verfügbar.
Das Land hat barrierefreie Züge gekauft ohne darüber nachzudenken, dass diese ohne barrierefreie Bahnhöfe gar nichts bringen.
Der Bahnhof am Brenner ist wie viele andere Südtiroler Bahnhöfe nicht barrierefrei. Aufgrund der Schwierigkeiten kommt er erst nach Mitternacht zuhause in Brixen an. „Niemand wusste, wann es weiter geht. Für mich als Autist eine schwierige Situation, da ich Angst hatte und verunsichert war, weil alle Leute ausgestiegen sind, um die Südtiroler Bahn zu bekommen“, teilt er auf Facebook mit.
Im Gespräch mit salto.bz erklärt Guichard, der regelmäßig mit den öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs ist, die Problematik: „Die Angestellten der SalaBlu müssen teilweise von Verona oder südlicheren Ortschaften Italiens anreisen, wenn jemand im Rollstuhl diesen Dienst in Südtirol bucht. Deshalb muss man sich dafür mindestens drei Tage für Fahrten ins Ausland oder 24 Stunden für Fahrten im Inland anmelden und kann nicht spontan mit dem Zug fahren. Das ist gerade für junge Menschen mit Behinderung ein großes Hindernis, um sich mit Freunden zu treffen.“ Und auch dann, wenn der Dienst gebucht ist, kann die Verspätung eines Zuges den Plan durcheinander bringen.
„Das Land hat barrierefreie Züge gekauft ohne darüber nachzudenken, dass diese ohne barrierefreie Bahnhöfe gar nichts bringen“, so Guichard. „Meines Wissens sind bis jetzt erst vier oder fünf Bahnhöfe in Südtirol barrierefrei.“ Deshalb fordert er einen eigenen Dienst für die Ein- und Aussteigehilfe für Südtirol. In Deutschland etwa wird dieses Angebot von der Bahnhofsmission organisiert, die von Vereinen wie der Lebenshilfe, Caritas, Maltesern oder dem Roten Kreuz getragen wird.
Es heißt immer, dass man schauen muss, wie man das machen kann, aber es tut sich halt nichts.
„Wir haben Geld für Tec-Parks, Museen, private Schutzhütten, für alles..., aber mal für barrierefreie Bahnhöfe und Einstiegshilfen vor Ort nicht. Behinderte müssen warten - die sind es ja schließlich gewöhnt, sie können ja nicht weglaufen“, erklärt Monika Senfter vom Team K auf Facebook. Sie ist mit Simon Guichard befreundet und war am vergangenen Sonntagabend laufend mit ihm in Kontakt.
„Wenn diese Landesregierung es in vielen Jahren nicht schafft dafür zu sorgen, dass Bahnsteige um wenige Zentimeter erhöht werden, wie will man dann die großen Aufgaben lösen, die sonst in der Mobilität, im Gesundheitswesen, in der Bildung, auf dem Wohnungsmarkt und vielen anderen Bereichen anstehen? Etwas mehr Demut würde den Regierungsmitglieder gut zu Gesichte stehen mit weniger Show in den Medien und mehr Umsetzung“, teilt Team K-Landtagsabgeordneter Alex Ploner wenige Tage später in einer Aussendung an die Medien mit.
„Ich finde es wichtig, der Barrierefreiheit auch im Hinblick auf die älter werdende Bevölkerung mehr Beachtung zu schenken. Es kann jeden von uns treffen, von einem Tag auf den anderen auf eine Gehhilfe oder einen Rollstuhl angewiesen zu sein“, sagt Guichard. „Bereits seit den 80er Jahren beschäftigt man sich bei öffentlicher Infrastruktur mit Barrierefreiheit. Bei wichtigen Bahnhöfen wie am Brenner, der eine Visitenkarte Südtirols darstellt, ist aber noch gar nichts passiert. Ich kann nicht nachvollziehen, dass man so einen Bahnhof herunterkommen lassen kann. Es heißt immer, dass man schauen muss, wie man das machen kann, aber es tut sich halt nichts.“
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1) Eine Übersicht zur
1) Eine Übersicht zur Barrierefreiheit der Südtiroler Bahnhöfe gibt es hier:
https://www.suedtirolfueralle.it/de/suedtirolbahn
2) Zur Aussage von Frau Senfter: "Wenn diese Landesregierung es in vielen Jahren nicht schafft dafür zu sorgen, dass Bahnsteige um wenige Zentimeter erhöht werden":
Die Zuständigkeit für die Bahnhöfe liegt (mit Ausnhame der Vinschger Bahn) ausnahmslos bei RFI ("Rete Ferroviaria Italiana"). Das bedeutet, hier sind dem Land Südtirol die Hände gebunden, da keine Befugnis vorhanden. Das sollte Team K eigentlich wissen...
In reply to 1) Eine Übersicht zur by Hugo Wenzl
Sind dann dem Land Südtirol
Sind dann dem Land Südtirol auch beim Ausbau der Strecke Bozen-Meran, und den neuen Bahnhöfen die Hände gebunden? Klingt aber nicht so, wenn man den Herren so zuhört, was sie alles machen wollen. Und vielleicht fehlt bei der Umsetzung der Barrierefreiheit einfach nur politische Druck auf RFI, da zuwenig wahlwerbewirksam.