Politics | Absurd
Alles für die Katz?
Foto: upi
Ein Gespenst geht um in Südtirol.
Seit Tagen diskutiert man im Landtag und in den politischen Kreisen Südtirols über einen möglichen Super-GAU, der die gesamte Diskussion um den vergangene Woche im Landtag durchgesetzten Bettenstopp ad absurdum führen könnte.
Das Gespenst ist eine besondere Spielart der Südtiroler direkten Demokratie. Im 2018 genehmigten Landesgesetz zur Bürgerbeteiligung ist das sogenannte „bestätigende Referendum“ vorgesehen. Es soll Bürgerinnen und Bürgern ermöglichen, das Inkrafttreten eines vom Landtag verabschiedeten Gesetzes zu stoppen, um die Bevölkerung darüber abstimmen zu lassen. Dies betrifft jene Landesgesetze, die mit weniger als einer Zwei-Drittel-Mehrheit verabschiedet werden.
Dazu müssen die Gegner innerhalb von 15 Tagen 300 Unterschriften sammeln; dann wird das Inkrafttreten des Gesetzes um sechs Monate verschoben. In dieser Zeitspanne haben die Promotoren dann Zeit, 13.000 Unterschriften zu sammeln, um eine Volksabstimmung durchzuführen.
Die SVP hat erst nach der Verabschiedung des Gesetzes gemerkt, welche Kuckucksei man sich mit dieser Bestimmung selbst gelegt hat. Tatsache ist, dass diese Regelung als Instrument dienen kann, um die Gesetzgebung lahmzulegen. Konkret: Es reichen 300 Unterschriften, um ein Gesetz für ein halbes Jahr lang zu blockieren.
Vor diesem Hintergrund haben die Regierungsparteien SVP und Lega versucht, diesen Passus mit einem neuen Gesetz wieder abzuschaffen. Dazu fand man im Landtag zwar eine Mehrheit, doch die Südtirolerinnen und Südtiroler haben diesem Ansinnen in der Volksbefragung vom 29. Mai 2022 eine Absage erteilt. Das Hauptargument: In drei Jahren wurde diese Bestimmung niemals missbraucht.
Genau das könnte aber jetzt passieren.
Die Blockade
Der politisch umstrittene Passus zum Bettenstopp wurde im Omnibusgesetz vergangene Woche im Landtag mit 15 Ja-Stimmen, 14 Enthaltungen und einer Gegenstimme genehmigt. Man ist damit von einer Zwei-Drittel-Mehrheit meilenweit entfernt.
Konkret heißt das: Wenn jemand bis zum 15. August 2022 300 Unterschriften sammelt, dann kann er über das Landesgesetz zur Bürgerbeteiligung den sogenannten Bettenstopp blockieren. Demnach wird das Inkrafttreten des Gesetzes für sechs Monate ausgesetzt.
Die Folgen wären verheerend. Weil im Gesetz festgeschrieben ist, dass die „erworbenen Rechte“ der Antragsteller auf jeden Fall erhalten bleiben, würde ein Inkrafttreten des Bettenstopps erst im Februar 2023 zu einer Lawine von Ansuchen und Bettenmeldungen in Südtirol führen. Eine Art Sommerschlussverkauf findet dann statt, wo sich noch jeder seine Pfründe im allerletzten Moment zu sichern versucht.
Dabei gibt es einige Gruppen, die sich ernsthaft mit dieser Möglichkeit befassen. Vor allem in Bauernbundkreisen ist man über die Kompromisslösung zum „Urlaub auf dem Bauernhof“ alles andere als glücklich. Für den bestens organisierten Bauernbund wäre es eine Leichtes, innerhalb eines Tage diese 300 Unterschriften zu sammeln. Oder es tun sich 10 Hoteliers zusammen, die sich durch den Bettenstopp ihrer Erweiterungsmöglichkeiten beraubt sehen.
Ein Inkrafttreten des Bettenstopps erst im Februar 2023 würde zu einer Lawine von Ansuchen und Bettenmeldungen in Südtirol führen. Eine Art Sommerschlussverkauf findet dann statt.
Ein solche Verschiebung des Bettenstopps wäre vor allem für Arnold Schuler und Arno Kompatscher eine Katastrophe. Und es gibt einige Kompatscher-Gegner innerhalb der SVP, denen dieses Szenario wie ein Geschenk des Himmels anmutet.
Die Gegenmaßnahmen
Wie ernst man die Situation an der Spitze der SVP nimmt, zeigt sich auch daran, dass man über konkrete Gegenmaßnahmen nachdenkt, um diesen Super-GAU zu verhindern.
Nach Informationen von Salto.bz prüft man derzeit, ob es rechtlich möglich sei, eine Art Moratorium zu erlassen. Die Landesregierung könnte so etwa bestimmen, dass neue Ansuchen für Betten bis zum Frühjahr 2023 ausgesetzt werden. Damit würde man einer möglichen Blockade Wind aus den Segeln nehmen.
Sicher ist: Das Gespenst wird heute auch die SVP-Parteileitung und am Dienstag die Landesregierung beschäftigen.
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Der „Betten“stand von 2019
Der „Betten“stand von 2019 ist immer noch viel zu hoch. Die Probleme infolge der touristischen Erschließung, Bodenversiegelung, Wasserknappheit, Verkehr, werden damit nicht gelöst, noch angegangen. Daher wäre eine erfolgreiche Unterschriftenliste solcher Intention wünschenswert, die sich einen Stand wie von 1990 zum Ziel auserköre?