Von Ketten und Etiketten
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Die Raumgestaltung, der am Freitag Abend eröffneten Ausstellung, ist ein perfektes Beispiel dafür, dass sich oft auch aus einer Not eine Tugend machen lässt: Als die seit einigen Jahren in Bozen lebende Künstlerin erfahren hat, dass es nicht möglich sein würde Nägel in die Wand zu schlagen, beschloss man das Schienensystem an der Decke kreativ und zum Thema Geschlechter-Zwänge und Ausbruchsmöglichkeiten passend zu nutzen. In einem Wald aus Ketten sehen wir frische Arbeiten der Künstlerin, die weiterhin experimentierfreudig bleibt. Trotz oder vielleicht auch wegen des Wechsels in ein Bozner Atelier, wo die Mehrheit der Werke entstanden ist.
Die Zuschreibungen auf Etiketten, umfangreiche Begleittexte oder große Reden braucht die neue, bunte Schau fast nicht. So fallen die Worte um die Kunst knapp aus. In ihrer Kunst greift Daria Akimenko ihre Worte nicht knapp, sondern essentiell: Ob als Collage-Fitzel aus irgendeinem Magazin oder einer Illustrierten, oder aber als Blackout Poesie im Schaufenster der leicht zu übersehenden Galerie.
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Eine Reihe von Büchern ist dort angekettet, ein Zitat der queerfeministischen Ikone und Wissenschaftlerin Sara Ahmed dient als Lektüreschlüssel: „A book tends to fall open on the pages that have been most read“ (vor Ort übersetzt mit: „Ein Buch neigt dazu sich auf den Seiten zu öffnen, die am meisten gelesen wurden“). Wenn wir die einzige berührbare Arbeit in der Galerie in die Hand nehmen, so finden wir in den alten Büchern entlockten Blackout Gedichten, Beispiele sprachlicher Gewalt und von Geschlechter-Zwängen. Diese bestehen mal aus einigen Zeilen, mal nur aus einzelnen Worten, sowie einmal aus nur einem besonders schockierend zu lesenden Text vollumfänglich auf zwei Seiten (die Künstlerin ergänzt letzteren nur um das Wort „Triggerwarning“). Mit schwarzem Marker und Leuchtstift unterstreicht die Künstlerin schädliche Muster und wiederkehrende Motive im Umgang mit und der Unterdrückung des weiblichen Geschlechtes. Dem gewissen Fatalismus dieses Gefallen-Seins der Buchinstallation, des Wieder-und-Wieders, begegnet Daria Akimenko auf der Gegenseite des Raumes mit Witz und einem nicht ganz Ernstnehmen ernster Themen.
In Kaffee-Schütt-Bildern, die neben Tassen mit trockenem Kaffee am Boden, gehängt sind, zeigt uns Akimenko im Zufall die weibliche Form auf und arbeitet sie heraus, was sich in der Präsentation intuitiv erschließen lässt. Die Körperlichkeit und das sanfte Selbstvertrauen der venushaften Frauen von Daria Akimenko ist dabei eine stille Herausforderung an ein perfektionistisches Selbstoptimierungswettrennen, bei dem viele, insbesondere Frauen, leider immer noch glauben, mitmachen zu müssen.
Frei von Zwang sind auch die Collagearbeiten der Künstlerin, die sich besonders rechts vom Eingang, aber auch da und dort dazugezwängt finden und die auch durch die scharfe Schere (nicht Feder) der Künstlerin bereichert werden. Gegenüber des besonders kritischen Blicks auf weibliche Schönheitsideale, bittet die Künstlerin für eine untertitelte Videoarbeit um fünf Minuten Zeit. In „Elternteil 1, Elternteil 2“ sind die Eltern, der 1987 noch in der Sowjetunion geborenen Künstlerin, zu sehen. Der Vater spricht durch eine Durchreiche in die Kamera, während er ein traditionell kasachisches Gericht aus Fleisch und Teigblättern zubereitet. Die Mutter bindet derweil Akimenkos Haar zu einer ebenso traditionellen Zopffrisur. An den Bildern überzeugt, bereits eine Generation zuvor, derselbe Mix aus Leichtigkeit und Ernsthaftigkeit, durch den die Kunst im Raum WE besticht, wenn man sich auf sie einlassen kann und bereit dazu ist, den eigenen Blick auf den weiblichen Körper zu hinterfragen.
Anti GoneNoch bis 13. September kann die Ausstellung „Anti Gone“ im Raum WE - Women Empowerment (neben der Temple Bar) Montags bis Freitags besucht werden, zu folgenden Zeiten: Montags von 8.30 bis 13, sowie von 14.30 bis 16.30 Uhr; Dienstags zwischen 8.30 und 12.30 Uhr; Mittwochs von 8.30 bis 13, sowie von 14 bis 20 Uhr; Donnerstags zwischen 9 und 15.30 Uhr; Freitags zwischen 8.30 und 13 Uhr.
(Er heißt Dominikanerplatz.)
(Er heißt Dominikanerplatz.)