Culture | Salto Afternoon

Absolute Rampensau

Felix Maier ist einer der vielversprechendsten Nachwuchspoeten Südtirols. Wie er mit Galgenhumor, Selbstironie und Esprit die Slam-Bühnen rockt: salto.bz hat nachgefragt.
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Foto: Privat

salto.bz: Sie haben Anfang September Platz 3 des U20-Slams bei den österreichischen Landesmeisterschaften belegt. Mit welchen Texten konnten Sie das Publikum auf Ihre Seite bringen?

Felix Maier: Der erste Text, den ich vortrug, macht allem Zorn gegenüber schlechten oder aber selbstgefälligen Rednern Luft. Ein Ausflug auf die Metaebene mit einer Prise Selbstironie.
Der zweite Text hingegen bewegt sich auf schmalem Grat zwischen Provokation und Tabu, es ist ein Text des Galgenhumors, ein Text über den Sensenmann, den Friedhof und westlichen Totenkult; der schlug definitiv ein. Ich dachte vor meinem Gang auf die Bühne noch: „Entweder sie lieben mich oder sie hassen mich dafür, aber den Text will ich ihnen auf jeden Fall antun!“
Schließlich ein Text für das finale Stechen, in dem es um eine Dampfwalze geht, eine Hysterie in Person, die mit ihren Worten überrollt, gnadenlos, selbst mich.

 

Sie sind 2020 als Titelverteidiger angetreten. Zum Sieg reichte es diesmal nicht. Was glauben Sie waren die Gründe?

Ich fuhr nach Ried um mich an den Auftritten und am poetischem Austausch zu ergötzen, Inspiration zu schöpfen. Das habe ich wahrlich getan. Den Titel in Wien kann mir niemand mehr nehmen. Der dritte Platz ist ein weiterer erfreulicher Erfolg, gerade wenn man all die Zufallsfaktoren im Slam miteinbezieht. Ab einem gewissen Niveau sind für die Jury im finalen Stechen Entscheidungen sehr schwer zu treffen; das ist Würfelglück mit guten Texten. Im heurigen Stechen war ich sehr beeindruckt von den Vorträgen der anderen 3 Poet*innen und von uns vier wusste niemand wer den Titel schlussendlich holen würde. Ich freue mich somit umso mehr, dass der erste Platz mit Elena Sarto eine würdige Nachfolgerin gefunden hat.

Gute Frage. Kommen wir zur nächsten.

Wie ist es, mit einer italienischen Identitätskarte in der Tasche, an einem nationalen österreichischen Wettbewerb teilzunehmen?

Mittlerweile kennt man mich schlicht und einfach, da stellt sich diese Frage weniger. Viele Südtiroler Slammer sind häufig in Österreich unterwegs, das versteht sich.

 

Wie sind Sie zum Poetry Slam gekommen? Was fasziniert Sie an diesem Format?

Mein erster Slam ist nun fünf Jahre her, da hatte ich aus Interesse an einem Workshop mit anschließendem Wettbewerb auf der Brunnenburg teilgenommen. Dann war längere Zeit nichts, bis ich im Gymnasium Walther von der Vogelweide beim schulinternen Slam teilnahm. Über Wochen fand auf mehrere Stunden verteilt ein Workshop statt, wo wir auch im Einzelnen beim Schreiben und Vortragen unterstützt wurden. Vor allem Helga Tschurtschenthaler und Ivan Bortolotti, die diesen leiteten, engagieren sich jedes Jahr erneut dafür, den Schülern für ihre Texte eine Bühne zu bieten. Zudem leistet mir Jahr für Jahr mein Deutschlehrer Wolfgang Burger rat- und tatkräftig Beistand; eine große und inspirierende Persönlichkeit in der Schule.
Gerade das ist es im Grunde: man hat die Gelegenheit Texte auf verschiedensten Bühnen, vor mannigfaltigem Publikum vorzutragen und kann sich, seine Performance und die eigenen Texte erproben. Dabei geht es vor allem um den Spaß beim Auftritt, man sollte sich selbst und das Format nicht allzu ernst nehmen, das führt nämlich zu chronischer Verbissenheit und Verbitterung.

Literatur ist „uncool“, heißt es häufig bei jungen Menschen. Mit welchen literarischen Texten konnten Sie sich dennoch für diese Materie begeistern?

Gute Frage. Kommen wir zur nächsten.

 

 

Verfolgen Sie die Südtiroler Literaturszene?

Die Südtiroler Literaturszene sehe ich immer wieder, wenn sie nicht gerade in einem Seitental oder einer Gletscherspalte verschwindet und sich meinen Augen entzieht. Es gibt da ein paar wirklich nette Sachen, die veranstaltet bzw. veröffentlicht werden. Interessant ist sie sicherlich auch dann, wenn Autoren nicht vor dem teilweise verrufenen Dialekt zurückschrecken, sondern auch von diesem Quell schöpfen, genau wie von den verschiedenen Sprachen, die uns gegeben sind.

 

Wann entstehen bei Ihnen die schönsten Slam-Texte?

Das ist bis jetzt seltsamerweise meist im Stress passiert, wenn mir kurz vor einer Meisterschaft die Texte fehlten. Der Finaltext für Ried entstand zwei Tage vor dem Wettbewerb, da hatte ich mich mit meiner Schreibmaschine im tiefen Keller verschanzt und in Wahnsinn und Manie getippt, getippt, getippt. Beim Finale der Landesmeisterschaft erging es mir genauso, da war der Text um halb elf Uhr in der Nacht vor dem Auftritt fertig. Das sind die besten zwei Slam-Texte, die ich geschrieben habe, ich wünschte ich könnte das in Zukunft aber auch auf eine gesündere Art zustande bringen.

Wer am Auftreten Gefallen findet – ich bin eine absolute Rampensau – der soll sich durch nichts bremsen lassen.

Manchmal werden gute Texte von der Publikumsjury weniger gut bewertet. Wie gehen Sie mit solchen wettbewerbsverzerrenden Szenarien um? Wie wichtig ist die Show, wie zweitrangig der Text?

Es gibt gewisse „Mainstream-Texte“, die mich auf literarischer Ebene kalt lassen, die ich im Slam jedoch alles abräumen sehe. Ich habe meinen eigenen, etwas unkonventionellen Stil und verbiege mich nicht zwecks Publikumsanbiederung. Ich schrieb und schreibe immer auch abseits vom Slam, letztlich immer öfter Gedichte, mir fiele jedoch nicht im Traum ein, diese bei einem Wettbewerb vorzutragen; solche Texte passen besser auf eine Autorenlesung, wo die Vortragenden nicht wie Marktschreier um Aufmerksamkeit heischen. Literarische Texte mit einer Note gerecht bewerten zu können, das maßt man sich ohnehin nur in der Schule oder beim Poetry Slam an. Bei einem Wettbewerb muss man sich eben im Klaren sein, worauf man sich damit einlässt. Manchmal hat man nicht das richtige Publikum, den richtigen Abend oder man muss als allererster vortragen, was meistens von Nachteil ist. In Dornbirn bin ich mit einem Text voll auf die Schnauze gefallen, mit dem ich dann in Wien das Finale vom U20-ÖSlam 2019 gewonnen habe. Man darf sich nicht aus der Bahn werfen lassen, wenn man von den eigenen Texten überzeugt ist und weiß, dass man damit was draufhat. 
Die Texte sind übrigens für den Vortrag geschrieben und – im Gegensatz zu gedruckter Literatur – von der Performance selbst quasi untrennbar. Wer am Auftreten Gefallen findet – ich bin eine absolute Rampensau – der soll sich durch nichts bremsen lassen. Poetry Slam ermöglicht so viele interessante und vor allem weiterbringende Erfahrungen. Wesentlich habe ich die Reisen genossen, die damit in Verbindung stehen, so war ich Slam sei Dank schon in Hamburg, Flensburg, Kiel, Berlin, auf dem Ritten und besonders in Österreich sehr viel unterwegs.