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Archaischer Utopist

Der am 1. Oktober 1936 geborene Künstler Walter Pichler würde heute seinen 85. Geburtstag begehen. Ein Erinnerungsgespräch mit dem Kunsthistoriker Andreas Hapkemeyer.
Titel
Foto: Jung und Jung

salto.bz: Warum ist Walter Pichler (1936-2012) ein wichtiger Künstler?

Andreas Hapkemeyer: Walter Pichler ist in den 1960er Jahren auf den Plan getreten, als ein Vertreter der Utopischen Architektur. Das war eine besondere Form der österreichischen Architektur – eine praktisch nicht realisierbare Architektur, vielmehr ging es um „denkbares Bauen“. Die Aufgabe des utopischen Architekten ist es nämlich zu überlegen, was denkbar wäre, auch im extremen hypothetischen Fall. Walter Pichler hat aus dem heraus eine ganz eigene Art der Kunst entwickelt. Die frühen Arbeiten Pichlers fallen in die Zeit der konzeptuellen Kunst. Er hat einfach versucht sehr radikale Gedanken – ohne eine Nutzanwendung – zu Ende zu denken. 


Walter Pichler hat nicht nur die Cyberbrille vorweggenommen, sondern hat auch ein besonderes Design zu verschiedenen Helm-Konstruktionen geliefert. Er eilte der Zeit voraus?

Bei Walter Pichler wird im Fall des Helms der normale architektonische Raum auf ein Minimum reduziert. Die akustische und virtuelle Erfahrung wird damit auf wenige Zentimeter Gesichtsentfernung komprimiert. Da sind bei ihm bereits viele heutige Entwicklungen enthalten, denken wir an die Virtuellen Realitäten
Es gibt in diesem Zusammenhang auch die Auseinandersetzung mit der Figur der Mutter bei Pichler, die schützenden Hände der Mutter, die auch als eina Art Architektur interpretiert werden können: also die Hände über den Kopf des Kindes gelegt, die vor Kälte und Regen und anderen Dingen schützen. Als Urform, als Minimalform von Architektur.

 

Walter Pichler ist vor 85 Jahren in Birchabruck im Eggental geboren und vor 80 Jahren – während der Option – mit seinen Eltern und Geschwistern ausgewandert. Irgendwann kehrte er als Künstler wieder an den Herkunftsort zurück...

Das was ihn wirklich interessiert hat, war diese Bindung zu diesem Ort seiner Herkunft. Und dass er trotz der Option – oder vielleicht gerade deshalb –, mit diesem Ort verbunden geblieben ist, dem Ausgangspunkt der Familie Pichler. Es ist auch kein Zufall, wenn er am Ende seiner Künstlerlaufbahn zum Gedanken kommt, ein Haus neben die alte Schmiede zu stellen, übrigens eine typische Walter Pichler-Arbeit, da sie traditionelle und archaische Materialien verbindet, mit einer unheimlichen Präzision und gleichzeitig mit einem hohen Grad an Technologie.


Und die halbe Brücke? 

Das Besondere ist ja, dass es eine halbe Brücke ist, also aus funktionaler Sicht ein Blödsinn. Aber aus der Sicht des utopischen Architekten eine denkbare Möglichkeit, handelt es sich doch um eine Plattform über den Fluss, die so aussieht wie eine Brücke, aber keine Brücke ist. 

Welche Rolle spielt die alte Schmiede bei Walter Pichler sonst noch?

Es gibt viele Referenzen an die Schmiede und den alten Schmied. Da gibt es zahlreiche Zeichnungen, auch eine utopische Idee für einen Turm an der Schmiede, der dann am Ende nicht realisiert wurde.