Säben, oder: über Dauern
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Saeben will gleichermaßen Dokumentarfilm sein, der Zeitzeug:innen-Berichte und Wissen bündelt und eine filmische Meditation, die versucht, Stille und Spiritualität einzufangen. Das ist nicht wenig für einen Film, der sich zwischendurch in 90 Minuten Laufzeit auch noch Zeit für Langsamkeit nehmen muss und für jene Szenen in denen eben einmal „nichts“ passiert. Wurde der Vorsatz der beiden Regisseurinnen erfolgreich umgesetzt?
Bis zum ersten gesprochenen Wort des Films vergehen gut und gerne zwei Minuten, wir verfolgen die wortlose Grabesprozession der zehnten Äbtissin Säbens, Marcellina Pustet, die im April 2019 verstorben ist. Zwei Gäste aus Deutschland, Peter und Christa Lammert, welche 1966 zu Gast auf Säben waren, erzählen aus der Erinnerung und lesen aus Briefen, die sie vom Kloster aus nach Deutschland verschickt haben.
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Die angebotenen Perspektiven bleiben durch den Film hinweg diese: Der Blick von außen, von (langjährigen) Gästen, Anrainern und archäologisch, sowie kunst- oder kirchenhistorisch bewanderten Expert:innen. Dieser Umstand hat auch mit der Entstehung des Films zu tun, der lange img Entstehen war. Der Zugang zu den Klosterschwestern war nicht direkt möglich, es war ja auch Pandemie. Als die Klosterfrauen dann Säben verlassen haben, sind in Zusammenarbeit mit Kameramann Konrad Faltner, der in Klosternähe lebt, auch die ruhigen Einstellungen des Films entstanden, die einen kürzlich noch belebten Ort zeigen, der von diesem Leben noch wortlos zeugt.
Die Worte der Schwestern, die auf Säben gelebt, gearbeitet und gebetet haben, erhalten wir daher aus zweiter Hand. Erst ganz am Ende des Films spricht, mit der letzten Äbtissin, Ancilla Hohenegger, eine der 550 Schwestern, die seit 1686 in den Mauern gelebt haben, selbst. Nicht im Interview, sondern anlässlich der Rückgabe des Klosterschlüssels von der Kanzel. Die Abwesenheit der Schwestern beim Erzählen des Klosterlebens spürt man, Säben bleibt auch im Film ein halbmystischer Raum, der Blicke und Neugier auf sich zieht.
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Diese Aura des Ortes strahlt über Konfessionen und das Christentum hinaus, wie archäologische Funde, die bis auf das 6. Jahrtausend vor Christus zurückgehen, beweisen. Ab einem gewissen Punkt und zu gewissen Momenten findet sich da, im Laufe der Jahrhunderte, legendenhafte Erzählungen zum Kloster und seinen Nonnen. Eine Geschichte stammt auch aus dem vergangenen Jahrhundert: Der Klausner Walther Dorfmann erzählt, nach typisch Südtirolerischer Märchenformel, „unter anderem war ja mal“, von einem Club von Top-Managern, die auf Säben zu Gast waren, und gemeinsam, nach eigenen Aussagen der Manager, für 86% Prozent der Deutschen Wirtschaft stehen wollten.
Bei dieser Gelegenheit, habe Mutter Ancilla, die Turbokapitalisten unter Berufung auf ein Grundprinzip des Benediktinerordens zurechtgestutzt: Das Maß halten in allen Dingen täte ihnen auch gut. Der Bericht hat, ohne Herrn Dorfmann zu nahe treten zu wollen, etwas Märchenhaftes und verwunschen ist das Kloster in gewisser Weise ja auch.
In dieser und anderen Erzählungen wird auch die Abwesenheit der Schwestern spürbar. Die Schwestern fehlen, im Film wie auch am „heiligen Berg Tirols“, der nun verwaist daliegt. Zur Zukunft des Klosters verliert der Film nicht viele Worte, nur den frommen Wunsch Ancilla Hoheneggers hört man, auch über den Abspann hinaus nachhallen: „Schauen Sie gut auf dieses Juwel.“ Es bleibt abzuwarten, ab wann - und mit wem - in Säben wieder, hoffentlich, andächtiges Leben einkehrt. Der Fortbestand eines Orts der Ruhe wäre allein schon aus weltlicher Sicht, wegen der nahen Brennerautobahn ein (quasi) göttliches Geschenk.
Wer „Saeben“ sehen möchte, hat in vielen Landesteilen Gelegenheit dazu. Der Film soll auch nach der Premiere am Donnerstag, den 5. Oktober im Bozner Filmclub zu sehen sein. Weiters zeigt ihn das Meraner Ariston Kino in drei Vorstellungen, vom 6. bis 8. Oktober.
Einzelvorstellungen sind zu und an folgenden Terminen, beziehungsweise Orten, geplant:
6. Oktober, 16 Uhr und 20.00 Uhr, Sterzing (Stadttheater)
10. Oktober, 20 Uhr, Neumarkt (Ballhaus)
11. Oktober, 20 Uhr, Schlanders (Kulturhaus)
12. Oktober, 20 Uhr, Bruneck (Kolpingsaal)
16. Oktober, 20 Uhr, Brixen (Astra)