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Die Bäckerei

Ein Zentrum, das in den Gemäuern einer alten Bäckerei beheimatet ist und Raum für alle Arten von kreativem Selbstausdruck bietet – das Beispiel einer Kulturbackstube.
Die Bäckerei
Foto: Die Bäckerei

„Wer Schmetterlinge will, muss ein Feld voller Blumen pflanzen“, so lautet das Credo der Kulturbackstube in der Dreiheiligenstraße 21a in Innsbruck. Die Bäckerei versteht sich als eine Plattform, die Bedingungen schafft, damit Menschen ihr kreatives Potenzial entdecken und entfalten können. Im Kern geht es darum, Kultur einfach zugänglich zu machen, einen Raum für kreativen Ausdruck zu bieten und in Gemeinschaft mit anderen zu sein. Das Ziel ist nicht, Menschen zu unterhalten, sondern die Vernetzung und Aktivierung von Ideen, Gruppen, Projekten und Individuen.
 

 

Damit Veranstaltungen organisiert, Co-Working-Spaces vermietet und neue Ideen in einem sicheren Rahmen entwickelt werden können, kümmert sich ein achtköpfiges Team darum, dass Die Bäckerei das bleibt, was und wer sie ist. Baiba Dekena und Shawn Antoni Wright arbeiten im Kulturzentrum. Die beiden antworten auf die Frage, wie sie Die Bäckerei in einem Wort beschreiben würden zeitgleich mit: „Kompost“, und lachen dabei herzlich auf. Kompost deshalb, weil sich das Kulturzentrum als ein Kompost-Gewerbe versteht. Die Aufgabe der Bäckerei sei es, den Boden für Kreativität zu bilden und eine Grundlage zu sein, die mit Vielfalt wächst, sich wandelt und immer wieder Neues hervorbringt.  
 

Von der Brot-Backstube zur Kultur-Backstube


„Gebacken“ wurde in der Dreiheiligenstraße immer schon, damals aber noch echtes Brot. Einst war das Gebäude nämlich eine Bäckerei, das die Unternehmerin Therese Mölk 1925 mit ihrem Mann und ihren (!) 10 Kindern erwarb. In der ehemaligen Militärbäckerei backte Therese ihr legendäres Mölk-Brot und entwickelte später, zusammen mit ihrer Familie, ein neues Konzept, das sich so weit etablierte, bis die Supermarktkette MPREIS daraus hervorging. Als 1997 die neue MPREIS Firmenzentrale in Völs bei Innsbruck eröffnete wurde, blieb die Bäckerei leer zurück.
Leer aber immer noch da...
 

 

2009 entdeckte Christina Mölk zusammen mit zwei Freunden das leer stehende Gebäude. Nach einigen Besprechungen erhielten sie die Möglichkeit, die alten Gemäuer zu nutzen. Da nur ein geringes Startkapital zur Verfügung stand, konnten große Eingriffe in die Struktur nicht vorgenommen werden. Die begrenzten Mittel bedeuteten auch, dass die Wiederverwendung und Neukombination bereits existierender Bauteile zu einem zentralen Bestandteil des Baustils wurde. Heute wird Die Bäckerei als eine Kultur-Backstube verstanden: Konzerte, Lesungen, Theater, Workshops, Büroräume, Co-Working-Plätze, Märkte, Performances, Cafés, Spieleabende, Diskussionen, Gespräche usw. finden alle ihren Platz.
 

Es gibt noch weitere... 


Die Bäckerei sieht sich als Teil einer europaweiten Bewegung, die sich die Umwidmung von Industriegebäuden zu Kunst-, Kultur- und Gemeinschaftsräumen zum Ziel gesetzt hat. Der Ursprung dieser Bewegung manifestiert sich in den 1970er Jahren, als Kulturschaffende in ganz Europa das Potenzial der verlassenen Gebäude für ein zweites Leben erkannten. Zehn Jahre vorher wurde nämlich die Produktion von Industriegütern immer mehr aus den Städten in die Peripherie verlegt, zurück blieben alte Fabriken und Produktionshallen. Aus vorsichtigen Anfängen in Amsterdam, Berlin und Brüssel wird eine Bewegung, die sich unter dem Namen „Trans Europe Halles“ zu einem Netzwerk zusammenschließt. Heute zählt die Initiative 77 Mitgliedszentren in ganz Europa. Die Bäckerei gehört seit dem Jahr 2015 dazu.

 


Baiba Dekena ist vor sieben Jahren von Lettland nach Innsbruck gezogen. Sie bewarb sich damals bei der Bäckerei für die Position im Europäischen Freiwilligendienst – und wurde angenommen. Da die 26-Jährige in einer ländlichen Gegend aufgewachsen ist, in der Kunst und Kreativität nicht besonders geschätzt waren, ist es heute ihr Ziel, das lokale, kreative Potenzial in Innsbruck und Tirol zu fördern. In der Bäckerei organisiert sie weitgehend die Veranstaltungen und erklärt: „Ich möchte die Entwicklung weg von klassischen Konsum-basierten Veranstaltungsformaten und hin zu Gemeinschafts-basierten Formaten unterstützen“. Nebenbei versucht Dekena Kooperationen mit anderen gleichgesinnten Kulturzentren aufzubauen.
 

In der Bäckerei schaffen wir einen Lernraum für uns alle.


Shawn Antoni Wright ist sich sicher: „In der Bäckerei schaffen wir einen Lernraum für uns alle. Und für mich selbst habe ich herausgefunden, dass es mindestens so bereichernd ist, anderen Zugang zu kreativen Denkweisen und Methoden zu ermöglichen, wie selbst kreativ zu sein“.

Wichtig ist den Mitarbeitenden zu sagen, dass es sich bei der Bäckerei um einen konsumfreien Raum handelt. „Klar haben wir eine Bar, aber die läuft so, dass jede und jeder ihren bzw. seinen Kaffee nimmt und auf Vertrauensbasis direkt in eine Kassa bezahlt. Wichtig zu betonen ist uns aber, dass es sich um keinen Konsumzwang handelt – niemand muss etwas trinken, damit er/sie bei uns sein kann.“


Die Bäckerei bekommt als gemeinnütziger Verein Förderungen von der Stadt, dem Land und dem Bund. Zusätzlich finanziert sich das Kulturzentrum über Bareinnahmen, Raumvermietungen und Spenden. Viele Mitarbeitende in der Bäckerei sind ehrenamtlich am Projekt beteiligt. In Zukunft sollen auch Fördermitgliedschaften und Kooperationen mit Firmen die Bäckerei unterstützen.