Roberto Fico
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Politics | Regierungsbildung

Roberto Fico als Jongleur

Die Verhandlungen zur Bildung einer neuen Regierung gehen schleppend voran. Die Parteien blockieren sich gegenseitig.

Die Frontlinie verläuft über den riesigen Holztisch in der mit verblassten Wandteppichen verzierten Sala della Lupa im römischen Palazzo Montecitorio. Hier, unter den weitläufigen Gewölben der Abgeordnetenkammer, versucht deren Präsident Roberto Fico Italiens zerstrittene Parteien zu einem Kompromiss zu bewegen. Der Preis des Tauziehens ist hoch: Es geht darum, während der schwersten Pandemie der jüngeren Geschichte des Landes eine Regierungskrise zu verhindern. In den meisten anderen EU-Staaten wäre das kein Gesprächsthema, eine Krise nicht vorstellbar. Hier aber, am massiven Holztisch, geht der Stacheldraht durch die Köpfe. Und hier ist es einmal mehr Italia-Viva-Parteichef Matteo Renzi, der seine Bedingungen diktieren will. Die wichtigste: kein weiterer Regierungsauftrag an Giuseppe Conte. Die Fünf-Sterne-Bewegung fordert – mit Unterstützung des Partito Democratico – das genaue Gegenteil: Conte muss bleiben

Regierungskrisen haben die Italiener in den letzten Jahrzehnten so viele erlebt, dass sie auf diesem Gebiet nichts überraschen kann. Doch eine als mutwillig empfundene Krise in einem Land mit über 300 Toten pro Tag, in dem stündlich 50 Personen ihren Arbeitsplatz verlieren, hinterlässt einen bitteren Beigeschmack und und heizt die ohnedies wachsende antipolitica weiter an. Jene, die im Parlament verhandeln, scheint das kaum zu irritieren. Italia-Viva-Chef Renzi legt fast stündlich neue Vorschläge auf den Tisch, macht sein übliches Veto gegen Conte geltend und beklagt sich über den schleppenden Fortgang der Arbeiten: "Non c'è mediazione." Seine in Südtirol gewählte Parteikollegin Maria Elena Boschi ist gleich für die Übernahme mehrerer Ministerien im Gespräch. Die Fünf-Sterne-Bewegung legt Wert darauf, einmal mehr ihre EU-kritische Haltung zu unterstreichen und wünscht Luigi Di Maio als Verhandlungsführer. Zudem wehrt sie sich gegen die Ersetzung von Justizminister Alfonso Bonafede. Die 16 Parteienvertreter in der Runde zeigen keine Eile.

Staatspräsident Sergio Mattarella drängt dagegen zur baldigen Einigung – eine Krise mit Auflösung der Kammern und Neuwahlen soll um jeden Preis vermieden werden. Zu den heute vorgebrachten Forderungen gehört auch ein neues Wahlrecht. Wie sollte es anders sein in einem Land, das 14 Mal sein Wahlrecht geändert hat, vom Mattarellum über das Porcellum zum Italicum?

All das irritiert den Kammerpräsidenten Roberto Fico. Man sei nicht hier, um ein Regierungsprogramm zu schreiben oder eine Ministerliste zu erstellen, sondern um eine grundsätzliche Einigung zur Fortsetzung der Koalition zu erzielen. Am Abend wird Fico dem Präsidenten Bericht erstatten. Und Mattarella wird über die zukünftigen Schritte entscheiden.