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Verwunderliche Zeichen

Gut gebrüllt, Löwe. Der Künstler Peter Verwunderlich hat sich druckgrafisch mit den Tierkreiszeichen beschäftigt. Herausgekommen sind einfallsreiche „Sternzeichen“.
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Foto: Peter Verwunderlich
  • „Man kann das Buch ruhig als dokumentarischen Jugend- und Kindheitsentwicklungsroman bezeichnen, bei dessen Ausgang ein gesellschaftstaugliches Individuum hervorkriecht“, meinte der Künstler Peter Verwunderlich im Februar 2021 gegenüber SALTO, unmittelbar nach der Veröffentlichung seiner Autobiografie Filmreifes Südtirol. Geboren am 26. November 1955, feiert der Künstler also in ein paar Monaten seinen 70er. 

  • Peter Verwunderlich: Treffsicherer Schütze / Aszendent Künstler Foto: Privat

    Die 1970er Jahre waren es hingegen, die den jungen Peter Paul Pedevilla (wie "Verwunderlich" eigentlich heißt) prägten. „Sie waren gekennzeichnet vom Streben nach der Freiheit von überkommenen bürgerlichen Normen. Ich hatte genug von den andauernden Beschuldigungen, Vorurteilen und Anweisungen“, erinnert sich der im Sternzeichen Schütze stehende Künstler. Mit den Sternzeichen beschäftigte sich Verwunderlich rund fünf Jahrzehnte nach seiner Sturm und Drang-Zeit eingehender. Eine Auswahl seiner Radierungen zu den 12 Zeichen in 401 Einzelstücken stellte er nicht nur aus, er versammelte die Drucke außerdem in einem gut 100 Seiten starken Katalog, wo nun mutige Widder, zuverlässige Stiere, neugierige Zwillinge, fürsorgliche Krebse, charismatische Löwen, hilfsbereite Jungfrauen, charmante Waagen, leidenschaftliche Skorpione, disziplinierte Steinböcke, unkonventionelle Wassermänner, optimistische Schützen oder verträumte Fische, getrennt und vereint orchestrieren. Im Sinne des Künstlers. Es sind Lebenszeichen, wo Licht und Schatten minimal variieren, wo sich Glücks- und Pechsträhne nur um ein Haar trennen.
     

    Wie Filmstills hat sie Verwunderlich angeordnet...

  • Im Schützezeichen: Sechs Drucke aus der Serie. Ähnlich gleich und doch verschieden. Foto: Peter Verwunderlich

    Durchgeführt hat Verwunderlich die Arbeiten in den Atelierräumen des Instituts für Kunst am Italienischen Kulturzentrum in Meran, im klassischen, traditionellen Grafikverfahren. „In mehreren Versuchen und Arbeitsstunden wurde der Arbeitsprozess für den Druck und die Auflage perfektioniert, bevor es zur eigentlichen Umsetzung der Arbeiten ging“, erinnert sich Margaretha Pertoll Breitenberger, die den Künstler bei seinem Arbeitsprozess begleitete. „Das Betrachten der Bilder ermöglicht Momente des Abschaltens vom Alltag und das Eintauchen in eine fantastische Welt“, schreibt sie in der Einführung zum Bilderreigen. In der Tat erzeugt die Anordnung der 12 Sternzeichen eine meditative Stimmung. Seine Bilder „sind der Ort, an dem er seine inneren und äußeren Konflikte austrägt, sie sind aber auch der Ort, an dem die Konflikte ausgehalten werden“, schreibt Kulturjournalist Heinrich Schwazer, wenn er in seinem Essay Die Verwunderung hat kein Ende auf den künstlerischen Lebensweg Verwunderlichs eingeht, seine „außerordentliche Begabung beschreibt und das Studium des Künstler an der Hochschule für angewandte Kunst Wien bei Wolfgang Hutter hervorhebt, einem Vertreter des Phantastischen Realismus. Ein solcher ist auch bei Verwunderlich-Arbeiten erkennbar – ansonsten eigentlich nicht wirklich, aber eben beim Sternzeichen-Zyklus doch irgendwie.
     

    Was sagen uns Verwunderlichs Kunstdrucke? Was die Astrologie? 

  • Augeglichene Waage: Ob Halb- oder Vollmond. Die Sache wiegt immer gleich schwer. Foto: Peter Verwunderlich

    Nach dem geschmeidigen Steinbock in s/w mit abwechselnd leichter Schattierung und semiluna darüber, folgt der närrische Wassermann ebenfalls in mehrfacher Ausführung mit Halbmond. Die Fische schwimmen geschmeidig, aber gegeneinander, ihre Flossen haben Farbtöne. Nicht immer. Widder und Stier springen wenig verwunderlich wuchtig ins Auge, die zierlichen Zwillinge sind einfach nur niedlich und kaum eineiig. Aber im Vollmond. Krebs und Skorpion scheinen dem Jugendstil verfallen, Jungfrau und Waage erwecken im Mehrfachdruck einen ausgeglichenen Eindruck. Wie Filmstills hat sie Verwunderlich angeordnet und man könnte durchwegs aus den einzelnen frames filmische Kurzsequenzen bauen, um die Drucke in rasch-ruckeliger Reihung und abwechselnder Färbung zum „Leben“ zu erwecken. 
    Was sagen uns seine Kunstdrucke? Was die Astrologie? Was haben beide gemein? Vielleicht, dass sie jeweils eine Vielzahl an Entschlüsselungsmuster bieten und die Phantasie anstacheln. Sie wollen nicht nur da sein, sondern gedeutet werden. (Aber) Glauben schadet dabei nicht.