Was passiert auf den Pässen?
All die Zurufe haben nichts genutzt. Selbst Mobilitätsexperte Helmut Moroder – “lassen wir uns nicht von einigen wenigen beeinflussen” – ist mit seinem Appell auf taube Ohren gestoßen. Nach zwei Jahren zieht das Land nun einen (vorläufigen) Schlussstrich unter der Initiative #dolomitesvives. Im Sommer 2017 und 2018 waren unter diesem Motto am Sellajoch verschiedene Maßnahmen experimentiert worden – Zufahrtsbeschränkungen bzw. Sperren –, um den Verkehr auf den Dolomitenpässen zu begrenzen. Zum Unmut der dortigen Tourismustreibenden. Nun gibt Daniel Alfreider als neuer Mobilitätslandesrat freie Fahrt. “Wenn man tatsächlich eine nachhaltige Mobilität anstrebt, muss man dies in allen Tälern und Dörfern tun”, erklärt Alfreider das Aus. Bei einer eventuellen Neuauflage von #dolomitesvives wolle er einerseits auf gemeinsame Initiativen mit den Nachbarprovinzen setzen – und die lokale Bevölkerung stärker einbeziehen, so der Landesrat im Tageszeitung-Interview: “Wir befinden uns auf den Dolomitenpässen nicht in unberührter Natur, sondern in einem sensiblen Gebiet, in dem die Menschen seit sehr langer Zeit leben und arbeiten.”
Nicht nur bei Helmut Moroder – der Mobilitätsexperte war am Dienstag mit Alfreider gemeinsam bei einer Tagung in Rovereto zugegen und forderte: “Schließt die Pässe auch nur eine Stunde am Tag – um ein Zeichen zu setzen!” – ruft die Entscheidung der neuen Landesregierung Kritik hervor.
“Gute Nacht, schöne Gegend! Der Verkehr fließt wieder ungehindert über die Dolomitenpässe”, titeln die Grünen in einer Aussendung, in der sie ankündigen, das Aus für #dolomitesvives in der nächsten aktuellen Fragestunde im Landtag auf den Tisch bringen zu wollen. Mit dem Projekt habe man “sehr schüchtern und zaghaft einen ersten Ansatz gewagt, um über den Verkehrsfluss über die Dolomitenpässe zumindest einmal nachzudenken, um erste Schritte zur Befreiung vom Verkehr zu machen”, resümieren Brigitte Foppa, Riccardo Dello Sbarba und Hanspeter Staffler. Dass die Initiatve nun in Frage gestellt wird, werten die Grünen als “Schritt nach hinten in eine längst vergessen gehoffte Vergangenheit” – sie fordern die Landeseregierung auf, “schnellstens Maßnahmen zu einer weitergehenderen Verkehrsbefreiung auf den Dolomitenpässen zu setzen – anstatt sich womöglich in die entgegengesetzte Richtung zu entwickeln”.
In dieselbe Kerbe schlägt der Dachverband für Natur- und Umweltschutz. Auch dort spricht man von einem “großen Schritt zurück” und zeigt sich ernüchtert: “Die Versuche der letzten beiden Jahre unter der Marke #dolomitesvives sind damit als gescheitert zu betrachten.” Für die Umweltschützer stellt sich die Frage: “Die Verkehrsberuhigung auf den Pässen im Weltnaturerbe-Gebiet ist ja eine der notwendigen Bedingungen, die bereits bei der ersten Überprüfung der Umsetzung des Weltnaturerbes durch die UNESCO im fernen Jahre 2011 festgelegt wurde. Was hat man in all den Jahren an konkreten und effektiven Maßnahmen vorzuweisen, wenn man #dolomitesvives im heurigen Jahr ersatzlos streicht? Und wie will man diese Untätigkeit gegenüber der UNESCO rechtfertigen?”
Der Dachverband, heißt es in der entsprechenden Aussendung, bleibe jedenfalls bei der Forderung, ein auf die jeweilige Verkehrssituation abgestimmtes Zeitfenster auf allen Dolomitenpässen einzuführen, das vor allem den Durchzugsverkehr bei Tag eindämmen soll. Den der bringe den Dolomiten “weder wirtschaftlich noch kulturell viel – im Gegenteil, durch den Wegfall der ‘Durchzugstouristen’ wird der Lebens- und Arbeitsraum der Anrainer und Beschäftigten auf den betroffenen Abschnitten nachhaltig aufgewertet – zum Wohle aller”.