Society | Autonomie

Emotion(s) Geschichte

Südtirol feiert 50 Jahre Zweites Autonomiestatut. Auch das Kompetenzzentrum für Regionalgeschichte der unibz begeht das Jubiläum mit zahlreichen Events. Ein Überblick.
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Ausstellung WIr und die Autonomie
Foto: Foto: LPA/Ivo Corrá

Mit einer Vortragsreihe, einer internationalen Konferenz und Vermittlungsveranstaltungen feiert das Kompetenzzentrum für Regionalgeschichte der unibz 50 Jahre Zweites Autonomiestatut. Dabei soll die Geschichte der Südtirol-Autonomie in Forschung und Vermittlung in den Mittelpunkt gerückt werden. Aber auch Laien und einfache Geschichtsinteressierte sollen angesprochen werden und sind willkommen.

Modellfall Südtirol? Regionalautonomien im europäischen Vergleich

Im Rahmen des Veranstaltungsschwerpunktes zur Geschichte des Zweiten Autonomiestatuts organisiert das Kompetenzzentrum für Regionalgeschichte von März bis Juni 2022 eine Vortragsreihe zum Thema „Modellfall Südtirol? Regionalautonomien im europäischen Vergleich“.

Mit Blick auf die Geschichte der Südtirol-Autonomie drängt sich die Frage auf, wie in anderen Regionen Europas mit Autonomieambitionen, Unabhängigkeitsbewegungen und ethnisch-politischen Konflikten nach 1945 umgegangen wurde. Im Kolpinghaus in Bozen werden acht ausgewiesene Historikerinnen und Historiker aus ganz Europa dieser Frage nachgehen. Der Vergleich von unterschiedlichen regionalen und staatlichen Realitäten soll die Möglichkeit bieten, sich mit der Geschichte von Autonomie-, Unabhängigkeits- und Minderheitenfragen auseinanderzusetzen und ein tieferes Verständnis für ihre Entwicklungsdynamiken zu bekommen.

Den Auftakt macht am 11. März 2022 Jörn Leonhard von der Albert-Ludwig-Universität Freiburg. Er konzentriert sich in seinem Vortrag „Staaten, Nationen und Minderheiten seit 1918 im europäischen Vergleich“ auf ein Kernproblem der Epoche nach dem Ersten Weltkrieg: Der Umgang mit Staaten, Nationen und Minderheiten in Bezug auf das Selbstbestimmungsrecht und die damit einhergehenden Probleme, die die 1920er und 1930er Jahre entscheidend geprägt haben.

Alle Vorträge der Reihe „Modellfall Südtirol“ finden in Präsenz statt und sind kostenlos mit Super Green Pass und Maske zugänglich. Kurzfristige Programmänderungen aufgrund von Corona werden auf der Website des Kompetenzzentrums für Regionalgeschichte bekannt gegeben.

Vortragsprogramm für Bildungs- und Kulturvereine

Das Geschichte-Vermittlungsprogramm „History on Tour“ wurde bereits 2021 gestartet und richtet sich an die heimischen Bildungs-, Kultur- und Geschichtsvereine. Wie die Vortragsreihe „Modellfall Südtirol“ ist aber auch „History on Tour“ für alle Geschichtsinteressierten interessant. „Alle sind dazu herzlich eingeladen“, betont Oswald Überegger, der Leiter des Kompetenzzentrums. „Es ist ein Bildungsangebot unseres Zentrums an die Südtiroler Bevölkerung, das seit Jahren großen Anklang findet. Gemeinsam ist diesen Vorträgen, dass sie aktuelle Entwicklungen und Problemfälle aus einer historischen Perspektive analysieren. Unabhängig davon, ob es nun um die Südtirol-Autonomie oder um Katalonien oder Schottland geht. Im Rahmen dieser Vorträge holen wir Referent*innen nach Südtirol, die als absolute Spezialist*innen gelten.

Es sind Informationen aus erster Hand von Wissenschaftlern, die sich mit den Themen, über die sie sprechen, eingehend beschäftigt haben.“

Im Rahmen von „History on Tour“ sind drei zeitgeschichtliche Vorträge zur Entwicklung Südtirols im 20. Jahrhundert, der Autonomiebewegung und des Südtirol-Problems geplant

. Den Anfang macht Oswald Überegger selbst mit dem Vortrag „Die Pariser Entscheidung. Wie Südtirol nach dem Ersten Weltkrieg zu Italien kam“. Karlo Ruzicic-Kessler analysiert „Südtirol im Kalten Krieg“, die Etappen der Autonomie und wie die Südtirol-Frage gelöst wurde. Joachim Gatter schließlich zeigt in seinem Vortrag „Claus Gatterer und das 20. Jahrhundert in Südtirol“ auf, wie sich die historischen Ereignisse im Land im Lebensweg des südtiroler Historikers Claus Gatterer niedergeschlagen haben. Das gesamte Programm von „History on Tour“ ist aber noch umfangreicher und kann auf der Website des Kompetenzzentrums für Regionalgeschichte eingesehen werden.

 

Emotionsgeschichtliche Perspektiven auf regionale Unabhängigkeitsbewegungen

Autonomie ist nicht nur ein Ding der Vergangenheit, sondern hochaktuell. Gerade in den letzten Jahren und Jahrzehnten haben alte und neue Nationalismen und Regionalismen ein beträchtliches Maß an Zulauf sowie große internationale Medienaufmerksamkeit erhalten. Man denke z.B. an die bekannten Krisenherde in Katalonien und Schottland oder verschiedene ost- und südosteuropäische Regionen.

Im November 2022 findet eine internationale Tagung mit dem Titel „Große Gefühle im Kampf um den eigenen Staat – Emotionsgeschichtliche Perspektiven auf regionale Unabhängigkeitsbewegungen“ an der unibz statt. Sie geht der Frage nach, welche Rolle Emotionen im Kampf um Autonomie und Unabhängigkeit spielen. „Wie bedeutend Emotionen im Rahmen separatistischer Politik oder der Frage staatlicher Unabhängigkeit sind, zeigt gegenwärtig auch der Krieg in der Ukraine.“, unterstreicht Überegger. Er betont aber auch, wie wichtig es ist, sich immer wieder an Südtirols Geschichte zu erinnern und sich mit ihr auseinanderzusetzen: „Das Südtirol des 21. Jahrhunderts ist ganz wesentlich eine Folge der Entwicklungen seit 1918 – also seit dem Ende des Ersten Weltkrieges. Nur wenn man über diese historische Entwicklung Bescheid weiß, kann man sich im Heute orientieren.

Zwei Dinge zeichnen die Entwicklung in Südtirol aus: Erstens, dass letztlich die Diplomatie über die Bomben gesiegt hat. Und dass es zu Paket und Zweitem Autonomiestatut gekommen ist. Darauf gründet zu einem Gutteil der heutige Wohlstand Südtirols. Und zweitens sicherlich, dass es in Südtirol gelungen ist, eine so weitreichende Autonomie zu erlangen, die alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens betrifft. Die Realität in anderen Regionen zeigt uns, dass das nicht selbstverständlich ist.“