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In der Sackgasse

Mit der versuchten Auflösung des Spenden-Untersuchungsausschusses ist man jetzt in ein rechtliches Dilemma gerutscht, aus dem man kaum mehr herauskommen wird.
Consiglio, Landtag
Foto: (c) Südtiroler Landtag
Der Karren ist inzwischen so festgefahren, dass es am Ende nur eine Lösung geben könnte.
Man spielt auf Zeit. In einem halben Jahr geht die Legislaturperiode des Südtiroler Landtages zu Ende. Damit verfallen auch alle Gremien und mit ihnen auch der Untersuchungsausschuss zu den Spenden im Wahlkampf 2018.
Es wäre der natürliche Tod dieser Untersuchungskommission. Und ein Ausweg mit dem weder die Regierungsmehrheit noch die Opposition ihr Gesicht verlieren würde.
Denn noch nie in der Geschichte des Südtiroler Landtages ist man in ein solches rechtliches Dilemma gerutscht, wie in diesen Tagen.
Weder das Generalsekretariat noch das Rechtsamt des Landtages können einen klaren Ausweg aus der verfahrenen Situation vorschlagen, weil es diesen auch nicht gibt. „Es ist eine typische Südtiroler Krankheit die Bestimmungen so schlampig und vage zu machen“, stänkert der Bozner Verfassungsrechtler Francesco Palermo,dass es dann einer authentischen Interpretation bedarf“.
Ob es damit in diesem Streitfall aber getan ist, kann man bezweifeln.
 

Umstrittene Kommission

 
Im Juni 2022 setzte der Landtag einen Untersuchungsausschuss zu den Wahlkampfspenden der SVP bei den Landtagswahlen 2018 ein. 11 Landtagsabgeordnete stimmen dafür. Initiator war Alessandro Urzì, doch es ist vor allem Sven Knoll, der es auf Landeshauptmann Arno Kompatscher abgesehen hat. Deshalb bekommt der Untersuchungsausschuss auch den offiziellen Namen einer Werbekampagne, die 2018 für den Landeshauptmann durchgeführt wurde: „WirNeusNoi“.
Obwohl man die Untersuchungen zumindest formal auf alle wahlwerbenden Parteien und Gruppierungen ausgeweitet hat, blieb vor allem der sogenannte SVP-Spendenskandal im Fokus. Die Südtiroler Freiheit nutzte die Bühne, um immer wieder vorab neue Enthüllungen über angebliche Direktspenden an den Landeshauptmann oder Spenderlisten aus dem Zylinder zu ziehen.
 
 
 
Parteiübergreifend wird diese Vorgangsweise im Landtag aufs Schärfste kritisieren. Zudem wurden im Untersuchungsausschuss im Laufe der Arbeiten einige Entscheidungen getroffen, die unter dem Gesichtspunkt der Bürgerrechte in Richtung Weißrussland gehen. Etwa die Vorladung und Umfrage unter den Kompatscher-Unterstützern.
Die SVP schaute lange zu und machte auch mit. Der Anti-Kompatscher-Fraktion unterm Edelweiss kam es zupass, dass der Landeshauptmann unter Druck gesetzt wurde.
Mit Blick auf die Landtageswahlen hat man jetzt in der SVP aber einen Burgfrieden verordnet. Dabei stört dieser Untersuchungsausschuss nur mehr.
Die SVP und ihre Regierungspartner haben deshalb beschlossen den Untersuchungsausschuss kurzerhand aufzulösen. Carlo Vettori (Forza Italia), der die Regierungsmehrheit von außen unterstützt, hat einen entsprechenden Antrag eingereicht.
Der Anti-Kompatscher-Fraktion unterm Edelweiss kam es zupass, dass der Landeshauptmann unter Druck gesetzt wurde. Jetzt wo man mit Blick auf die Landtagswahlen den Burgfrieden in der SVP verordnet hat, stört dieser Untersuchungsausschuss nur mehr.
Über den Antrag sollte am Mittwoch dieser Woche abgestimmt werden. Doch dazu kam es erst gar nicht.
 

Fehlende Geschäftsordnung

 
Verständlicherweise wehrt sich die Opposition gegen dieses Vorgehen.
Vor allem aber kann niemand sagen, wie man bei einer solchen Abstimmung vorgehen soll.
In den Untersuchungsausschüssen des Südtiroler Landtages gilt das gewichtet Stimmrecht. Das heißt: Jede Fraktion bekommt einen Sitz im Untersuchungsausschuss. Bei Abstimmungen hat aber jedes Mitglied so viele Stimmen, wie stark seine oder ihre Fraktion im Landtag ist. Damit hat der SVP-Vertreter Helmuth Renzler etwa 15 Stimmen oder der Lega-Vertreter Massimo Bessone 3 Stimmen.
Die Gretchenfrage: Gilt auch bei der Abstimmung zur Auflösung dieses gewichtete Stimmrecht?
 
 
 
Das Problem ist, dass es dazu keine klare Bestimmung in der Geschäftsordnung gibt“, sagt der Generalsekretär des Landtages Florian Zelger. Denn für die Untersuchungsausschüsse des Landtages gilt jene Geschäftsordnung, die auch für die Gesetzgebungsausschüsse gilt. Nur diese können nicht während der Legislatur aufgelöst werden.
Das Rechtsamt des Landtages neigt eher zur Meinung, dass mit der Bestimmung zum gewichteten Stimmrecht, alle Abstimmungen im Ausschuss in dieser Form erfolgen müssen. Davon will die politische Minderheit aber nichts wissen. Denn so kann die Mehrheit jederzeit bei Untersuchungen die Handbremse ziehen.
Der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses, der PD-Abgeordnete Sandro Repetto hat deshalb die Abstimmung über den Auflösungsantrag vertagt und bei Landtagspräsidentin Rita Mattei das Einholen eines Rechtsgutachten beantragt.
 

Unüberwindbarer Konflikt

 
Aber auch dieses Rechtsgutachten wird kaum zu einem klaren Schluss kommen. Denn es gibt keine vergleichbare Situation. Normalweise sucht man in diesem Fällen vor allem beim Rechtsamt des römischen Parlaments um Hilfe. Aber auch dort kommt man nicht weiter.
Denn in den Untersuchungskommissionen des Parlaments, die viel weitreichendere Befugnisse haben, gibt es das gewichtete Stimmrecht nicht. Dort zählen die Köpfe der Mitglieder des Ausschusses. Das heißt, diese Frage stellt sich auch bei einem Auflösungsantrag nicht.
 
 
 
Der Bozner Verfassungsrechtler Francesco Palermo fasst das Grundproblem in wenigen Worten zusammen: „Ein Untersuchungsausschuss ist ein Kontrollinstrument der politischen Minderheit, wenn man die Arbeit so abwürgen kann, dann führt man dieses Grundrecht ad absurdum“. Deshalb müsste es in der Geschäftsordnung eine Bestimmung geben, dass allein bei dieser Abstimmung die Köpfe der Mitglieder zählen. Doch diese Bestimmung gibt es aber nicht.
Sollte sich die Interpretation durchsetzen, dass auch beim Auflösungsantrag das gewichtete Stimmrecht gilt, hat die Opposition nur noch eine Waffe: Die Obstruktion.
Verlassen alle Oppositionsvertreter vor der Abstimmung den Sitzungssaal ist der Untersuchungsausschuss nicht mehr beschlussfähig und damit kann er auch nicht aufgelöst werden. Es wäre ein Nervenkrieg. mit dem aber auch die Arbeit der Untersuchungskommission lahmgelegt würde.
Die einfachste Lösung: Man wartet auf das Rechtsgutachten und weil es sich um eine besonders knifflige Streitfrage handelt, dauert das bekanntlich besonders lang.
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alfred frei Sat, 03/04/2023 - 09:42

...abwarten und Tee trinken .. aber > frei nach Astrid Lindgren: "es ist gefährlich, zu lange zu warten. Einn Grundrecht verwelkt, wenn man es länger nicht gebraucht."

Sat, 03/04/2023 - 09:42 Permalink