Ins Archiv statt vor Gericht

Ab heute, 2. April, tritt eine neue Gesetzesnorm in Kraft, die es den italienischen Gerichtsbehörden erlaubt, Prozesse gegen jene Straftäter zu archivieren, die sich wegen leichter Vergehen (reati lievi) zu verantworten haben. Bagatelldelikte werden somit nicht wie bisher vor Gericht gebracht, sondern – falls schwerwiegenden Folgen ausbleiben – zur Archivierung freigegeben. In Zukunft entscheiden die zuständigen Richter darüber, ob die Voraussetzungen gegeben sind, eine Straftat als geringfügig einzustufen und es dementsprechend zum Prozess kommt oder nicht.
Wer zum ersten Mal eine Straftat begeht, die von einem Richter als “besonders geringfügig” eingestuft wird und kein Gewohnheits-Straftäter ist, landet in Zukunft nicht mehr automatisch vor Gericht. Sein Fall wird – vorausgesetzt, ein Richter bestätigt die “Geringfügigkeit der Tat” – archiviert.
Entlastung der Gerichte
Die Absicht hinter der gesetzlichen Neuheit, die den Titel “tenuità del fatto” (“Geringfügigkeit der Tat”) trägt: Die Anzahl der Prozesse soll drastisch verringert, Gerichte dadurch entlastet werden. Staatsanwälte und Richter im ganzen Land zeigen sich erfreut über die neue Norm. “Was uns hier von der Regierung zur Verfügung gestellt wird, ist ein wirklich wichtiges Instrument”, erklärt Maurizio Carbone, Generalsekretär der Anm (Associazione nazionale dei magistrati – Nationale Vereinigung der magistrati, das heißt der Richter und Staatsanwälte) im Gespräch mit der Tageszeitung La Stampa. “Wichtig daher, weil wir damit eine Deflation der Anzahl der Prozesse erreichen können.” Seit einigen Jahren bereits hatten Staatsanwälte und Richter eine entsprechenden Eingriff der Regierung gefordert, um der Prozess-Flut an den italienischen Gerichten Herr zu werden.
Noch unklar ist, was mit bereits laufenden Prozessen, zu denen es noch kein Urteil gibt, geschieht. Allem Anschein nach wird die neue Norm aber auch rückwirkend angewandt werden. Das bedeutet, dass in den vorgesehenen Fällen zur Archivierung der Prozesse kommen wird.
Die neue Gesetzesnorm im Detail
Anwendung
- In Fällen, wo die gesetzlich vorgesehenen Strafen nicht mehr als fünf Jahre betragen.
Voraussetzungen zur Anwendung
- Der Angeklagte darf in der Vergangenheit keine ähnlichen Straftaten begangen haben und kein Gewohnheitstäter sein.
- Das begangene Vergehen muss von einer besonderen Leichtigkeit sein (sowohl die Tat selbst als auch der erfolgte Schaden).
Folgen
- Die Archivierung wird im Strafregister vermerkt und kann nicht mehr als ein Mal beansprucht werden.
- Die geschädigte Partei kann trotzdem Schadenersatz laut Zivilrecht fordern.
Ausgeschlossene Fälle (die vollständige Liste finden Sie hier)
- Straftaten, die Tod oder sehr schwere Verletzungen zur Folge haben
- Straftaten, die aus niederen Beweggründen oder mit Grausamkeit ausgeübt wurden
- Straftaten gegen wehrlose Personen
- Misshandlungen in der Familie
- Verletzung der Familienfürsorge
- Stalking
- Einbruch und Taschendiebstahl
- Straftaten an Tieren
Fälle, in denen es zur Archivierung kommen kann (die vollständige Liste hier)
- Obszönitäten
- Beschädigung
- Diffamierung
- Besitz von kinderpornografischem Material
- Drohung
- Handel mit schädlichen Lebensmittelsubstanzen
- einfacher Raub
- Betrug
- Schlägerei
- Nötigung
- Glücksspiel
- Fahren in betrunkenem Zustand oder unter Einfluss von Rauschmitteln
- unterlassene Hilfeleistung
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