Politics | Muslimische Schüler

Achammers Kniefall

Philipp Achammer hat den sofortigen Rückzug der kritisierten Broschüre angeordnet. Was niemand sagt: Der Leitfaden stammt aus einem deutschen Bildungsministerium.
Achammer Eröffnungskonferenz
Foto: LPA
Die Pressekonferenz der Südtiroler Freiheitlichen war am Montag kaum beendet, da reagierte Philipp Achammer mit einem Totalrückzug. „Mir war der Inhalt der Broschüre nicht bekannt, teile vieles davon aber absolut nicht und habe sofort angewiesen, sie einzuziehen und zu überarbeiten“, erklärte der Bildungslandesrat und SVP-Obmann den Medien.
Ulli Mair, Andreas Leiter Reber und Otto Mahlknecht hatten zuvor auf einer Pressekonferenz die Broschüre „Muslimische Kinder und Jugendliche in der Schule – Informationen, Orientierungen und Empfehlungen“ vehement kritisiert. In der Broschüre, herausgegeben von der Deutschen Bildungsdirektion, werden in kurzen Anleitungen die Themen Sport- und Schwimmunterricht, Lehrausflüge und Klassenfahrten, Sexualerziehung, Kopftuch, Religiöse Feiertage und Ramdan abgehandelt.
Das ist ein Rückfall ins Mittelalter“, empörten sich die Freiheitlichen über den Leitfaden. Sie nutzten Aussagen und Textstellen aus der Broschüre für einen Frontalangriff auf Bildungslandesrat Philipp Achammer und die Integrationspolitik der Landesregierung.
„Landesrat Achammers Kniefall vor dem Islam ist beängstigend“, erklärte Uli Mair sichtlich empört aus der Pressekonferenz am Montag. Obmann Andreas Leiter Reber konstatierte in der Integrationspolitik der Landesregierung „einen eindeutigen Linksruck unter Achammer und Kompatscher“ und sogar die „Förderung einer muslimischen Parallelgesellschaft von Amtswegen“.
„Integration bedeute für diese SVP, dass sich die Einheimischen an die Gewohnheiten der Einwanderer anpassen“, so das blaue Resümee.
 

Politischer Sieg

 
Der freiheitliche Schuss auf den SVP-Obmann saß. Denn Philipp Achammer machte umgehend einen Rückzieher. Der Landesrat distanzierte sich am Montag nicht nur recht augenscheinlich von der Arbeit seinen Fachkräften im Schulamt, sondern er ordnete auch den Rückzug der Broschüre an. 
Für die Südtiroler Freiheitliche hätte der politische Sieg damit kaum größer sein können. „Die rasche Rücknahme der fragwürdigen Broschüre ist selbstverständlich ein freiheitlicher Erfolg, zugleich aber auch ein Eingeständnis, dass mit dem Zukunftsthema schlechthin, nämlich der Integration von Moslems, leichtfertig, stümperhaft und oberflächlich umgegangen wurde und das ist mehr als bedenklich“, frohlockte verständlicherweise  Ulli Mair am Dienstag.
Durch die Reaktion Philipp Achammers wurde die freiheitliche Kritik geadelt. Damit hat der SVP-Obmann all das bestätigt, was die Blauen kritisiert haben. Dass ein Landesrat, der für Bildung und Integration gleichzeitig zuständig ist, über eine Broschüre zu einem so heiklen Thema nicht informiert ist, dürfte Einiges über seine Amtsführung aussagen.
Aber auch, dass der Landesrat eine so energische politische Weisung erteilt, ohne sich vorher mit den zuständigen Fachleuten über das Zustandekommen des Leitfadens auseinanderzusetzen, dürfte eher in die Zeiten von Anton Zelger passen, als ins dritte Jahrtausend.
Hätte Philipp Achammer vor der Totalkapitulation genauer nachfragt, hätte er erfahren, dass der umstrittene Leitfaden, keineswegs den Phantasien und Überzeugungen verschrobener Südtiroler Beamter entspringt, sondern das Produkt eines bundesdeutschen Bildungsministeriums ist.
 

Der übernommene Ratgeber

 
Die Tageszeitung „Dolomiten“ hat sich auf die Suche nach dem Übeltäter gemacht und glaubt namentlich bei Schulinspektor Christian Alber fündig geworden zu sein. Der für den Religionsunterricht zuständige Inspektor hat angeblich das Begleitschreiben unterzeichnet mit dem die Broschüre an die Südtiroler Schulen verschickt wurde.
Durch die Reaktion Philipp Achammers wurde die freiheitliche Kritik geadelt. Damit hat der SVP-Obmann all das bestätigt, was die Blauen kritisiert haben.
Christian Alber ist aber keineswegs der Autor des Leitfadens. In Wirklichkeit kommt der Text der Broschüre aus dem Ministerium für Bildung des deutschen Bundeslandes Rheinland-Pfalz. Das Mainzer Ministerium hat einen Flyer herausgegeben mit demselben Titel und mit all jenen Inhalten und Aussagen, die jetzt von den Freiheitlichen als „Förderung einer muslimischen Parallelgesellschaft von Amtswegen“ gebrandmarkt werden.
Im Südtiroler Leitfaden wurde der Text vollständig und nur leicht gekürzt übernommen (überzeugen Sie sich unten selbst). Gestrichen wurden vor allem Hinweise auf die deutsche Rechtssprechung. Doch alle Aussagen, die jetzt so vehement kritisiert werden, sind im Mainzer Flyer enthalten. Demnach muss auf den Bildungssektor des deutschen Bundeslandes Rheinland-Pfalz schon länger das Mittelalter ausgebrochen sein.
Es wäre durchaus angebracht gewesen, dass sich Philipp Achammer vor seinem Schnellschuss bei seiner Amtkollegin Stefanie Hubig (SPD), der Ministerin für Bildung des Landes Rheinland-Pfalz, über die Hintergründe dieser Aussagen informiert hätte. Hubig ist von Beruf Richterin und Staatsanwältin und dürfte sich ihre Überlegungen gemacht haben, bevor sie diesen Leitfaden verteilen ließ. 
In Südtirol ticken bei manchem Politiker die Uhren aber anders. Jault der Stammtisch auf, so setzt statt einer serlösen Auseinandersetzung, das akute Fracksausen ein. 

Die Südtiroler Broschüre

 
 

Der Flyer des Bildungsministerium von Rheinland Pfalz