Politics | Vorbild Tirol

Die Petition – Fast vergessenes Bürgerrecht

Das Petitionsrecht ist ein klassisches Bürgerrecht. Beim Südtiroler Landtag gibt es kein klar geregeltes Petitionsrecht, geschweige denn die E-Petition wie in Nordtirol.
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Den Beweis dafür, dass dieses Recht auch auf Staatsebene übers Internet gut funktionieren kann, liefert Großbritannien. Wenn für eine E-Petition mehr als 10.000 Unterschriften gesammelt werden, muss die Regierung antworten. Über der Schwelle von 100.000 Unterschriften muss das Parlament die Petition diskutieren. Ein Beispiel: im Juli 2015 hinterlegte James Richard Owen seine Petition zur Legalisierung von Cannabis. Sechs Monate hätte er Zeit gehabt, die 100.000 Unterschriften zu sammeln, doch schon Mitte August 2015 hatte er das doppelte Maß beisammen als für die Erzwingung einer Parlamentsdebatte erforderlich. Diesen September kommt das Thema auf die Tagesordnung in Westminster. 431 Petitionen liegen derzeit im E-Register zur Zeichnung durch Wahlberechtigte auf. https://petition.parliament.uk/petitions?state=open

Das Petitionsrecht wird in Großbritannien immer stärker genutzt, seit es im Juli 2015 neu geregelt worden ist. Wie hier erläutert muss ein Bürger mit Unterstützung von fünf weiteren Bürgern einen Vorschlag vorlegen. Diese werden von einer Kommission geprüft. Jetzt gibt es klare und transparente Regeln und jeder weiß, wie er dran ist. Zwei Petitionen haben schon die 100.000-Unterschriften-Marke geknackt, in nur zwei Monaten.

Wie anderes doch die Lage in Italien. Im römischen Parlament warten derzeit über 1200 Petitionen auf Beantwortung und niemand weiß, wann und binnen welcher Frist der zuständige Ausschuss zu antworten geruhen wird. Für alle Interessierten offene elektronische Petitionen sind nicht möglich, nur die umständliche digitale Abgabe einer Petition durch einen Einzelnen. So ist dieses Instrument als Bürgerrecht ziemlich unattraktiv und zahnlos. Dasselbe gilt für die nächsthöhere Stufe der Bürgerbeteiligungsrechte, das Volksbegehren. Der Gesetzesvorschlag „Più democrazia e quorum zero“ ist nach zweijähriger Vorbereitung mit 50.000 Unterschriften (darunter etwa 7.000 aus Südtirol) am 24.8.2012 im Parlament eingebracht, aber in drei Jahren nie diskutiert worden. Einzig der M5S-Abgeordnete Fraccaro aus Trient hat diesen Vorschlag zur Einführung echter direkter Demokratie auf Staatsebene aufgegriffen und die Kommission für Verfassungsfragen damit befasst. Die gesamte Kommission einschließlich ihrer Südtiroler Mitglieder hat es abgelehnt, dieses Bürgeranliegen überhaupt zu diskutieren. In Großbritannien hat dies ein einziger Bürger mit Unterstützung übers Internet von 200.000 weiteren in zwei Monaten geschafft.

Eine ähnliche Möglichkeit besteht seit genau zwei Jahren im Bundesland Tirol. Jeder Bürger hat dort das Recht, formlos Petitionen im Tiroler Landtag einzubringen, und zwar in elektronischer Form. Diese liegen dort im Petitionsregister zur Zustimmung seitens anderer Bürger und Bürgerinnen 14-28 Tage auf, wobei auch Nicht-Staatsbürger unterzeichnen können. Diese am 1. September 2013 geschaffene Möglichkeit der elektronischen Petition wird von den Tirolern auch schon rege genutzt, denn 45 Petitionen sind schon eingegangen, wobei einige von mehr als 1000 Bürgern mitunterzeichnet worden sind. Die Petitionen werden dann an den Petitionsausschuss des Landtags übermittelt und müssen beantwortet werden.

Südtirol ist nicht nur bei der Regelung von Volksabstimmungen im Rückstand, sondern auch beim einfachen Recht auf Petition. Schon 2009 hatte die damaligen Volksanwältin Volgger die Schaffung der öffentlichen Internet-Petition beim Landtag angeregt, ohne Erfolg. Heute sucht man vergebens auf der Landtagswebsite eine Rubrik "Bürgerpetition". Um wirklich für die Bürgerinnen attraktiv und nutzbar zu sein, muss dieses Recht heutzutage auch elektronisch in Anspruch genommen werden können. Die oft beschworene Bürgernähe der Volksvertretung entsteht aber auch durch die Schaffung eines unkomplizierten Zugangs zu solchen Bürgerrechten.