Politics | 70 Jahre Pariser Vertrag

Feierlaune? Fehlanzeige

Die Freiheitlichen fordern eine Untersuchung der Geschichts- und Autonomiekenntnisse der Südtiroler Schüler. Die Südtiroler Freiheit kritisiert die Landesregierung.

Die Autonomie ist für die Jugend selbstverständlich geworden. Mit diesem Satz eröffnete Sigmar Stocker die Pressekonferenz der Freiheitlichen. Anlässlich des 70. Geburtstages des Pariser Vertrages wurde ein Beschlussantrag zur Erhebung der Geschichts- und Autonomiekenntnisse der Südtiroler Schüler vorgestellt. Denn die Freiheitlichen sind sich nicht mehr so sicher, ob „die Südtiroler wissen, wieso sie die Autonomie haben“. Laut Stocker geht dies vor allem aus den Gesprächen mit den Mitbürgern hervor: „Man hat kein Empfinden dafür, dass die Autonomie auch in Gefahr sein kann“. Altlandeshauptmann Luis Durnwalder hielt auf Bitte von Landesrat für deutsche Bildung Philipp Achammer Vorträge an Schulen. Er befindet, dass sich die jungen Menschen nicht mehr als Verteidiger der Rechte einer Minderheit, sondern als Verwalter und Gestalter der Autonomie sehen.

Auch Pius Leitner ist der Meinung, dass viele junge Menschen nicht ausreichend über die Südtiroler Autonomie informiert sind. „Daran ist weniger die Jugend, vielmehr das Bildungsystem schuld“, so der Ehrenobmann. Laut Leitner „haben wir die Autonomie, weil wir keine Italiener sind. Sobald wir sagen, dass wir Italiener sind, braucht’s keine Autonomie mehr. Sie war für uns immer die zweitbeste Lösung“. Für Sigmar Stocker ist die Autonomie „eine Volkstumspolitik, was an sich nichts Schlechtes ist und somit eine Pflicht im Land. Ohne volkstumspolitischem Empfinden hat die Autonomie Südtirols keine Überlebenschance – und dies auch zu Recht“. Stocker und Leitner versichern jedoch, dass es sich hierbei um keine parteipolitische Angelegenheit handelt. Sie rufen auf, am 70. Jahrestag des Pariser Vertrages „selbstkritisch darüber nachzudenken, ob das Land Südtirol genug tut, um die Autonomie nicht nur als Selbstverständlichkeit erscheinen zu lassen“.

Dem Reflektieren und Sinnieren schließt sich auch der Südtiroler Schützenbund an. Für sie ist dieser Tag „ein wichtiger Gedenktag, aber keinesfalls Festtag“. Es darf laut dem Schützenbund „nicht vergessen werden, dass der Pariser Vertrag nur ein bescheidenes Trostpflaster für die verwehrte Selbstbestimmung war, die uns Südtirolern damals wie heute zusteht“.

Für die Südtiroler Freiheit existiert die Autonomie überhaupt „nur mehr auf Papier“. Für Landtagsabgeordneten Sven Knoll besteht absolut kein Grund zum Feiern. „Der Lobgesang auf die Autonomie, der in diesen Tagen von der Landesregierung verbreitet wird, versucht darüber hinwegzutäuschen, dass der italienische Staat die Autonomie seit Jahren systematisch aushöhlt und Südtirol somit seiner Rechte beraubt“, heißt es in der Pressemitteilung.

Südtirols rechter Flügel übt am 70. Geburtstag also harsche Kritik an den Pariser Vertrag. Feierlaune? Fehlanzeige.

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Thomas Benedikter Sat, 09/03/2016 - 21:42

Die Kenntnisse der Südtiroler Schüler über die Autonomie zu erfahren, wäre durchaus spannend. Wenn das schon eruiert wird, warum nicht gleich eine allgemeine Erhebung zum Stand der politischen Bildung an Südtirols Schulen, in allen drei Sprachen. Ich befürchte, es steht nicht so besonders gut um die Politik-Kenntnisse der Südtiroler Schule un des würde mich auch nicht wundern: 25 Jahre nach Abschaffung des Fachs "Bürgerkunde" ist kein Ersatz dafür eingeführt worden. Und Politik zu verstehen, ist in diesen Jahren auch nicht unbedingt einfacher geworden.

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