Culture | Busoni
„Eine Plattform für die Kunst“

Foto: Luca Guadagnini
Salto.bz: Yeung-Ping Chen, was bringt sich nach Bozen und was ist Ihr beruflicher Bezug zum Busoni Wettbewerb?
Yeung-Ping Chen: Ich bin einerseits Komponist und habe auch eine Fakultät für Komposition in China. Andererseits arbeite ich für den Schoenfeld International String Competition in Harbin. Ich bin hier in Bozen um den großen Busoni-Wettbewerb zu besuchen, hier sind einige innovative Querverbindungen hergestellt worden, wie die Kooperation zwischen der Streamingplattform IDAGIO und Amadeus.tv (Seine Frau Sisi Ye ist eine der beiden Moderatorinnen Anm.d. Red.). Außerdem findet hier ein regionales Treffen des Weltverbandes der Musikwettbewerbe (WFICM) während des Busoni Wettbewerbs statt, an dem ich teilnehmen möchte.
Ist das was hier stattfindet sehr ähnlich oder eine ganz andere Erfahrung als bei einer vergleichbaren Veranstaltung in China? Etwa, dass viele Wettbewerbe in China in spektakulären modernen Konzertsälen stattfinden und der Busoni hier in Bozen hinter der leicht bröckelnden Fassade des Konservatoriums seinen Verlauf nimmt?
Eigentlich würde ich sagen, dass wir, also die jungen Wettbewerbe in China, uns die europäischen Wettbewerbe als Vorbild genommen und von ihnen gelernt haben. Und der Busoni ist sicherlich eines der prestigeträchtigsten Beispiele. Dank der Ressourcen, über die unser Land verfügt, können die Wettbewerbe natürlich in teilweise sehr neuen und spektakulären Gebäuden und Einrichtungen durchgeführt werden, man kann es sich leisten, die Jurys ausgezeichnet zu besetzen und mindestens so hohe Preisgelder, vielfach sogar wesentlich höhere, als die historischen Traditionswettbewerbe in Europa auszuloben. Dennoch werden wir noch viel mehr tun müssen, um einige wirklich große Wettbewerbe in unserem Land zu etablieren.
China kann es sich leisten, mindestens so hohe Preisgelder, vielfach sogar wesentlich höhere, als die historischen Traditionswettbewerbe in Europa auszuloben.
Welche Aspekte meinen Sie damit?
Ein guter Wettbewerb ist nicht nur ein „Wettrennen“, er sollte auch eine Vision in sich tragen und die Musik nutzen, um Kunst und Musik in der lokalen Gemeinschaft zu fördern. Da gibt es noch Spielraum für Verbesserungen, wo wir uns steigern können. Als Internationaler Schoenfeld Wettbewerb wollen wir nicht einfach eine internationale, gigantische Veranstaltung unter Einsatz gewaltiger finanzieller Mittel durchführen. Wir wollen auch eine Plattform für junge Musiker schaffen, wo sie miteinander und voneinander lernen können. Eine Plattform auch für das Publikum, um die Schönheit der Künste zu erleben. Und wir wollen einen kulturellen Austausch innerhalb der Branche ermöglichen, wo Talente entdeckt werden und die Zukunft der klassischen Musik definiert werden kann. Nicht zuletzt soll das internationale Publikum unsere Stadt Harbin kulturell kennenlernen. Diese Werte und Ziele sind wichtiger als das Preisgeld, das Ergebnis der Durchgänge, die Dimension des Wettbewerbs und das Preisgeld.
Ich glaube, dass die Vision und der Geist, den wir anstreben, von den jungen Teilnehmern auch nach dem Wettbewerb weitergetragen werden, ihr Leben verändern und ihr Verständnis für die Tradition klassischer Musik vertiefen.
Für uns ist ein Wettbewerb also eine ernsthafte Plattform, die mehr als nur Wettstreit vor einem Publikum und einer Jury ist. Ich glaube, dass die Vision und der Geist, den wir anstreben, von den jungen Teilnehmern auch nach dem Wettbewerb weitergetragen werden, ihr Leben verändern und ihr Verständnis für die Tradition klassischer Musik vertiefen.
Was zieht chinesische Pianisten speziell an, nach Bozen zu kommen? Die Einschreibungen sind ja regelmäßig sehr hoch, im Ausgangsfeld der 27 Finalisten waren auch in diesem Jahr wieder fünf Chinesen.
Der Ruf und die Geschichte des Busoni bergen großes Potential, um sich in der Zukunft als wirklicher Künstler zu profilieren. Der Wettbewerb ist auch für seine besondere Fairness bekannt und das macht ihn für alle jungen Pianisten interessant, nicht nur aus China. Natürlich werden die innovativen Medienpartnerschaften, die der Busoni eingegangen ist, etwa mit IDAGO und Amadeus.Tv, dazu beitragen, dass mehr Zuschauer, darunter auch Teenager und Klavierpädagogen die künstlerische Qualität und den hohen Standard hier kennenlernen, selbst wenn sie in China sind. Das wird ihnen helfen, sich besser vorzubereiten und ihnen auch helfen zu verstehen, was einen Wettbewerb ausmacht sollte und was ein Wettbewerb für die Kunst und die klassische Musikwelt bedeuten kann. Vielleicht auch, welche positiven Auswirkungen so eine Veranstaltung auf eine Stadt haben kann – genau wie die Olympischen Spiele oder eine Fußballweltmeisterschaft.
Haben Sie die Reaktionen aus China verfolgt, gab es eine spürbare Enttäuschung darüber, dass kein chinesischer Kandidat in die Kammermusikrunde gekommen ist?
Ich glaube nicht, dass es darüber wirklich Klagen gab, aber natürlich hätte es das Interesse gesteigert, wenn chinesische Pianisten weitergekommen wären, zu denen sich das chinesische Publikum mehr oder weniger in Beziehung setzen könnte.... Aber alles in allem zählt die universelle Qualität der Musik, nicht um die teilnehmenden Nationen. Musik steht jenseits von Rassen und Nationalitäten. Die Möglichkeit, einen überzeugenden Preisträger durch den Wettbewerb zu beobachten, und mit ihm einen Ausblick auf die Zukunft der klassischen Musik zu bekommen - das ist die das zentrale Interesse für die Zuschauer.
Please login to write a comment!