Das Foulspiel des Cavaliere
Die Kehrtwende erfolgte kurz vor der Abstimmung: In einer kurzen Rede kündigte Silvio Berlusconi plötzlich die Unterstützung jener Regierung an, deren Rücktritt er kurz vorher gefordert hatte. Dann vergrub der Cavaliere sein geschminktes Gesicht schluchzend in den Händen und weinte - bevor er am Eingang des Senats mit Pfiffen und Buhrufen empfangen wurde.
Vorausgegangen war eine Nacht der langen Messer. Der Wutausbrüche und Verdächtigungen. Der Tränen und Moralpredigten. Die Nacht des Vatermords, in der Angelino Alfano den Mut aufbrachte, sich seines politischen Mentors zu entledigen. Der Drahtzieher, der den Sturz der Regierung angeordnet hatte, musste schließlich erkennen, dass er zu hoch gepokert hatte. Silvio Berlusconis Regie wurde von einem in seiner Partei unerhörten Vorgang vereitelt: einer Rebellion der Undankbaren.
Einer Meuterei aufsässiger Parlamentarier, die der gewohnten Huldigungszeremonien überdrüssig waren. Was hinter verschlossenen Türen passierte, verriet in einer Talkshow der RAI der geifernde Schlagabtausch zwischen Giornale-Chefredakteur Alessandro Sallusti und dem langjährigen Fraktionschef Fabrizio Cicchitto, die sich gegenseitig als Stalinisten, Extremisten und Verräter beschimpften. Silvio Berlusconi, der im Alleingang den Rückzug seiner Minister aus der Regierung angeordnet und Neuwahlen in November angepeilt hatte, entschloss sich zu einer verzweifelten Flucht nach vorn: statt dem sicheren Nein zur Regierung Letta kündigte er plötzlich das Vertrauen für jenes Kabinett an, dessen Sturz er selbst angeordnet hatte.
Mit 235 Stimmen blieb Letta weit über der absoluten Mehrheit. Doch die Hoffung des abgebrühten Populisten, mit diesem Trick sein Gesicht zu retten, bleibt trügerisch. Der Auszug von rund 30 Dissidenten wird kaum zu verhindern sein. Nach den schweren Auseinandersetzungen der vergangenen Tage wird in seiner Plastikpartei, in der Unterwürfigkeit als höchste Tugend gilt, nichts mehr sein, wie es war. In Kürze wird der Medienzar, der sich mit aller Macht gegen seinen Ausschluss aus dem Senat stemmt, sein Mandat verlieren.
Noch im Oktober soll das Gerichtsverfahren wegen Bestechung von Parlamentariern eröffnet werden, bei dem der Senator Sergio De Gregorio als Zeuge auftritt. Er hat gestanden, von Berlusconi zwei Millionen Euro erhalten zu haben, um als Überläufer zum Sturz von Ex-Premier Romano Prodi beizutragen. Nur sein Alter schützt ihn vor dem Gefängnis. Bei soviel Ungemach kann sich der Cavaliere sich mit seiner Lebensgefährtin Francesca Pascale trösten, an deren weißen Pudel Dudu er besonderen Gefallen findet. „Ich will Berlusconi heiraten", versichert Pascale, die ein halbes Jahrhundert von ihrem Idol trennt. „Ich war noch minderjährig, als ich mich in ihn verliebte." Ein Tatbestand, der für den Cavaliere nicht ganz neu ist.