Economy | Landwirtschaft

Prinzenkuss für bäuerliches Handwerk

Lebensmittelproduktion, Gastronomie, Beherbergung und nun auch noch das Handwerk. Südtirols Bauern expandieren in eine weitere Branche - die allerdings auf Südtirols Höfen eine lange Tradition hat.

Schnitzen, drechseln, filzen oder weben: Jahrhundertelang gehörte das bäuerliche Handwerk zur Arbeit auf Südtirols Höfen dazu. Eine Tradition, die mit dem Wandel der Landwirtschaft zunehmend in Vergessenheit geriet – und nun vom rührigen Bauernbund wieder aus dem Dornröschenschlaf geweckt wird. Handwerklich gefertigte Unikate, echt, einzigartig und wertvoll: So beschreibt der Leiter der Marketingabteilung Hans Kienzl die neue Produktschiene, die fortan neben Lebensmitteln sowie Schank -und Urlaub auf dem Bauernhof-Betrieben unter der Marke Roter Hahn vermarktet werden sollen.

Ein Projekt, das laut Kienzl bereits vor drei Jahren angedacht wurde, um eine weitere Chance für Südtirols Bauern zu schaffen, auf ihren Höfen selbst das Zusatzeinkommen zu erwirtschaften,  auf das knapp zwei Drittel aller Höfe angewiesen sind. Doch, wie der Marketingleiter des Bauernbundes einräumt: Zwischenzeitlich stand es bereits vor dem Scheitern, da alles danach aussah, dass nicht mehr ausreichend Know How auf den Höfen vorhanden ist. Schließlich wurde man doch noch fündig . auf fünf Höfen, die das Projekt nun mit dem Bauernbund starten. Eine kritische Masse an der unteren Grenze, wie man auch beim Bauernbund einräumt. Doch in den kommenden Jahren hofft man dort auch dank interner Weiterbildung und einer Kooperation mit der Fakultät für Design oder der Winterschule in Ulten mehr Interessenten für die Schiene zu finden.

Die Schwerpunkte der fünf Pionierhöfe liegen in der Holz- und Wollverarbeitung. Wie auch bei den anderen Produktschienen sind für das Führen der Marke Roter Hahn Regeln einzuhalten: Der Rohstoff muss zu 100% aus Südtirol und zumindest teilweise vom eigenen Hof stammen; die Fertigung der Produkte muss dort von der Bauernfamilie selbst vorgenommen werden. Verkauft werden sollen die Gebrauchsgegenständen, Dekorationsobjekte und Accessoires vor allem auf den Höfen selbst. Und zwar allein wegen des hohen Preises, der für die aufwändig gefertigten Produkte verlangt werden wird. Denn, so Kienzl: „Hinter jedem dieser Produkte steckt eine Geschichte, ein besonderer Rohstoff und eine Herstellungsart, die am besten auf dem Hof selbst vermittelt werden können.“

Ob sich die jüngste Schiene des Markenzeichens tatsächlich durchsetzen kann, wird sich zeigen. Klar ist, dass der Rote Hahn insgesamt zur ökonomisch bedeutsamen Nische in Südtirols Landwirtschaft geworden ist. Denn bald zehn Prozent der rund 20.000 Südtiroler Höfe vermarkten Produkte unter dem Markenzeichen: 1629 biete dabei Urlaub auf dem Bauernhof an, 56 stellen selbst insgesamt 500 Qualitätsprodukte her und 41 führen Schankbetriebe. Hat der Marketingleiter des Bauernbundes die Befürchtung irgendwann mit dem Landesverband der Handwerker ähnliche Gefechte austragen zu müssen wie mit dem HGV, dem der Urlaub auf dem Bauernhof ein Dorn im Auge bleibt? „Ich glaube, dass  unsere Nischenprodukte keine Konkurrenz sind, sondern eine tolle Ergänzung zu bestehenden Angeboten“, antwortet Kienzl. Profitieren könnten davon nicht andere Sektoren, sondern vor allem der Tourismusstandort Südtirol. Mal sehen, ob das auch alles so verstehen.