Culture | Kunst und Kirche

Charlie Hebdo in der Seminarkirche

Die Kunstinstallation von Annemarie Laner bringt Brixens Kirchenmänner ins Schwitzen - ihre Engelsinstallation am Chor ist aus Charlie-Hebdo-Zeitungsseiten geformt.

Das Symposion „Engel, Propheten, Mystiker, Medien – wie real ist der Himmel“ findet an diesem Wochenende in Brixen statt, eine diskursive Auseinandersetzung im Rahmen von „Musik und Kirche“ mit einem Thema, das der Kirche nicht immer behagt. Engel und Mystiker, das sind Wesen, die gefährlich nahe am Esoterischen und am Volksglauben hängen - von Freitag bis Sonntag wird dazu in Brixen diskutiert.

Genau in dieser Zeit wird auch das dazugehörende Kunstprojekt von Annemarie Laner in der Kirche des Priesterseminars zu sehen sein. Die Installation der von „Musik und Kirche“ beauftragten Ahrntaler Künstlerin besteht aus zwei Teilen: auf der Kanzel ein hinterleuchteter Schriftzug „Alles ist vergeben“ und im Chor eine mit dieser Botschaft in Beziehung stehende große Engelsform auf dunklem Untergrund.

„Diesen Engel habe ich in mühevoller Detailarbeit aus Papierröllchen der Zeitschrift Charlie Hebdo hergestellt und zwar aus jener Ausgabe, die nach dem Pariser Attentat im Jänner 2015 erschienen ist.“ Auf dem Titelblatt stand ein einziger Satz: „Tout est pardonné“ (Alles ist vergeben). Für Annemarie Laner ein idealer Konnex zum Thema des Symposions und damit auch Inspiration für ihr Werk. „Wer vergibt, wer kann vergeben, wer spricht Vergebung aus und was bedeutet „alles“ in diesem Zusammenhang?“ Fragen, die sie mit ihrem Kunstprojekt aufwerfen will, Fragen aber auch nach dem uralten Bilderstreit innerhalb der Kirche bzw. zwischen Kirche und Kunst. So wie anlässlich von Charlie Hebdo gefragt wurde, ob Satire alles dürfe, legt auch Annemarie Laner mit ihrem Papierröllchen-Engel den Finger in die offene Wunde der Auseinandersetzung zwischen zeitgenössischer Kunst und der Kirche.

Denn die Installation wird in der Seminarkirche zu Brixen nur am Wochenende zu sehen sein, eine Bedingung, die der Künstlerin von Regens Michele Tomasi auferlegt wurde. „Es hätte eigentlich zwei Wochen lang vor Ort bleiben sollen, am Chor und auf der Kanzel, doch wurde mir nach einer Krisenintervention mitgeteilt, dass ich das Werk frühestens um 13 Uhr am heutigen Freitag einrichten könne, und dass es am Sonntag abend wieder abzubauen sei.“

Bild: Annemarie Laner

 

Die Charlie-Hebdo-Installation soll im Rahmen des Symposions bleiben und nur dort, meint Regens Micheli: „Das habe ich so verfügt, es stimmt, wir haben heute um 11 Uhr die Eröffnung des Theologischen Hochschuljahres und ich wollte das Kunstwerk zu diesem Zeitpunkt nicht in der Kirche haben. Das ist Sache des Symposions.“ Zum Kunstwerk selber wollte sich Tomasi nicht äußern, ihm gehe es lediglich um die Trennung von liturgischen Feierlichkeiten und Symposion.

„Es ist schon eigenartig", meint Annemarie Laner,  "denn die Beauftragung meines Projekts ist durch Josef Lanz, den künstlerischen Leiter von „Musik und Kirche“ erfolgt, und ich habe mein Vorhaben mit Erklärungen und Bild-Simulationen eingereicht. Erst nachdem das Ok der beurteilenden Kommission bei mir eintraf und ich angefangen hatte zu arbeiten, kam auf einmal ein Anruf, wo gesagt wurde, die Kirchenvertreter hätten etwas gegen das Projekt.“

Nun wird der Engel und der Schriftzug also nur an diesem Wochenende zu sehen sein, zwei Installationen die von ihrer theoretischen Konnotation her durchaus in einen Kirchenraum passen. Denn Vergebung erzeugt Befreiung, so Annemarie Laner und „Kunst als der klassische Ort der Freiheit stellt im Kirchenraum, dem klassischen Ort der Versöhnung, die Frage nach Vergebung und Frieden."

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gorgias Fri, 10/02/2015 - 14:42

Das erinnert mich an den "Wadenfrosch" bei der Ausstellung Kruzifix in der Hofburg. Wer sich allzugroße kulturelle Impulse von der Kirche erwartet, wird zwangsläufig enttäuscht.
Wer tut das aber wirklich? Die Kirche hinkt gesellschaftlich doch nur noch nach. Peter Sloterdijk sagte einmal in einer Diskussion zu Bischof Huber der Kirche fehlen die schauen Köpfe im Vergleich zur Zeit des II. Vatikanisches Konzil. Auf dem Vermögen auf dem die Kirche sitzt lässt es sich zumindest bequem stagnieren.

Fri, 10/02/2015 - 14:42 Permalink