Society | Todesfall

Abschied von Ulrich Beck

Mit seinen Themen lag er stets am Nerv der Zeit. Nun ist der bekannte deutsche Soziologe Ulrich Beck im Alter von 70 Jahren einem Herzinfarkt erlegen.

Er prägte den Begriff der Risikogesellschaft,  forderte überstaatliche Autoritäten und multinationale Weltbürger-Parteien zur Bändigung global entfesselter (Markt-)Kräfte und prangerte in der Euro-Rettungspolitik die dominante Rolle der Deutschen und das "Merkiavelli"-Prinzip seiner Bundeskanzlerin an. Seit vielen Jahren war Ulrich Beck einer der meistzitierten und gehörten Soziologen der Gegenwart, dessen Stimme weit über den  deutschsprachigen Raum hinaus Autorität hatte. Am 1. Jänner ist er im Alter von 70 Jahren einem Herzinfarkt erlegen, wurde am Samstag bekannt.

„Ulrich Beck gehörte wie sonst vielleicht nur noch Jürgen Habermas zu einem im deutschen Geistesleben seltenen Typus: dem öffentlichen Intellektuellen“, würdigt Spiegel Online den Verstorbenen in einem Nachruf. „Dieser public intellectual in der angelsächsischen, aber auch der französischen Tradition war ein Kritiker und Mahner, vor allem aber ein Zeitdiagnostiker.“

Becks Forschungsinteresse galt dem Grundlagenwandel moderner Gesellschaften und den daraus entstehenden Konsequenzen für Wirtschaft, Politik und Kultur. Dazu gehörte selbstverständlich auch die Globalisierung mit all ihren Ausprägungen, der Beck eine kosmopolitische Soziologie entgegenzusetzen versuchte. Breiten Raum in seinem Schaffen nahm auch der Wandel und die Krise Europas ein. Als die Finanzkrise in eine europäische Staatsschuldenkrise mündete, verfasste der überzeugte Europäer Beck 2012 mit dem Grünen-Politiker Daniel Cohn-Bendit das Manifest "Wir sind Europa!". Darin wird ein Freiwilliges Europäisches Jahr für alle Altersgruppen propagiert, mit dem Ziel, Europa im tätigen Miteinander seiner Bürger „von unten" neu zu gründen.

Auch in den italienischen Medien wird der deutsche Soziologe hinreichend gewürdigt. Die Online-Ausgabe von La Repubblica bringt angesichts seine Todes ein Interview vom vergangenen Sommer, in dem Beck angesichts des Konflikts in Gaza vor einer neuen Antisemitimus-Welle in Europa warnt.

„Noi  -  tedeschi e molti europei  -  equipariamo gli ebrei tedeschi, francesi, italiani agli israeliani: all'improvviso i vicini tornano ebrei, quindi stranieri. Questo equiparare ogni ebreo a un israeliano e ogni israeliano a un killer di palestinesi, è lo sfondo della nuova ondata d'antisemitismo".

Ulrich Beck stammte aus Hannover und wurde nach Professuren in Münster und Bamberg 1992 an die Münchner Ludwig-Maximilians-Universität berufen. Weitere Professuren hielt er an der London School of Economics und an der FMSH in Paris. Zu seinen bekanntesten Büchern zählen unter zahlreichen Publikationen der Beststeller „Risikogesellschaft. Auf dem Weg in eine andere Moderne" (1986), der in mehr als 35 Sprachen übersetzt wurde, sowie „Weltrisikogesellschaft. Auf der Suche nach der verlorenen Sicherheit" (2007).