Society | Kommentar

Was zum Kuckuck ist denn hier los?

Wenn politische Korrektheit zu viel des Guten wird: In der Provinz Padova wurde ein Weihnachtslied in einer Grundschule abgeändert. Aufregung unter den Eltern.
Notenblatt
Foto: Pixabay
  • In der Gemeinde Agna bei Padova wurde zu Weihnachten den konservativ Rechten in die Hände gespielt. Die Eigeninitiative zweier Lehrerinnen ging nach hinten los, nachdem sie in einer Grundschule mehrere Wörter eines Weihnachtsliedes austauschten. Das Lied beinhaltete keine Wörter, die religiöse Anspielungen implizierten. Gesú wurde durch Cucú ersetzt und die Geburt Christi wurde gänzlich aus dem Lied gestrichen. Den Lehrerinnen ging es um das Miteinbeziehen Kinder nicht katholischen Glaubens. Dabei haben die beiden aber anscheinend vergessen, dass Weihnachten nur gefeiert wird, weil es der zweitwichtigste christliche Feiertag ist und haben so mit ihrem Vorhaben bei vielen Eltern einen falschen Nerv getroffen.

    Diese fragwürdige Entscheidung der Lehrerinnen löste eine große Polemik aus, der sich wiederum vorteilhaft für die Rechten auswirkt. Jetzt wurde durch die exzessive politische Korrektheit sogar ein Gesetzesentwurf dem Senat vorgelegt, der die christlich traditionellen Feste in den Schulen sichern soll. Weihnachten und Ostern können somit nicht mehr aus dem schulischen Leben genommen werden. Ereignisse, die wie dieses an einem Ende der Extreme liegen, richten mehr Schaden an, als dass sie Nutzen stiften. Denn genau so bekommen viele Menschen und vor allem Politiker einen weiteren Grund, politische Korrektheit als gesamtes Konzept zu verwerfen und ihre populistischen Werte so zu rechtfertigen. Und die Diskussion um Political Correctness soll eben genau das: Polarisieren.

  • Heutzutage kann man gar nichts mehr sagen

    Theologe Martin Lintner: „Alte Handlungs- und Sprechmuster werden hinterfragt, weshalb wir es nicht mehr hinnehmen, wenn jemand auf Kosten anderer Witze macht“ Foto: Kathpress/Henning Klingen

    Die Sätze „Ich kann nicht mehr das sagen, was ich möchte“ oder „Heutzutage kann man gar nichts mehr sagen“, kommen auffällig oft aus den Mündern von weißen hetero Männern. Dass sie nicht mehr all das sagen können wie vor dreißig oder vierzig Jahren, hat auch seine guten Gründe. Bei der letzten Show von „Wetten, dass ...?“ nennt Thomas Gottschalk den Grund dafür, dass er nun endgültig den Schlussstrich zieht: Er kann aus Angst vor einem Shitstorm im Fernsehen - nicht mehr wie bisher - wie bei sich zu Hause sprechen. Es würde ihm sozusagen von der politischen Korrektheit der Mund verboten. Dabei haben sich im Laufe der Jahre nur die Reichweite wie auch die Plattformen für externen Input erweitert. Wenn Gottschalk früher unangebrachte Kommentare von sich gab oder übergriffig bei weiblichen Gästen wurde, tat man es als seinen Moderationsstil ab. Es gab keine sozialen Medien, in denen hunderte oder tausende Menschen sein Verhalten kritisierten und missbilligten. „Alte Handlungs- und Sprechmuster werden hinterfragt, weshalb wir es nicht mehr hinnehmen, wenn jemand auf Kosten anderer Witze macht“, so Theologe Martin Lintner.

  • Alles hat seine Grenzen

    Weihnachtsmarkt Bozen: Es wird immer häufiger darüber diskutiert, Weihnachten in Winterfest und den St. Martins Umzug in Lichterfest umzubenennen. Foto: Seehauserfoto

    Politische Korrektheit kann, wie wir am Beispiel von Padova sehen können, schnell nach hinten losgehen. Zu viel des Guten kann sich negativ auf die progressiven Grundwerte, welche die politische Korrektheit vertritt, auswirken. Das Thema der Political Correctness verliert ihre ursprüngliche Essenz, da es als Polemik zum Schlachtfeld für einen plumpen politischen Kampf zwischen links und rechts, zwischen liberal und konservativ genutzt wird. Man wird beim Sprechen und bei dem, was man tut oft auf moralische Weise sanktioniert. Wir benutzen im Grunde genommen jedes Thema, um es mit bestimmten Meinungen zu legieren. Wenn man eine bestimmte Sichtweise nicht vertritt, manövriert man sich automatisch in das Gebiet der politischen Unkorrektheit. Ich positioniere mich nicht gegen die Hamas, dann unterstütze ich Terroristen. Ich spreche mich gegen Israel aus, dann bin ich Antisemit:in. Sobald Meinungen mit politischen Ansichten gekoppelt werden, gerät man in ein äußerst gefährliches Territorium. Denn genau so härten sich die Fronten und es bilden sich ganz schnell Lager.

  • „Nur weil wir als Christen dazu stehen wer wir sind, diskriminieren wir dadurch nicht automatisch Andersgläubige“

     

    Es gilt mit der politischen Korrektheit nicht zu übertreiben, vielmehr soll sich des gesunden Menschenverstandes bedient werden. Die Grundwerte für politisch korrektes Sprechen und Verhalten basieren vor allem auf ein respektvolles Miteinander. Das bedeutet nicht, dass wir unsere Traditionen oder christlichen Feiertage umbenennen oder ändern sollen, sondern dass wir die kulturelle und religiöse Vielfalt feiern, indem wir die Dinge weiter beim Namen nennen. „Nur weil wir als Christen dazu stehen, wer wir sind, diskriminieren wir dadurch nicht automatisch Andersgläubige. Man muss Verschiedenheiten nicht nur aushalten, sondern auch achten können. Entscheidend hierbei ist, wie wir mit diesen Unterschieden umgehen. Als Gesellschaft müssen wir Pluralität und Akzeptanz schützen und zu unserer eigenen Identität stehen, indem wir sie leben,“ erklärt Lintner im Gespräch. Anstelle modifizierter Weihnachtslieder, die Kinder über jüdische, muslimische oder andere religiösen Feiertage und Traditionen aufklären. Die Unterschiede zelebrieren und nicht so tun, als gäbe es sie nicht.

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Salto User
Milo Tschurtsch Thu, 01/04/2024 - 15:29

"Die Grundwerte für politisch korrektes Sprechen und Verhalten basieren vor allem auf ein respektvolles Miteinander. "

"..........kommen auffällig oft aus den Mündern von weißen hetero Männern. "

Ist "weiße hetero Männer" politisch korrekt oder eher Rassismus ? (Rassismus : Eine Weltanschauung, nach der Menschen aufgrund äußerlicher Merkmale oder negativer Fremdzuschreibungen, die übertrieben, naturalisiert oder stereotypisiert werden, kategorisiert und ausgegrenzt werden).

"Respektvolles Miteinander" ist es sicherlich nicht.

Thu, 01/04/2024 - 15:29 Permalink
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Massimo Mollica Thu, 01/04/2024 - 16:27

Bellissimo articolo pieno di spunti di riflessione! E sposo in toto la considerazione finale. Certo ci sarebbe da capire cosa si intenda per tradizioni e cultura cristiana, perché sono certo che di quei genitori scandalizzati ben pochi vanno la domenica in chiesa. E sarebbe bello capire quanto di cristiano c'è realmente nella cultura attuale sudtirolese alto atesina.
E quindi spesso si finisce per ragionare per etichette (che fa molto comodo), fino appunto a pensare che se non si è per un gruppo necessariamente si è contro.
p.s. il riferimento ai "weißen hetero Männern" è corretto perché è la storia che lo avvalora.

Thu, 01/04/2024 - 16:27 Permalink